ãDie Dauer des AugenblicksÒ Ein foto-pŠdagogisches Handbuch I Inhalt ãDie Dauer des AugenblicksÒ Ein foto-pŠdagogisches Handbuch ãEin Fotograf muss sich auf vielen Gebieten auskennen .... in der Malerei, der Musik, im Theater. Er muss viel lesen, muss wissen, was in der Welt vor sich geht, muss am Weltgeschehen interessiert sein .... Den Moment einzufangen, ist nicht so leicht, wie man sich das vorstellt. Das hat zu tun mit dem hohen Grad an Wissen und Kultur und dem politischen EinfŸhlungsvermšgen. Fotojournalisten, die bewiesen haben, wie bedeutend sie sind, sind sich vieler Sachen bewusst.Ò Ara GŸler Das 2001 vom Jugendhof Steinkimmen herausgegebene ãFoto-pŠdagogische HandbuchÒ ist weiterhin gefragt, wenn auch in Teilen veraltet. Ich habe mich daher entschlossen, das Handbuch všllig zu Ÿberarbeiten und als CD-Version zu vertreiben sowie ins Internet zu stellen. Ich war und bin seit Ÿber drei§ig Jahren in der politischen und kulturellen Jugendbildung und der Fortbildung von MitarbeiterInnen in der Jugend- und KulturarbeittŠtig. Ein Schwerpunkt meiner Kulturarbeit war immer die Fotografie. SpŠtestens seit den 80er Jahren bemŸhe ich mich um eine organische Verbindung von politischer und kultureller Bildung. Kulturelle Bildung hat immer einen Inhalt. Ich sehe meine Aufgabe darin, die Inhalte der kulturellen Bildung politisch zu bestimmen und auszuweisen. Dadurch wird die Kulturarbeit zum Gegenstand der pŠdagogisch-politischen Auseinandersetzung. Zugleich wird der politisch definierte Inhalt thematisiert (Siehe Text P 1 "Zielsetzungen politisch-kultureller Bildung"). Die vorliegende CD "FotopŠdagogik" wurde in einigen Teilen korrigiert sowie um andere ergŠnzt. Das Kapitel T 03 Ÿber digitale Fotografie habe ich komplett herausgenommen. DafŸr habe ich kurze Texte zum VerhŠltnis von digitaler zu analoger Fotografie eingefŸgt. Leider musste ich qualitative Einbu§en beim Einscannen der Bilder hinnehmen. Sie sind nun noch schlechter als die gerasterten und gedruckten Fotos der Druckversion, obwohl ich als Vorlage die OriginalabzŸge benutzt habe. Die CD besteht aus fŸnf Teilen: Teil T: hier finden Sie ausfŸhrliche Texte zu Einzelproblemen, die teilweise auch in den ArbeitsblŠttern erklŠrt werden. Einige davon kšnnen fŸr fortgeschrittene oder besonders interessierte Teilnehmende als Zusatzinformationen dienen. Teilweise sind diese Texte vor allem fŸr TeamerInnnen als Hintergrundinformation geeignet. Teil P enthŠlt didaktische und methodische Texte und Beispiele, die einerseits meinen konzeptionellen Ansatz verdeutlichen, andererseits konkrete Anregungen fŸr einzelne Veranstaltungen enthalten. Teil A legt ArbeitsblŠtter vor, die der/die FotopŠdagogIn in Seminaren oder in der Gruppenarbeit verwenden kann. Sie sind so konzipiert, dass sie fŸr die Hand der Teilnehmenden kopiert werden kšnnen, so dass diese am Ende einer Veranstaltung eine Ÿbersichtliche Sammlung der wichtigsten Themen haben. Die Texte und Grafiken in den KŠsten sind geeignet, als Overhead-Folie kopiert und in der Veranstaltung gezeigt zu werden. Der/die TeamerIn kann natŸrlich ebenso gut die ArbeitsblŠtter mittels Beamer prŠsentieren. Im Kopf und am Ende jedes Arbeitsblattes finden sich die der folgenden KŠsten: A 1 Kameratechnik T 1, T2 Nummer des Arbeitsblattes Titel des Arbeitsblattes Querverweis So finden Sie leicht die dazugehšrigen ArbeitsblŠtter bzw. Texte und Diaserien.
Die ArbeitsblŠtter im Teil A sind durchnummeriert, so dass Sie auf Grund des Inhaltsverzeichnisses das gerade interessierende Arbeitsblatt leicht finden. Die einzelnen ArbeitsblŠtter haben Seitenzahlen. Sie bestehen teilweise aus zwei und mehr Seiten. Zu einigen ArbeitsblŠttern gibt es Diaserien, die bei mir ausgeliehen werden kšnnen. Die entsprechenden ArbeitsblŠtter sind mit einem D gekennzeichnet. Das Verzeichnis D beinhaltet die Diaserien zu verschiedenen Themen sowie Kurzkommentare zu den Serien. Im Teil L finden Sie ein Literaturverzeichnis der zitierten Literatur. Ich habe es bewusst kurz gehalten, um Sie nicht unnštig zu verwirren. Die Zahl der verfŸgbaren BŸcher zu unserem Thema ist zu umfangreich, um auch nur annŠhernd den Anspruch auf VollstŠndigkeit einzulšsen. Eine gesonderte Bibliografie bezieht sich auf den historischen Teil T 1. Das Handbuch ist das Ergebnis
einer mehr als dre§igjŠhrigen fotopŠdagogischen Praxis. Viele Anregungen und Informationen
verdanke ich meinen nebenamtlichen KollegInnen. Ich hoffe, dass Sie aus unseren
Erfahrungen fŸr Ihre Arbeit Anregungen ziehen kšnnen, und wŸnsche Ihnen viel
Spa§ beim Lesen und viel Erfolg. FŸr kritische Anregungen und Informationen
Ÿber Ihre Erfahrungen mit dem Handbuch bin ich dankbar. Bremen 2011 JŸrgen Fiege ãDie Dauer des AugenblicksÒ Ein foto-pŠdagogisches Handbuch T 1 Geschichte der Fotografie A 1 – 7, A 23, D 1 Als offizielles Datum der "Erfindung" der Fotografie gilt das Jahr 1839, in dem der Franzose Louis Jacques MandŽ Daguerre der …ffentlichkeit sein Verfahren, die nach ihm benannte "Daguerreotypie" vorstellte. TatsŠchlich war dies nur ein Hšhepunkt einer langjŠhrigen Entwicklungsarbeit, die Daguerre mit seinem Partner Nicophore NiŽpce geleistet hatte. TatsŠchlich gab es parallel andere Forscher, die an der "Erfindung" der Fotografie arbeiteten. TatsŠchlich auch wurden die Grundlagen der Fotografie bereits Jahrhunderte frŸher gelegt. Warum aber gerade dieser Zeitpunkt fŸr die Entwicklung mehrerer Verfahren zur fotografischen Anfertigung von Bildern? Die Fotografin und Soziologin Gisle Freund gibt dafŸr die sozialhistorische ErklŠrung: "Mit dem um 1750 beginnenden Aufstieg bŸrgerlicher Mittelschichten und der Zunahme ihres Wohlstands vergrš§erte sich das BedŸrfnis nach ReprŠsentation erheblich. Eine Form der ReprŠsentation ist zweifellos das SelbstportrŠt, dessen funktionale Beziehungen eng mit dem eigenen SelbstverstŠndnis und der Entwicklung des Persšnlichkeitsbewusstseins verbunden sind. Die PortrŠtdarstellung, die in Frankreich (ebenso wie im Ÿbrigen Europa; J.F.) jahrhundertelang immer nur das Privileg einer kleinen Schicht gewesen war, unterlag zugleich mit der gesellschaftlichen Verschiebung einer Demokratisierung." (Freund: Photographie, S. 13) (...) Durch den Aufstieg der unteren Schichten entstand das BedŸrfnis nach Massenproduktion von GŸtern, auch nach Massenproduktion von Portraits, denn sich portraitieren zu lassen, war gewisserma§en ein symbolischer Akt, durch den sich das EinrŸcken in die Reihe derer, die sozialen Respekt fŸr sich forderten, auch nach au§en sichtbar machen lie§. Damit begann eine Entwicklung von der handwerklichen Kunst des Portraitmalers Ÿber immer umfassendere Mechanisierung des Abbildprozesses bis zur letzten Stufe, dem photographischen Portrait." Auch Goergens / Lšhr: Bilder, S. 19 veranschaulichen diesen Zusammenhang: "In den Jahrzehnten um und nach 1800 entstand also ein breiter Markt fŸr billige, schnelle und mšglichst Šhnliche Bilder. Nun lag nichts nŠher, als zu versuchen, die von der Camera obscura entworfenen Bilder zu fixieren. Im ersten Drittel des 19. Jh. arbeiteten an diesem Problem in verschiedenen Orten Europas unabhŠngig von einander TŸftler und Wissenschaftler." War also bis ins 18. Jahrhundert das PortrŠt den Adligen, KirchenfŸrsten und reichen BŸrgern vorbehalten, entwickelte das škonomisch und politisch aufstrebende KleinbŸrgertum seit der zweiten HŠlfte des 18. Jahrhunderts ein zunehmendes BedŸrfnis, portrŠtiert zu werden. [1] Die Fotografie war nicht die erste Technik, die dieses BedŸrfnis bediente. VorlŠufer waren z.B. der Schattenriss und der Scherenschnitt, [2] die Physionotrace [3] und andere technisch-mechanische Verfahren zur PortrŠtierung. Die Fotografie war nur die letzte, aber auch optimale Technik. Einen zusŠtzlichen Aspekt hat VilŽm Flusser eingebracht. Nach der Erfindung der Buchdruckerkunst, der Alphabetisierung der Massen und die Differenzierung von Literatur in "billige Texte" fŸr die Massen, in "hermetische (also: geschlossene) Texte" aus Wissenschaft und Technik und Wissenschaft und die der "schšnen KŸnste" drohte die Kultur auseinander zu brechen. Sozusagen als Bindekitt, "als Code, der fŸr die ganze Gesellschaft gŸltig sein sollte" wurden "die technischen Bilder erfunden". Sie sollten "wieder ins tŠgliche Leben eingefŸhrt" werden. Die "hermetischen Texte" sollten im Sinne von Illustrationen vorstellbar werden und die Magie der "billigen Texte" sichtbar gemacht werden. (Flusser: Philosophie, S. 17) Auf einen interessanten Aspekt der Fotografie weist Gisle Freund (Freund: Photographie, S. 30) hin. 1839 wird in Frankreich ein Gesetz zur šffentlichen Nutzung der Fotografie erlassen, beantragt von liberalen, kleinbŸrgerlichen Intellektuellen in Deputiertenkammer und Pairskammer. "Der Gesetzentwurf sprach dem Erfinder des Daguerreotyps, dem Maler Daguerre, eine lebenslŠngliche Rente von 6.000 frs. und dem Sohne seines ehemaligen Mitarbeiters Nipce 4.000 frs. zu. Ohne Gegenstimme wurde der Antrag von den Kammern angenommen. Der franzšsische Staat hatte damit die Erfindung gekauft und Ÿbergab das Verfahren in einer am 19. August 1839 stattfindenden Sitzung der AcadŽmie des Sciences der …ffentlichkeit." Das bedeutet, dass die Leistungen von Daguerre und Nipce anerkannt und honoriert wurden, aber das Medium selbst der ausschlie§lich privaten VerfŸgbarkeit entzogen und der gesellschaftlichen Nutzung zugefŸhrt wurde: die Vergesellschaftung eines Mediums als historisch bedeutender Akt. 1. Die Camera obscura = Lochkamera (Schematische Darstellung der Camera Obscura siehe Blatt A 1) Soweit die ErklŠrung fŸr die "historische Notwendigkeit" dieser Erfindung. Die technischen Grundlagen existierten bereits Jahrhunderte frŸher. Bereits aus der Zeit um 1000 v.u.Z. sind Linsen aus geschliffenen Bergkristallen in Assyrien (Kalach/Nimrud) gefunden worden Um 1000 n.u.Z. beschreibt im arabischen Raum Ibn al-Haithan und um 1250 Roger Bacon in Europa die Camera obscura. Leonardo da Vinci (1452 - 1519) hat die Lochkamera zuerst gezeichnet. Zu dieser Zeit wurde sie als Zeichenhilfe fŸr die ma§stabsgetreue Darstellung von Landschaften und Stadtansichten benutzt. Daniele Barbaro versah die Lochkamera 1568 mit einer Sammellinse, so dass auch GegenstŠnde in grš§erem Abstand verkleinert abgelichtet werden konnten. Damit waren bereits im 16. Jahrhundert die Grundlagen fŸr die Konstruktion einer Kamera gegeben. Irgendwann wurde noch die variable Bildweite (Entfernung zwischen Linse und ProjektionsflŠche) erfunden; man konstruierte zwei KŠsten, die in einander steckten und gegeneinander verschoben werden konnten; so war die Entfernung zwischen Vorderwand mit Loch und Projektionswand (ggf. transparent) stufenlos verŠnderbar. 2. Fotochemie Auch die Fotochemie ist Šlter als die "Erfindung" der Daguerreotypie. 1727 entdeckte Johann Heinrich Schulze in Halle die Lichtempfindlichkeit von Silbernitrat. Er fŸllte eine Mischung aus Kreide und Silbernitrat in ein GlasgefЧ, legte verschiedene GegenstŠnde, u.a. Buchstabenschablonen darauf, setzte sie dem Licht aus: durch die Einwirkung des Lichts verfŠrbte sich das Silbernitratsalz, die GegenstŠnde zeichneten sich wei§ ab und Schulze hatte das Fotogramm erfunden. Sein Problem bestand darin, dass er die "Bilder" nicht fixieren konnte, das Silbernitrat schwŠrzte sich immer weiter, der Abbildeffekt verschwand. Der Schwede Karl Wilhelm Scheele stellte 1777 fest, dass "sich Silbersalze in violettem und blauem Licht schnell, bei andersfarbigem Licht (....) langsam verŠndern." (Klinckowstroem: Geschichte der Technik, S. 375). Das war die Grundlage fŸr die heute Ÿbliche farbige (rot/grŸn) Dunkelkammerbeleuchtung. Nach der Entdeckung von Schulze musste noch ein Jahrhundert vergehen und politisch - sozial einiges geschehen, bis die grundlegenden Erfindungen - Camera obscura und Lichtempfindlichkeit von Silbernitrat - zusammengebracht und zur Fotografie wurden. 1802 fertigte in England Thomas Wedgwood Fotogramme an, indem er auf Papier, das mit Silbernitrat behandelt war, GegenstŠnde legte und es dem Licht aussetzte. Er war wohl auch der erste, der das Silbernitratpapier als "Film" in die Lochkamera legte und so Bilder aufnahm. Sein Problem nach wie vor: er konnte die so gewonnenen Bilder nicht fixieren, sie verfŠrbten sich nach der Aufnahme schwarz. Dieses Problem lšste der EnglŠnder William Henry Fox. ZunŠchst entwickelte er eine lichtempfindliche Chlorsilberschicht, die er auf Papier auftrug. Damit machte er 1834 in der Camera obscura Bilder. Zusammen mit John William Herschel entdeckte er die das Chlorsilber auflšsende Wirkung des Fixiernatrons, wodurch das Papier lichtunempfindlich wird. 1841 stellte er fest, dass 1) Bromsilber lichtempfindlicher ist als Chlorsilber, 2), die GallsŠure der dafŸr geeignete Entwickler ist und 3) dass von den so hergestellten Papiernegativen im Kontaktverfahren beliebig viele PositivabzŸge anzufertigen sind. Damit hatte er die noch heute wichtigsten Erfindungen in der Fotochemie gemacht. Das Problem blieb die mangelnde QualitŠt der Bilder; besonders die durch das Papier als TrŠger der Fotoschicht hervorgerufene UnschŠrfe blieb unbefriedigend. 3. Neue TrŠger von neuen Fotoschichten An der Lšsung dieses Problems arbeiteten in den nŠchsten Jahren diverse Forscher. Ein Verwandter von NiŽpce - Claude NiŽpce de St. Victoire - kam als erster auf die Idee, Glasplatten als TrŠger der lichtempfindlichen Schicht zu verwenden, blieb aber erfolglos. Gustav Grey und Frederic Archer verfolgten diesen Ansatz weiter: sie benutzten Kollodium (Schie§baumwolle in einem €ther-Alkohol-Gemisch) als Bindemittel fŸr die lichtempfindliche Schicht. Der Nachteil: Beschichten, Belichten und Entwickeln mŸssen in einem einzigen Verfahren hintereinander durchgefŸhrt werden. Dieses "nasse Verfahren" wurde von Leach Maddox ŸberflŸssig gemacht: er benutzte eine Gelatineemulsion als Bindemittel und fertigte 1871 die ersten brauchbaren Bromsilbergelatine-Glasnegative. Damit war ein wichtiger Entwicklungsschritt in der Fotochemie getan. Ein anderes Problem lšste Hermann Wilhelm Vogel: die Bromsilberplatten "Ÿbersetzen" die Spektralfarben nicht korrekt in Schwarz-Wei§-Werte. Rot erscheint auf schwarz-wei§ als Schwarz. Wird ein Mischton - z.B. Orange - der auf das menschliche Auge hell wirkt, auf schwarz-wei§ abgebildet, erscheint er wegen des Rot-Anteils schwarz oder dunkelgrau. Dies liegt daran, dass Maddox` Bromsilberplatten fast nur auf Violett und Blau reagieren. Vogel fŠrbte daher 1873 das Bromsilber ein, so dass es auch auf Gelb und GrŸn reagierte; dies war die orthochromatische ("recht-farbige") Platte. Um die gleiche Zeit wurde wieder mit dem SchichttrŠger experimentiert, da die Glasplatten zu unhandlich, schwer und zerbrechlich sind. Leon Warnecke stellte 1875 Rollkassetten mit Bromsilber-Kollodiumschichten auf gelatiniertem Papier her. Parkes lie§ sich bereits 1856 Zelluloid als SchichttrŠger patentieren, doch erst 1887 konnte Hannibal Goodwin in Amerika ein fŸr Rollfilme geeignetes Zelluloidband herstellen und patentieren lassen. Die industrielle Nutzung - und den finanziellen Vorteil - gewann aber George Eastman, der 1884 eine Kamera mit Rollfilmkassette auf den Markt brachte. 1895 erschien eine Kamera, in die die Filmkassette bei Tageslicht eingelegt werden konnte. Damit war der Grundstock fŸr ein Firmenimperium (Eastman-Kodak-Companie) und enorme Profite gelegt; denn diese Entwicklungen waren die Voraussetzungen fŸr die industriemЧige Herstellung von Kameras und Filmmaterial und fŸr den massenhaften Verkauf; das wiederum war die Geburtsstunde der Amateurfotografie und der Fotografie als Massenkultur. NatŸrlich bekam der Berufsfotograf damit Konkurrenz. Zwar lie§ man PortrŠts, Familienfeiern (Hochzeiten z.B.) nach wie vor den Profi machen, aber die Alltagsfotografie (Landschaft, Reise, Kinder etc.) wurde zunehmend von Amateuren selbst gemacht. 4. Optik: die "Linse" Bevor ihre massenhafte Verbreitung und Anwendung erfolgen konnte, mussten aber auf den Gebieten der Optik und der Mechanik noch erhebliche Entwicklungsleistungen erbracht werden. Das Vergrš§erungsglas (nach seiner Form auch "Linse" genannt), das Fernrohr und das Mikroskop waren zwar lange bekannt. Ihr Mangel, der sich besonders fŸr die Fotografie bemerkbar machte, bestand in der mangelnden LichtstŠrke, der UnschŠrfe durch unregelmЧige OberflŠchen und der Brechung des Lichts in den Randbereichen. ZunŠchst konnten im 18. Jahrhundert farbfehlerfreie Fernrohre durch Kombination unterschiedlicher Linsen mit verschiedenen Glassorten hergestellt werden. Au§erdem wurden bessere Verfahren bei der Herstellung und AbkŸhlung des Glases entwickelt. Schlie§lich entwickelten Paul Rudolf und Ernst AbbŽ in Jena seit 1866 wissenschaftliche Methoden zur Berechnung von Linsen. Die Fa. "Schott und Genossen" und Carl Zeiss stellten hochwertige Glassorten und exakt berechnete Linsen und Objektive her. 5. Fotomechanik: Metall, Blende, Verschluss Auch die Fotomechanik wurde in der 2. HŠlfte des 19. Jahrhunderts entwickelt. Die Daguerre«schen hšlzernen KameraungetŸme waren nur mit einem Objektivdeckel versehen, der von Hand abgenommen und wieder aufgesetzt wurde. Bereits 1858 entwarf Thomas Skaife auf Basis des verbesserten Kollodiumverfahrens "eine Miniaturkamera mit einem f/2,2-Objektiv fŸr Platten von 2,5 cm SeitenlŠnge. Die Vergrš§erung erfolgte von Hand. Das Negativ wurde auf das gewŸnschte Format projiziert und dann kopiert." (Newhall: Geschichte, S. 223). 1841 baute VoigtlŠnder die erste Metallkamera. Die Blende zur Ausschaltung der RandunschŠrfe der Linsen und ŸberflŸssigen Lichts wurde in Fernrohren und Mikroskopen bereits lange benutzt. ZunŠchst wurden Metallplatten mit einem Loch benutzt, spŠter mit mehreren, die durch Verschieben oder Drehen gewechselt werden konnten. Schlie§lich wurde die noch heute Ÿbliche Irisblende konstruiert, die aus mehreren fŠcherfšrmig konzentrisch angeordneten Metallplatten besteht, die stufenlos gegeneinander verschoben werden kšnnen. Auch die Verschlusssysteme wurden verbessert. Der Objektivdeckel wurde zunŠchst abgelšst durch Metallplatten, die durch Federdruck das Objektiv šffnen oder schlie§en konnten. SpŠter wurde der Zentralverschluss entwickelt: Šhnlich wie bei der Irisblende sind Metallplatten (Lamellen) an Drehpunkten so befestigt, dass sie sich konzentrisch šffnen und schlie§en kšnnen. Mit dieser Konstruktion lie§en sich kurze Verschlusszeiten relativ prŠzise realisieren. Voraussetzung fŸr die Anwendung waren natŸrlich lichtempfindliche Filmschichten und lichtstarke Objektive. 1888 lie§ sich Ottomar AnschŸtz den Schlitzverschluss patentieren, der 1) nicht mehr vor oder in dem Objektiv, sondern unmittelbar vor der Filmebene liegt, 2) prŠzise auch sehr kurze Verschlusszeiten ermšglicht, 3) sich nicht konzentrisch šffnet und schlie§t und daher eine gleichmЧige Belichtung der ganzen FilmflŠche ermšglicht. Die kommerzielle Nutzung der Fotografie wurde vor allem in Amerika bereits zum Ende des 19. Jahrhunderts vorangetrieben. Als erst einmal die technischen Voraussetzungen fŸr die industrielle Massenproduktion von Kameras und Filmen (einfach zu handhabende Metallkameras, Rollfilme auf ZelluloidtrŠger) vorhanden waren, kam Kodak 1888 mit der Box-Kamera auf den Markt: Kodak-Boxen mit Rollfilm ˆ 100 Bilder wurden zum Preis von 25 US-$ verkauft. Nach der Belichtung wurde beides ins Werk eingeschickt und die Kamera mit einem neuen Film versehen, Kostenpunkt 10 $. "Sie knipsen, wir erledigen den Rest." war der populŠre Werbeslogan. Damit waren die Grundlagen fŸr die Erschlie§ung eines Massenmarktes und zugleich fŸr die Amateurfotografie gelegt. Der deutsche Markt wurde erst 1930 mit der Box von Agfa mit einem vergleichbaren Produkt bedient. Damit waren um die Jahrhundertwende alle auch heute noch wichtigen Erfindungen gemacht: 1. Metallkamera / Rollfilmkamera 2. hochempfindliche Bromsilbertrockenschichten 3. Zelluloid als TrŠgermaterial 4. lichtstarke, scharfzeichnende, reflexarme Objektive 5. Irisblende 6. prŠzise und schnell arbeitende Verschlusssysteme. Vier wichtige historische Tendenzen mŸssen hier nochmals hervorgehoben werden: 1. Obwohl die grundlegenden Techniken - Optik, Camera obscura und Lichtempfindlichkeit von Silbersalzen - lange bekannt waren, entsteht erst gegen Mitte des 19. Jahrhunderts aufgrund der sozialpolitischen Entwicklung die "Notwendigkeit", die Fotografie zu entwickeln. 2. Die Richtigkeit dieser These - die sich Ÿbrigens auch in anderen Bereichen der Technikgeschichte nachweisen lŠsst - wird u.a. dadurch bestŠtigt, dass seit etwa 1800 in verschiedenen europŠischen LŠndern - Frankreich, Deutschland, England und Schweden, in der zweiten HŠlfte des 19. Jahrhunderts auch in den USA - parallel und gleichzeitig an den notwendigen Erfindungen gearbeitet wird. Auch die rapide Ausbreitung der Fotografie sofort nach ihrer Entdeckung spricht dafŸr. 3. Die optimalen technischen Lšsungen setzen sich nicht notwendig durch. Die Daguerreotypie wird lange favorisiert, erweist sich aber als Umweg, da das Papierbild schon lange vorher erfunden war und tatsŠchlich die bessere Lšsung ist, die sich spŠter dann auch durchsetzte. Der anfŠngliche Erfolg der Daguerreotypie lŠsst sich wohl nur aus dem ReprŠsentationsbedŸrfnis der PortrŠtierten erklŠren. Daguerres Kupferplatten, kunstvoll in aufwendigen Lederetuis verpackt, machten einfach mehr her als die damaligen Papierbilder. Schon hieran kšnnen wir die Bedeutung von WarenŠsthetik und ReprŠsentation erkennen. 4. Das umstŠndliche Daguerresche Verfahren eignete sich nicht fŸr die Amateurfotografie. Bei der starken Nachfrage nach PortrŠts bildete sich zwangslŠufig ein Berufsfotografenstand heraus. Erst die Entwicklung des Rollfilms und kleinformatiger Kameras gegen Ende des 19. Jahrhunderts (Eastmann) schufen die Grundlage fŸr den Fotoapparat als Massenprodukt und die massenhafte Amateurfotografie. FŸr das "besondere PortrŠt", auch fŸr den besonderen Anlass (Hochzeit u.Š.) bedarf es aber nach wie vor des Berufsfotografen. Die weitere Entwicklung der Fototechnik ging im Wesentlichen dahin, 1. die bekannte Technik zu optimieren, 2. kleinere, kompaktere Kameras und Filme zu konstruieren. Einen entscheidenden Beitrag dazu leistete Oskar Barnack, ein Spezialist fŸr PrŠzisionsgerŠte, der seit 1911 Leiter des Forschungslabors der Leitz-Werke in Wetzlar war: "Er konstruierte einen kleinformatigen Photoapparat, fŸr den er den Film des kurz vorher entwickelten Kinematographenapparates verwendete, indem er die Grš§e des Negativs verŠnderte. So entstand das Format 24 x 36 mm." (Freund: Photographie, S. 133) 1925 wird die Leica auf der Leipziger Messe vorgestellt mit einem 36-Bilder-Kleinbildfilm und einem fŸr damalige VerhŠltnisse sensationellen Objektiv 1 : 3,5 /50 mm. 1930 wird die Leica bereits mit Wechselobjektiven verschiedener Brennweiten verkauft. "FŸr die Arbeit des Berufsphotographen bedeutet dies eine Revolution." (Freund, a.a.O., S. 134) Das Wechselobjektiv wird teilweise ersetzt durch das Zoomobjektiv, mit dem die Brennweite stufenlos verŠndert werden kann. 1959 bringt VoigtlŠnder ein solches Objektiv auf den Markt, das im Volksmund "Gummilinse" genannt wurde. Zwei gŠnzlich neue Techniken, die seit der Mitte bzw. in der 2. HŠlfte unseres Jahrhunderts entwickelt wurden, mŸssen noch erwŠhnt werden. Die Technik der Sofortbildkamera wird hier nicht weiter ausgefŸhrt. Zur digitalen-Fotografie siehe Text T 8 "Digitale und analoge Fotografie". 6. Farbfotografie Nachdem die Chemie der Schwarz-Wei§-Fotografie weitgehend entwickelt war, entstand der Wunsch nach dem farbigen Bild. Ab 1907 wurde mit dem additiven Verfahren experimentiert. Hierbei liegen dicht nebeneinander unzŠhlige kleine Farbpunkte, die sich in einer gewissen Distanz fŸr das Auge zu farbigen FlŠchen zusammensetzen [4] . Auf diesem Verfahren beruht die moderne Farbnegativtechnik. 1912 erhielt Rudolf Fischer ein Patent auf eine Idee, - die bereits 1895 veršffentlicht worden war -, mehreren Ÿbereinanderliegenden, verschieden sensibilisierten Bromsilberschichten unterschiedliche Farbbildner hinzuzufŸgen; beim Entwickeln in einem einzigen Vorgang entstehen Farbstoffe in den Schichten. Allerdings wurden erst 1936 von Agfa in Deutschland und Kodak in Amerika Farbumkehrfilme (Diapositivfilme) auf den Markt gebracht, die nach diesem Verfahren funktionieren. Seit 1941 waren die ersten Farbnegative und farbige Papierbilder zu sehen (s. Freier, Lexikon, S. 1o3 f). 7. Elektronik In engem Zusammenhang mit der Farbfotografie steht das Vordringen der Elektronik. Bei der Schwarz-Wei§-Fotografie kšnnen Belichtungsfehler bei der Aufnahme (1. Prozess) relativ problemlos im Positivlabor (2. Prozess) durch lŠngere bzw. kŸrzere Belichtung der Vergrš§erung oder des Kontaktabzugs korrigiert werden. Nicht so beim Farbumkehrprozess. Hier gibt es nur einen Entwicklungsprozess, also kšnnen Fehler auch nicht ausgeglichen werden. Kann der Schwarz-Wei§-Fotograf - auch aufgrund von †bung - sich auf sein subjektives Urteil verlassen, ist bei der Farbumkehrfotografie eine exakte Belichtung notwendig. Also wurden Belichtungsmesser entwickelt, die Blende und Verschlusszeit angaben. Der nŠchste Schritt - Voraussetzung waren Mikroprozessoren und Mikroelektronik - war, dass der - inzwischen in die Kamera eingebaute - Belichtungsmesser seine Werte direkt an die Kamera weitergibt und automatisch Blende oder Verschlusszeit oder beides einstellt. Besonders fŸr "schnelle" Bilder (Reportage, Sport), bei oft oder schnell wechselnden BeleuchtungsverhŠltnissen ist das eine gro§e Erleichterung. Die Techniker blieben dabei aber nicht stehen. Auch das Einstellen der Entfernung wird inzwischen automatisch von der Kamera geleistet (Autofokus). Hier wird es aber schon problematisch. Die Kamera misst in der Regel einen bestimmten Punkt des Motivs, die Bildmitte. Ist der wichtigste Punkt des Motivs aber nicht in der Bildmitte, spielt der Autofokus dem Fotografen einen Streich, indem er die falsche Entfernung misst (s. Abb. S. 7). Der Autofokus sollte also, falls vorhanden und gewŸnscht, ausschaltbar sein. Einmal losgelassen, gab es fŸr die Elektroniker, natŸrlich zur "Belebung des Marktes", kein Halten mehr. Inzwischen wird die Filmempfindlichkeit automatisch eingestellt, der Film motorisch vor- und zurŸckgespult usw. Die meisten dieser Erfindungen sind MŠtzchen, die die Kamera reparaturanfŠlliger und teurer machen, ihre Mšglichkeiten aber nicht erweitern, sondern meist einschrŠnken. Was mache ich z.B. mit einem DX-kodierten Film (dessen Empfindlichkeit die automatische Kamera selbstŠndig einstellt), wenn ich aufgrund besonderer AufnahmeverhŠltnisse den Film anders als angegeben belichten will? Was mache ich bei automatischem Vor- und RŸckspulen, wenn ich eine Doppelbelichtung machen will? All diese elektronischen Spielereien schrŠnken die Entscheidungsfreiheit des Fotografen, die Handhabbarkeit der Kamera ein. An dieser Stelle sei bereits auf die im Text T 2 "Fototechnik" wiedergegebenen grundsŠtzlichen †berlegungen von VilŽm Flusser hingewiesen. Der Fotograf, der Bilder bewusst gestalten will, wird darauf beim Kauf verzichten oder darauf achten, dass die Automatik auf manuellen Betrieb umgeschaltet werden kann. Allerdings machen die Kamerahersteller es uns nicht leicht: ohne Elektronik ist kaum eine preiswerte Kamera mehr zu haben. Der ambitionierte Hobbyfotograf oder Profi wird daher auf Šltere (gebrauchte) Modelle oder sehr teure Kameras ausweichen.
: JŸrgen Fiege 2011 ãDie Dauer des AugenblicksÒ Ein foto-pŠdagogisches Handbuch T 2 Fototechnik A 1 - A 9 Will man die gestalterischen Mšglichkeiten der Fotografie kennen lernen, analysieren, beurteilen oder selber anwenden, so muss man einige grundlegende Informationen zur Fototechnik verstehen. Dies ist vor allem notwendig, um manipulative Techniken zu durchschauen, um sich so dagegen immunisieren zu kšnnen. Im Folgenden werden daher die wichtigsten Bedienungselemente ausfŸhrlicher vorgestellt, die auch schon im Text T 1 "Geschichte der Fotografie" angesprochen wurden. Bevor ich das tue, mšchte ich noch auf einen Gedanken hinweisen, den VilŽm Flusser entwickelt hat. Danach sind drei EinflŸsse fŸr den Prozess des Fotografierens - Flusser spricht von der "Geste des Fotografierens" - bedeutsam: (a) Die Technik der Fotoapparate ist viel komplexer, als es fŸr den Fotografen praktisch nachvollziehbar ist. Der Fotograf versteht weder vollstŠndig die Prozesse, die wŠhrend des Fotografierens ablaufen, noch kann er alle Mšglichkeiten des Apparats nutzen. Flusser spricht in diesem Zusammenhang von einer "black box", also einem schwarzen Kasten, in den der Fotograf keinen Einblick hat. Dies gilt insbesondere fŸr vollautomatische Kameras in der Hand von Amateurfotografen und "Saisonkonformisten" (Bourdieu). (b) Die Technik des Apparates zwingt dem Fotografen eine bestimmte Sichtweise und Handlungsweisen auf. Der Fotograf ist dadurch eingeschrŠnkt bzw. gerichtet, dass die Fotoindustrie ihm ein Programm vorgibt, innerhalb dessen er sich - mit den in (a) gemachten EinschrŠnkungen - nur bewegen kann. "Die Kategorien des Apparates setzen sich auf die Kulturbedingungen auf und filtrieren sie. Die einzelnen Kulturbedingungen treten damit in den Hintergrund: Gleichgeschaltete Massenkultur der Apparate ist die Folge; im Westen, in Japan, in den unterentwickelten LŠndern - Ÿberall wird alles durch die gleichen Kategorien hindurch aufgenommen." (Flusser: Philosophie, S. 32) Diese Probleme potenzieren sich bei der digitalen Fotografie um ein Vielfaches! (c) Der ambitionierte Fotograf kann die Kombination der Kategorien - technische Vorgaben des Apparates, gestalterische Kategorien, individuelle Absichten etc. - nur innerhalb bestimmter Grenzen auswŠhlen. "Selbstredend kann der Fotograf neue Kategorien erfinden. Aber dann springt er aus der fotografischen Geste (dem Handeln) hinaus ins Metaprogramm der Fotoindustrie oder des Eigenbaus, von wo aus Fotoapparate programmiert werden. Anders gesagt: In der Fotogeste tut der Apparat, was der Fotograf will, und der Fotograf muss wollen, was der Apparat kann." (Flusser: Philosophie, S. 33) 1. Verschluss (siehe Blatt A 6) Zu Zeiten, als die Belichtungszeiten noch mehrere Minuten, mindestens aber Sekunden betrugen, begnŸgten sich die Fotografen mit einfachen Deckeln, die vorn auf das Objektiv aufgesteckt wurden und abnehmbar waren. Die Belichtungszeit wurde mit der Uhr oder durch ZŠhlen (21, 22, 23 ...) gemessen. Als durch verbesserte Objektive und Filme die Zeiten kŸrzer werden konnten, war dieses Verfahren unpraktikabel. Nštig wurden Systeme, die auch sehr kurze und prŠzise einstellbare Verschlusszeiten ermšglichten. Dies setzte feinmechanische PrŠzisionsarbeit voraus. Es gibt heute grundsŠtzlich zwei verschiedene Verschlusssysteme: 1) den Zentralverschluss (Blatt A 6) und 2) den Schlitzverschluss. Der Verschluss dient vor allem dazu, die Lichtmenge, die durch das Objektiv auf den Film fŠllt, zu dosieren. Die SchwŠrzung der lichtempfindlichen Filmschicht ist nŠmlich nicht nur von der IntensitŠt des Lichts (hell, dunkel), sondern auch von der Dauer der Belichtung abhŠngig (Ÿbrigens auch von der Lichtempfindlichkeit der Schicht und der Dauer der Entwicklung): Je lŠnger die Belichtungszeit, desto schwŠrzer der Film. Es liegt nahe, dass hier PrŠzision notwendig ist. Der Zentralverschluss kann zu unterschiedlicher SchwŠrzung im Zentrum und am Rand fŸhren. In der Mitte ist der Verschluss am lŠngsten, zum Rand hin immer kŸrzer gešffnet. Also wird das Negativ in der von der Mitte zum Rand immer heller. Bei alten Bildern kann man das erkennen. Dies lŠsst sich durch eine sehr schnelle …ffnung bzw. Schlie§ung des Zentralverschlusses minimieren. Der Schlitzverschluss dagegen belichtet alle Teile des Negativs gleichmЧig (siehe A 06). Nun kšnnte man fragen, warum Ÿberhaupt unterschiedliche Verschlusszeiten (bis zu mehreren tausendstel Sekunden) notwendig sind. Diese Frage weist auf die zweite Funktion hin. Einen Gegenstand, der sich nicht bewegt - z.B. ein Haus -, kann ich mit einer Kamera, die sich nicht bewegt (auf Stativ montiert), mit einer beliebig langen Verschlusszeit aufnehmen. Anders in FŠllen, in denen das Objekt - ein Mensch, Tier, Fahrzeug - oder die Kamera sich bewegen. Fotografiere ich ein fahrendes Auto mit einer langen Verschlusszeit, wird das Auto unscharf. Um es scharf abzubilden, muss ich eine kurze Verschlusszeit wŠhlen, je schneller das Auto, desto kŸrzer muss die Verschlusszeit sein. Dasselbe gilt fŸr die Kamera: wenn sich die Kamera bewegt, muss auch die Verschlusszeit kurz sein. Wenn die Kamera fest auf einem Stativ montiert ist, ist das unerheblich. HŠlt der Fotograf sie aber in der Hand, muss die Zeit schon kŸrzer sein (Faustregel: 1/125 sec., in AusnahmefŠllen 1/60 sec., bei sehr ruhiger Hand 1/30 sec.). Befinden sich Fotograf und Kamera in einem Fahrzeug, so muss die Verschlusszeit der Geschwindigkeit des Fahrzeugs angepasst, also verkŸrzt werden. Umgekehrt kann Geschwindigkeit mit einer verlŠngerten Verschlusszeit auch visualisiert werden. Nehme ich das fahrende Auto mit kurzer Verschlusszeit, also scharf auf, kann der Betrachter des Fotos nicht unterscheiden, ob es steht oder fŠhrt. Wenn ich das fahrende Auto aber mit einer "zu langen" Verschlusszeit aufnehme, wird es unscharf vor einem scharfen Hintergrund; optisch wird dadurch klar: das Auto fŠhrt. Geht es mir dagegen darum, das Auto scharf abzubilden, die Geschwindigkeit aber dennoch zu zeigen, dann bewege ich die Kamera in der gleichen Geschwindigkeit, mit der das Auto fŠhrt ("mitrei§en"): in diesem Fall bekomme ich das Auto scharf, der Hintergrund wird aber unscharf, der Betrachter "sieht" die Geschwindigkeit.
Der/die Besitzer/in einer vollautomatischen Kamera wird jetzt fragen: Wie mache ich das? TatsŠchlich geht das nur mit Kameras, bei denen die Verschlusszeit frei zu wŠhlen ist, entweder also bei Kameras ohne Zeitautomatik oder mit solchen, bei denen die Zeitautomatik auszuschalten ist. Um die Verschlusszeiten zu standardisieren, ist man von der Sekunde als Ma§ ausgegangen. Von dieser Zahl aus werden die Zeiten entweder halbiert oder verdoppelt. Dieses Prinzip - Halbierung bzw. Verdoppelung - ist wichtig festzuhalten, weil es bei den anderen Belichtungsvariablen (Blende, Filmempfindlichkeit) ebenfalls angewendet wird. Allerdings gibt es bei der Reihe der Verschlusszeiten zwei UnregelmЧigkeiten, (kursiv gedruckt) die aus GrŸnden der Vereinfachung eingefŸhrt wurden, aber effektiv unerheblich sind. Die Reihe der Verschlusszeiten ist die folgende: 4 - 2 - 1 - 1/2 - 1/4 - 1/8 - 1/16 - 1/3o - 1/60 - 1/125 - 1/250 - 1/500 - 1/1000 sec. Die Reihe lie§e sich nach oben und unten fortsetzen. Bei handelsŸblichen guten Kameras reicht die Reihe von 1 sec. bis 1/500 oder 1/1000 sec. Das reicht fŸr den normalen Amateur- oder Hobbyfotografen meistens aus: selbst Sportaufnahmen sind damit mšglich. Sehr gute Kameras haben noch kŸrzere Zeiten. FŸr lŠngere Verschlusszeiten - z.B. fŸr Nachtaufnahmen mit Stativ - verfŸgen gute Kameras Ÿber das "B": diese Einstellung bedeutet, dass der Verschluss so lange gešffnet ist, wie ich auf den Auslšser drŸcke. Erst wenn ich ihn loslasse, schlie§t sich der Verschluss. Die Zeitmessung muss ich mit der Uhr oder durch ZŠhlen vornehmen. Bei Fotografien mit einer Verschlusszeit von weniger als 1/1000 oder mehr als 1/12 sec. entsteht das Problem des Schwarzschild-Effekts (siehe Blatt A 10). Fotografen mit sehr ruhiger Hand kšnnen ab 1/30 sec. "aus der Hand" fotografieren; fŸr lŠngere Verschlusszeiten (mehr als 1/30) benštigt man in der Regel ein Stativ oder eine Ablage, auf die man die Kamera stellt. In diesem Fall empfiehlt es sich, einen Drahtauslšser zu benutzen, um beim BetŠtigen des Auslšsers Verwacklungen zu vermeiden. Man kann sich auch durch Benutzung des Selbstauslšsers helfen. 2. Die Blende (siehe Blatt A 3) Im Unterschied zum Verschluss, der heute primŠr benutzt wird, um Bewegungen der Kamera oder des Objektivs auszugleichen, ist die erste Funktion der Blende die Dosierung der Lichtmenge. Die Blende ist bei allen Kameratypen im oder direkt hinter dem Objektiv platziert. Sie besteht aus MetallplŠttchen, die an einem Drehpunkt befestigt sind, fŠcherfšrmig und stufenlos konzentrisch gešffnet oder geschlossen werden kšnnen. In Analogie zur Iris im menschlichen Auge (vgl. Blatt A 19) spricht man auch von einer Irisblende (Blatt A 3). Die frŸher bei einfachen Kameras Ÿbliche Lochblende wird heute nicht mehr benutzt. Die zweite wichtige Funktion der Blende besteht darin, dass RandunschŠrfen, Farbfehler und Helligkeitsverluste ausgeblendet werden. Trotz fortgeschrittener Optik sind die RŠnder der Linsen - vor allem bei billigen Kameras - "Problemzonen". Weil dort die KrŸmmung am grš§ten ist, sind sie dort auch am schwierigsten zu formen. Die Folgen sind UnschŠrfe und falsche Farben. Der Bildkreis, den das Objektiv auf den Film projiziert, ist im Randbereich dunkler und unschŠrfer. Weil die Entfernung vom Objektivmittelpunkt zum Bildrand grš§er ist als zur Bildmitte und nach dem Gesetz von der Abnahme des Lichtes im Quadrat zur Entfernung die Helligkeit zum Rand abnimmt, bekommt der Bildrand weniger Licht. Au§erdem nimmt die SchŠrfe wegen der unterschiedlichen Entfernung im Randbereich ab. Indem ich die Blende schlie§e, werden die Randbereiche abgedeckt und die Randfehler bleiben unsichtbar. Die meisten Objektive sind so gearbeitet, dass sie optimale Ergebnisse bei Blende 8 erbringen. Ich werde daher nur bei dunklen LichtverhŠltnissen oder bei kurzen Verschlusszeiten die Blende weiter šffnen bzw. bei gro§er Helligkeit und langen Verschlusszeiten schlie§en. Die dritte, nicht unwesentliche Funktion der Blende ist die Festlegung der TiefenschŠrfe bzw. TiefenunschŠrfe (siehe Blatt A 5).Dieser Begriff wird ausfŸhrlich in Kap 3. erlŠutert. Die Grš§e der …ffnung der Blende ist messbar. Um einen rechnerischen Bezug zur Lichtmenge zu bekommen, wurde die folgende Formel entwickelt: Es ist klar, dass der Durchmesser der Blendenšffnung Einfluss auf die hindurchgehende Lichtmenge hat. Da das Licht im Quadrat der Entfernung abnimmt, hat auch die Entfernung zwischen Blende und Filmebene (Brennweite) Einfluss auf die Lichtmenge, die auf den Film fŠllt. Da die Blendenzahl das Ergebnis eines Bruchs ist, ist klar, dass bei grš§erem Nenner (in diesem Fall der Blendendurchmesser) die Blendenzahl kleiner wird. So erklŠrt sich das scheinbare Paradox, dass die gro§e Blendenšffnung (z.B. 17,86 mm Durchmesser) eine niedrige Blendenzahl hat (z.B. 2,8) und die kleine Blendenšffnung (z.B. 3,12 mm Durchmesser) eine gro§e Zahl hat (z.B. Blende 16, jeweils bei 50 mm Brennweite). Zur besseren Veranschaulichung kann man die Blendenzahl auch als VerhŠltniswert angeben: z.B. 1:2,8 oder 1:16. Ebenso wie bei den Verschlusszeiten wird bei der Blende beim …ffnen oder Schlie§en um je eine Stufe die Lichtmenge verdoppelt oder halbiert. Das hei§t fŸr die Fotopraxis: halbiere ich die Verschlusszeit von 1/30 auf 1/60 sec., so halbiere ich die Lichtmenge, die auf den Film fŠllt. Um dennoch den Film nicht unterzubelichten, muss ich die Blende um eine Stufe šffnen, so dass die doppelte Lichtmenge hindurchfŠllt; also z.B. statt Blende 11 dann Blende 8. Umgekehrt muss ich bei einer doppelt so langen Verschlusszeit die Blende um eine Stufe schlie§en. Die Blendenreihe ist so berechnet, dass bei jedem Schritt eine Verdoppelung bzw. Halbierung der Lichtmenge erfolgt. Ausgangsgrš§e ist die Zahl 1. Die Blendenreihe lautet dann: 1 - 1,4 - 2 - 2,8 - 4 - 5,6 - 8 - 11 - 16 - 22 - 45 usw. HandelsŸbliche gute Kameras haben z.Zt. eine maximale Blende 1,4, hŠufiger 2 und eine kleinste Blende 16 oder 22. FŸr den Alltag des Amateur- oder Hobbyfotografen ist das ausreichend. Die meisten Kameras haben eine Blendenautomatik. Das bedeutet, dass ich manuell (also von Hand) die Verschlusszeit einstelle und der Belichtungsmesser automatisch die richtige Blende (abhŠngig von Filmempfindlichkeit und Helligkeit des Motivs) einstellt. Diese Vorrichtung scheint mir sinnvoll zu sein, vorausgesetzt ich kann die Blende au§erdem auch manuell einstellen, d.h. die Automatik abschalten. Wichtig ist, dass die von der Automatik festgelegte Blende im Sucher ablesbar ist, so dass ich ggf. (durch VerŠndern der Verschlusszeit oder Umschalten auf "manuell") eingreifen kann. 3. Entfernung (siehe Blatt A 4 und A 5) Jede(r) wei§, dass bei einer Lupe (Brennglas) die Entfernung der Lupe vom Gegenstand (Objekt) und des Auges zur Lupe stimmen muss, um den Gegenstand scharf vergrš§ert zu sehen. Das hŠngt damit zusammen, dass die Lichtstrahlen durch die Lupe gebŸndelt werden (siehe Blatt A 2) und sich in einem Punkt, dem Brennpunkt treffen. Bei der Kamera entspricht die Lupe dem - aus mehreren Linsen bestehenden - Objektiv. Der Brennpunkt des Objektivs muss genau auf der Filmebene liegen, damit der Gegenstand scharf abgebildet wird. Aber auch die Entfernung zwischen Objektiv und Gegenstand muss stimmen, d.h. die Entfernungen zwischen Gegenstand und Objektiv ( = Gegenstandsweite) sowie zwischen Objektiv und Film (Bildweite) mŸssen in einem bestimmten VerhŠltnis zueinander stehen (siehe Blatt A 4). Je grš§er die Gegenstandsweite, desto kleiner die Bildweite und umgekehrt. Bei unserer Kamera kšnnen wir das ŸberprŸfen: stellen wir den Entfernungsring auf unendlich (´), dann ist das Objektiv ganz hinten, dicht an der Filmebene; drehen wir den Entfernungsring auf 1 m, dann kommt das Objektiv nach vorn heraus. Beobachtbar ist das bei jeder Sucher-, besser noch bei einer Spiegelreflexkamera, am besten bei einer Kamera mit Balgenauszug. Mathematisch gesprochen ist das Bild, das auf die Filmebene projiziert wird, nur in einer einzigen Entfernungsebene scharf. Dies gilt aber nicht fŸr die tatsŠchliche Wahrnehmung. Auch das Auge muss die Entfernung einstellen. Wir sind es aber gewohnt, auch Bereiche vor und hinter dem scharf eingestellten Gegenstand noch "scharf" zu sehen. Bei der Kamera hilft uns noch die Einrichtung der Blende, die uns die zusŠtzliche TiefenschŠrfe liefert. Diesem PhŠnomen wollen wir uns praktisch nŠhern (siehe Blatt A 5). Bei einem Urlaubsfoto kann folgendes Problem auftreten. Ich mšchte meine Urlaubsbegleitung mit einem Hund vor einem Baum in einer Gebirgslandschaft aufnehmen. Der Hund steht in 2 m Entfernung, die Freundin in 3 m, der Baum in 10 m und der Berg in ´ m Entfernung. Stelle ich die Freundin scharf ein, werden Hund, Baum und Berg unscharf; stelle ich den Hund scharf ein, wird ebenfalls alles andere unscharf. Nun gibt es einen ganz einfachen Trick: wenn ich eine mšglichst kleine Blende einstelle, bekomme ich (z.B. bei Blende 16) eine TiefenschŠrfe (der Bereich, der scharf abgebildet wird) von 2 m bis 10 m. Damit werden Hund, Freundin und Baum scharf. Auch der Berg wird noch scharf erscheinen, weil das Auflšsungsvermšgen der Kamera und des Auges bei einer normalen Vergrš§erung nicht ausreicht, um die UnschŠrfe festzustellen. Um den Effekt der TiefenschŠrfe zu erreichen, muss ich den Entfernungsring der Kamera auf 3 m stellen. In der Regel haben Kameras am Objektiv einen TiefenschŠrfenring, an dem ich die TiefenschŠrfe ablesen kann. Es gibt dafŸr auch eine Formel; als Faustregel wollen wir aber hier nur angeben: ca. 1/3 bis 1/2 der grš§ten Entfernung einstellen, dann wird's schon stimmen. NatŸrlich ist beim oben beschriebenen Beispiel nicht alles von 2 bis 10 m gleichmЧig scharf. Die grš§te SchŠrfe liegt bei 3 m; nach vorn und hinten nimmt die SchŠrfe kontinuierlich ab. Wie aber lŠsst sich das Prinzip der TiefenschŠrfe theoretisch erklŠren? Dazu muss man festhalten, dass tatsŠchlich scharf nur die Punkte auf einer ganz bestimmten Entfernungsebene (Gegenstandsweite) sich abbilden lassen. Aus der Zeichnung (Blatt A 5) wird klar, warum bei kleiner Blende mehr TiefenschŠrfe entsteht als bei gro§er Blende. Das hŠngt damit zusammen, dass der mit z gekennzeichnete Bereich ("Zerstreuungskreis") bei kleiner Blende klein ist, also die "Zerstreuung", die als UnschŠrfe erscheint, gering ist. Ich kann Ÿber die grš§te SchŠrfe natŸrlich auch eine gestalterische Aussage machen, indem ich z.B. den mir wichtigsten Punkt - in unserem Beispiel die Freundin - scharf einstelle: in diesem Fall ist der Hund leicht unscharf und die TiefenschŠrfe reicht bis hinter den Baum. Ich kann auch bewusst eine TiefenunschŠrfe herstellen, indem ich eine sehr gro§e Blende (z.B. 2,8) nehme. Dann werden Hund, Baum und Berg unscharf und ich hebe die Person durch besondere SchŠrfe hervor. Wir sehen also, dass wir Ÿber die Blendeneinstellung gestalterisch Einfluss auf das Foto nehmen kšnnen. Eine vollautomatische Kamera, die, ohne mich zu fragen, Blende und Entfernung selbst einstellt, nŸtzt mir da wenig, es sei denn, ich kann die Automatik abstellen und Blende und Entfernung manuell entsprechend meiner gestalterischen Absicht einstellen. 4. VerhŠltnis von Blende, Verschlusszeit und Filmempfindlichkeit (siehe Blatt A 8) Beim Verschluss und bei der Blende haben wir bereits festgestellt, dass jede Stufe die Lichtmenge verdoppelt oder halbiert. DarŸber wird der SchwŠrzegrad der belichteten Teile des Films festgelegt. Wenn Blende und Belichtungszeit stimmen, d.h. im richtigen VerhŠltnis zueinander und zur Helligkeit des Motivs stehen, wird der Film richtig belichtet. VerŠndere ich dagegen z.B. die Blende, muss ich jeweils auch die Verschlusszeit Šndern. Angenommen, mein Belichtungsmesser (oder meine subjektive Erfahrung) geben mir fŸr ein bestimmtes Motiv Blende 8 und 1/125 sec. an, ich will aber mit 1/250 sec. fotografieren (z.B. ein fahrendes Auto), so verkŸrze ich die Belichtungszeit auf die HŠlfte; um dennoch ein richtig belichtetes Foto zu bekommen, muss ich folglich die Blende eine Stufe weiter šffnen, um die Lichtmenge zu verdoppeln; ich muss also die Blende 5,6 einstellen. Umgekehrtes Beispiel: Ich habe Blende 8, 1/125 sec. gemessen, will aber - wegen der grš§eren TiefenschŠrfe - mit Blende 11 fotografieren, so muss ich die wegen der kleineren Blendenšffnung geringe Lichtmenge durch eine lŠngere Belichtungszeit ausgleichen, ich muss also mit 1/60 sec. belichten. Analog gilt die Regel natŸrlich auch bei zwei oder mehr Schritten: nehme ich statt 1/125 sec. z.B. 1/500 sec., also ein Viertel der gemessenen Belichtungszeit oder zwei Stufen, so muss ich die Blende um zwei Stufen šffnen, also Blende 4 einstellen, um richtig zu belichten.
Nun gibt es noch eine dritte Grš§e, die die Belichtung beeinflusst: die Filmempfindlichkeit (siehe Blatt A 10 und Text T 4). Auch die Empfindlichkeit geht vom Prinzip der Verdoppelung oder Halbierung aus. Alle Daten fŸr Verschlusszeit und Blende beziehen sich auf eine festgelegte Filmempfindlichkeit. Daher muss ich auch den Belichtungsmesser auf die Empfindlichkeit des benutzten Films einstellen. Verwende ich bei gleichbleibender Helligkeit des Motivs einen Film mit anderer Empfindlichkeit, z.B. statt 50 ASA dann 100 ASA, so muss ich entweder die Blende um eine Stufe schlie§en oder die Belichtungszeit halbieren.
Veranschaulichen lŠsst sich das durch die linke Grafik. Wenn ich einen Wert bei einer der drei SŠulen verŠndere, muss ich bei einer anderen auch etwas verŠndern, um bei gleich bleibender Helligkeit des Motivs eine richtige Belichtung des Films zu erreichen. 5. Objektiv: optische Grundlagen (siehe Blatt A 2) Die einfachste Form eines Objektivs ist eine Sammellinse, die in die Camera Obscura eingebaut ist, so dass auch weiter entfernte und gro§e Objekte bei relativ kurzer Bildweite aufgenommen werden kšnnen. Das Prinzip der Linse beruht auf der physikalischen Tatsache, dass Lichtstrahlen beim †bergang von Kšrpern unterschiedlicher Dichte gebrochen werden. Beim †bergang des Strahls von Luft in Glas und von Glas in Luft z.B. beim Prisma wird er daher jeweils gebrochen (siehe Blatt A 2). Die einfachste Form der Linse sind zwei mit den Basen aufeinander gestellte Prismen. Dieses Prinzip kann vervielfacht werden, indem die Prismen in immer dŸnnere Scheiben zerlegt werden, im Grenzfall entsteht so eine Linse mit nach au§en gewšlbter OberflŠche. Dabei werden alle parallel einfallenden Strahlen in einem Punkt gebŸndelt (Brennpunkt, Fokus). Diese auf beiden Seiten nach au§en gewšlbte Linse hei§t (lat.) biconvex, sie ist konvergierend, positiv. Umgekehrt kann die Linse auch nach innen gewšlbt werden, dadurch werden die Parallelstrahlen getrennt. Diese Linse ist divergierend und negativ. Da beide Seiten nach innen gewšlbt, hohl sind, nennt man sie biconcav. Aus diesen beiden Grundprinzipien lassen sich Kombinationen zusammenstellen, die jeweils spezifische Eigenschaften haben. Im Objektiv eines Fotoapparates werden solche Linsen so miteinander verbunden, dass sie ein optimales Bild ergeben. Kameras mit nur einer Linse gibt es heute praktisch nicht mehr. Einfache Kameras kommen mit zwei Linsen aus. Gute Kameras haben vier und mehr Linsen (siehe Blatt A 2). Um optimale Bilder zu bekommen, mŸssen alle denkbaren Linsenfehler mšglichst ausgeschlossen werden. Dabei spielt die Wahl und Kombination unterschiedlicher Glassorten, die Zusammenstellung, Wšlbung und sauber geschliffene OberflŠche, die VergŸtung und Entspiegelung eine wichtige Rolle. Die einzelnen Linsen sind miteinander verkittet [5] oder durch LuftzwischenrŠume getrennt. Dieses optische System muss mšglichst gut sein hinsichtlich SchŠrfe, der Farbkorrektur, der LichtstŠrke, des Bildwinkels, der geraden optischen Achse, der RandschŠrfe usw. und muss gut aufeinander abgestimmt sein. (Vgl. Feininger: Fotolehre, S. 53 ff., wo die Einzelheiten fŸr die Beurteilung von Objektiven ausgefŸhrt sind.) Die LichtstŠrke eines Objektivs gibt an, wie viel Licht ein Objektiv durchlŠsst. Sie entscheidet darŸber, ob das Objektiv auch bei schlechten LichtverhŠltnissen und kurzen Belichtungszeiten benutzt werden kann. Die LichtstŠrke wird durch ein ZahlenverhŠltnis angegeben: Objektiv-Durchmesser : Brennweite = LichtstŠrke. Sie gibt zugleich an, welches die grš§tmšgliche Blende des Objektivs ist (vgl. Abschnitt 2 und Blatt A 3). Dem Vorteil der gro§en LichtstŠrke eines Objektivs stehen aber auch Nachteile gegenŸber: hŠufig haben solche Objektive optische Fehler (geringe SchŠrfe, Lichtfleck und Schleier); vor allem sind sie grš§er, schwerer und teurer. 6. Brennweite (siehe Blatt A 7) Gewšhnliche Kameras haben eine Brennweite von ca. 50 mm (Normalobjektiv). Die Brennweite ist die Entfernung vom Mittelpunkt eines Objektivs bis zur Filmebene, wenn die Entfernung auf unendlich (´) eingestellt ist. Das ist zugleich der kŸrzeste Abstand zwischen Objektiv und Film, also die kŸrzeste Bildweite (siehe Abschnitt 3.). Die Brennweite des Normalobjektivs entspricht ungefŠhr der Bilddiagonalen des auf die Filmebene projizierten Bildes. Bei der Kleinbildkamera, die ein Format 24 x 36 mm hat, ist die Bilddiagonale ca. 43,27 mm. Der mit einem Normalobjektiv erreichte Bildausschnitt entspricht etwa dem, auf den sich das menschliche Hirn konzentrieren kann. Das Auge sieht tatsŠchlich einen grš§eren Ausschnitt. Damit die Kamera aber der menschlichen Sehweise angeglichen wird, zeigt das Normalobjektiv auch den der menschlichen Sehweise entsprechenden Bildausschnitt. Ebenso, wie der Mensch seine Wahrnehmung weit entfernter Dinge verbessert, indem er ein Fernglas benutzt, kann man auch die Kamera mit einem Teleobjektiv versehen, das die Dinge "heranholt". Dieses Spezialobjektiv hat eine lŠngere Brennweite ab 70 mm bis 1000 mm und mehr. Die Ÿblichen von Fotoamateuren verwendeten Teleobjektive haben Brennweiten zwischen 70 und 200 mm. Je lŠnger die Brennweite ist, desto grš§er ist der Vergrš§erungseffekt, Objektive mit unterschiedlichen Brennweiten: Telezoom, Weitwinkelzoom, Normal gleichzeitig verengt sich der Bildwinkel bzw. -kreis. Das Teleobjektiv vergrš§ert aber nicht nur einen Gegenstand, den es "heranholt" (bildlich gesprochen verkŸrzt es den Abstand zwischen Kamera und Gegenstand), sondern es verringert auch die AbstŠnde zwischen den verschiedenen abgebildeten GegenstŠnden; es schafft also eine unnatŸrliche Sichtweise; man spricht da von der Teleraffung (vgl. Blatt A 7 und Text T 6.), die man auch gestalterisch nutzen kann. Dies gilt auch fŸr die AtmosphŠre: Luftflimmern, Staub, Dunst usw. kšnnen mit dem Teleobjektiv optisch hervorgehoben werden, was u.U. aber auch stšrend wirkt. Gleichzeitig verringert das Teleobjektiv die TiefenschŠrfe (siehe Abschnitt 3 und Blatt A 7.), je lŠnger die Brennweite ist. Den umgekehrten Effekt erzielt man, wenn man ein Weitwinkelobjektiv benutzt. Dieses vergrš§ert den Bildwinkel unnatŸrlich, es zeigt also einen grš§eren Bildausschnitt als das menschliche Hirn "sieht". Man benutzt es, wenn man z.B. in einer engen Stra§e ein Haus fotografieren will, das man mit dem Normalobjektiv nicht ganz abbilden kšnnte. Auch fŸr Landschaftsaufnahmen wird es gelegentlich benutzt, um einen Panoramablick festzuhalten oder AtmosphŠre zu vermeiden. Weitwinkelobjektive haben eine Brennweite von weniger als 35 mm. Sie verfŸgen im Gegensatz zum Teleobjektiv Ÿber eine deutlich grš§ere TiefenschŠrfe. Andererseits verzerren sie im Extremfall gerade Linien zu nach au§en gekrŸmmten. Die perspektivische VerkŸrzung senkrechter Linien (sog. stŸrzenden Linien) bei von unten fotografierten HochhŠusern, Kirchen etc. wird durch das Weitwinkelobjektiv noch verstŠrkt. Diesen in der Regel eher unerwŸnschte Effekt kann man zu besonderen gestalterischen Zwecken allerdings auch bewusst einsetzen (siehe Text T 6). Wie schon erwŠhnt gibt es auch Objektive mit variabler Brennweite, sog. Zoomobjektive (auch Gummilinse, Vario-Objektiv). Sie ermšglichen im Bereich des Weitwinkel-Objektivs, des Normal- oder Teleobjektivs die stufenlose VerŠnderung der Brennweite innerhalb eines bestimmten Bereichs. Der Vorteil besonders beim Telezoom besteht darin, dass man vom gleichen Kamerastandpunkt aus den Bildausschnitt bzw. die Abbildungsgrš§e verŠndern kann. Dies ist besonders bei der Diafotografie interessant, bei der man ja nicht nachtrŠglich im Fotolabor den Bildausschnitt korrigieren kann. Mit dem Zoomobjektiv lassen sich auch UnschŠrfen gewollt herstellen, indem man wŠhrend der Aufnahme den Zoom verstellt (siehe Text T 5). GegenŸber einer Sammlung von Objektiven unterschiedlicher Brennweite hat das Zoomobjektiv die Vorteile von Ersparnis an Platz, Gewicht und Geld. Die Nachteile sind geringere SchŠrfe, geringere LichtstŠrke und eine Verzerrung, die im Randbereich gerade Linien nach au§en krŸmmt (Distorsion). Dennoch ist fŸr den Amateurfotografen ein Telezoom (80 - 200 mm Brennweite) durchaus empfehlenswert. 7. Belichtungsmesser SpŠtestens mit der Farbumkehrfotografie wurde die Verwendung eines Belichtungsmessers notwendig. Der zunŠchst Ÿbliche Handbelichtungsmesser beruht auf der Eigenschaft des in der Natur vorkommenden Kristalls Selen, Lichtenergie in elektrische Energie umzuwandeln. Im Belichtungsmesser werden diese Kristalle zu einem Feld von Selenzellen zusammengefasst; der durch Lichteinwirkung entstehende elektrische Strom wird je nach LichtintensitŠt von einem Ampremeter gemessen, das aber nicht die StromstŠrke skalenfšrmig anzeigt, sondern eine Funktion aus Blende und Zeit, den Lichtwert. Dabei muss auch die Filmempfindlichkeit berŸcksichtigt werden. Diese Funktion muss an der Kamera eingestellt werden, um zu einer richtigen Belichtungszeit zu kommen. Handbelichtungsmesser mit Selenzellen sind
zwar umstŠndlich zu bedienen und relativ sto§empfindlich, haben aber den Vorteil gro§er Genauigkeit und der UnabhŠngigkeit von kŸnstlichen Energiequellen (Batterien). Von Profis werden sie nach wie vor benutzt, meist in Verbindung mit einer Graukarte. Dies ist ein neutralgrauer Karton, der hinsichtlich Helligkeit und Remissionsvermšgen (die Menge Licht, die zurŸckgeworfen wird) genormt ist; 18% des auftreffenden Lichts werden remittiert, was einem durchschnittlichen Motiv entspricht. Auf diesen Wert sind auch die Belichtungsmesser geeicht. Die Graukarte wird verwendet, wenn eine einfache Objektmessung wegen des hohen Beleuchtungskontrastes oder des gro§en Objektumfangs nicht mšglich ist. Die handlichere Variante, die in die Kamera eingebaut werden kann, arbeitet mit Cadmiumsulfid (CdS-) Zellen. Diese verŠndern unter Lichteinwirkung ihren elektrischen Widerstand; diese VerŠnderung wird gemessen: je heller das Licht, desto hšher der Widerstand, desto geringer der durchflie§ende Strom. Diese Funktion wird umgerechnet in die Funktion aus Filmempfindlichkeit, Blende und Belichtungszeit. Die Vorteile sind geringe Grš§e, was erst den Einbau in die Kamera ermšglicht, Robustheit und sehr hohe Lichtempfindlichkeit. Der Nachteil besteht in der AbhŠngigkeit von einer Batterie und der relativen TrŠgheit (das GerŠt zeigt erst an, wenn es etwas lŠnger dem Licht ausgesetzt war, weil der Widerstand sich nur langsam Šndert) besonders bei schwachem Licht. In der Sucherkamera ist der Belichtungsmesser neben Sucher und Objektiv eingebaut. Bei der Spiegelreflexkamera wird die LichtintensitŠt durch das Objektiv gemessen (Innenmessung). Messfehler kšnne vor allem bei Gegenlichtaufnahmen entstehen sowie bei gro§en Helligkeitsunterschieden im Motiv. Letzteres gilt insbesondere bei Innenmessung, da der Belichtungsmesser den Zentralbereich des Sucherfeldes (also auch des Bildausschnitts) misst. Wenn dieser deutlich heller oder dunkler ist als die Ÿbrigen Bildpartien und der Fotograf dies nicht korrigiert, kommt es zu †ber- oder Unterbelichtung. WŠhrend bei Šlteren Kameras (insbesondere Sucherkameras) die Messwerte des eingebauten Belichtungsmessers noch manuell auf Blende und / oder Zeit Ÿbertragen werden musste (z.B. durch NachfŸhren des Blendenrings), wird bei modernen halb- oder vollautomatischen Kameras das Messergebnis automatisch umgesetzt in die richtige Blendenšffnung oder Verschlusszeit. FŸr den ambitionierten Hobbyfotografen, erst recht den Profi entsteht das Problem, dass gestalterische Eingriffe bei der Belichtung mit der Belichtungsautomatik unmšglich sind: z.B. absichtliche †ber- oder Unterbelichtung, gro§e oder kleine Blende zur Korrektur der TiefenschŠrfe, Wahl der Verschlusszeit, Korrektur bei Gegenlichtaufnahmen. Je nach Kameratyp kann man die Blende oder Zeit vorwŠhlen und die Automatik stellt dann je nach LichtintensitŠt den anderen Wert ein (Halbautomatik) oder die Kamera stellt beides automatisch ein (Vollautomatik). In diesem zweiten Fall nimmt die Automatik dem Fotografen das Denken und das bewusste Handeln ab. Da viele Fotografen dennoch eine eigene bewusste Entscheidung wŸnschen, wurden komplizierte Kameras entwickelt, bei denen die Automatik auszuschalten ist (manuell oder Ÿber einen Kleincomputer). Leider ist diese "RŸckkehr zum Einfachen" inzwischen sehr teuer geworden. Kameras der unteren und mittleren Preisklasse bieten diesen "Komfort" meist nicht mehr. Es empfiehlt sich daher hŠufig fŸr den anspruchsvollen Hobbyfotografen, lieber eine gebrauchte Kamera mit Halbautomatik und manueller Umschaltmšglichkeit zu einem gŸnstigen Preis zu kaufen, als eine moderne vollautomatische, die diesen Vorteil nicht hat. 8. Kameratypen (siehe Blatt A 1) Es war bereits mehrfach von unterschiedlichen Kameratypen die Rede. Wir wollen daher jetzt nŠher darauf eingehen. Die erste Kameraform war die Plattenkamera. Sie wird heute - in abgewandelter Form - Planfilm statt Platte - Ÿberwiegend als Spezialkamera von Berufsfotografen und spezialisierten Hobbyfotografen benutzt. Das Bildformat ist 9 x 12 cm oder grš§er; man spricht hier von Gro§format. Sie bestand ursprŸnglich aus zwei HolzkŠsten, die zur Variation der Bildweite gegeneinander verschoben werden konnten. Dieses Prinzip wurde bald durch den Balgenauszug nach dem Prinzip der Ziehharmonika ersetzt. Die Plattenkamera besteht aus dem Objektiv mit Blende und Verschluss, die auf einem Schlitten befestigt ist, den man auf einer Grundplatte vor und zurŸck bewegen kann. Das Objektiv ist durch den Balgenauszug mit einem GehŠuse verbunden, in dem sich entweder als Projektionsebene eine Mattscheibe befindet, mit der man das Bild begutachten kann, oder eine Kassette mit der Platte, auf der die lichtempfindliche Schicht ist. Die Platte wird heute Ÿberwiegend durch den Planfilm ersetzt. €hnlich konstruiert waren die ersten Rollfilmkameras, in denen die Plattenkassette durch den Rollfilm ersetzt waren. Eine Sonderform war die Box, die nur aus einem Metallkasten bestand, vorne ein Objektiv mit Verschluss, hinten ein Rollfilm; keine variable Bildweite, keine weiteren Einstellmšglichkeiten. Der SchŠrfebereich reichte von 2 bis 6 m. Die BildqualitŠt war entsprechend. In den 20er Jahren wurde die Kleinbildkamera entwickelt, die auch heute noch vor allem von Hobby- und Amateurfotografen und professionellen Dokumentarfotografen bzw. Fotojournalisten wegen ihrer Handlichkeit bevorzugt wird. Das Bildformat ist 24 x 36 mm. Die Konstruktionsmerkmale sind: kleines Metall- oder KunststoffkameragehŠuse, vorn das Objektiv mit der Blende - und bei der Sucherkamera dem Zentralverschluss - hinten der Kleinbildfilm und - bei der einŠugigen Spiegelreflexkamera - dem Schlitzverschluss vor dem Film. Die Sucherkamera hat den Sucher - also das Objektiv, durch das der Fotograf das Motiv anpeilt - oberhalb des eigentlichen Kameraobjektivs. Dies hat den Vorteil, dass das Motiv wŠhrend der Aufnahme weiter beobachtet werden kann und dass die Kamera wegen der geringen Abmessungen des Suchers sehr klein und handlich sein kann. Die Nachteile: wegen der Parallaxe - Abstand zwischen Objektiv und Sucher - nimmt die Kamera einen anderen Bildausschnitt auf als der Sucher anzeigt; das kann im Nahbereich zu Problemen fŸhren. Au§erdem ist das Sucherbild sehr klein und Entfernungsmessung, Blenden- und Zeiteinstellung kšnnen in der Regel nicht durch den Sucher kontrolliert werden. Das Objektiv lŠsst sich nicht wechseln. FŸr den Amateurfotografen und "fŸr alle Tage" ist die Sucherkamera wegen ihrer Handlichkeit, der einfachen Bedienung und des geringen Preises durchaus empfehlenswert. FŸnf Kameragenerationen: Plattenkamera, Rollfilmkamera, zweiŠugige Spiegelreflexkamera, Sucherkamera und einŠugige Spiegelreflexkamera mit Belichtungsautomatik Die einŠugige Spiegelreflexkamera hat einen Šhnlichen Aufbau, arbeitet aber grundsŠtzlich anders. Der Sucher zeigt Ÿber ein Spiegel- bzw. Prismensystem das an, was das Objektiv "sieht". Im Moment des Auslšsens klappt der Winkelspiegel hinter dem Objektiv hoch und gibt den Weg zur Filmebene frei. Der Schlitzverschluss, der sich vor der Bildebene befindet, šffnet sich und der Film wird belichtet. Dann schlie§t sich der Verschluss und der Spiegel klappt wieder in seine Ausgangsposition. Das bedeutet natŸrlich, dass der Sucher fŸr diesen Vorgang schwarz wird und der Fotograf wŠhrend der Aufnahme das Motiv nicht beobachten kann. Andererseits entfŠllt das Problem der Parallaxe, der Fotograf sieht in der Regel das gleiche Bild, das der Film aufnimmt. Die Vorteile des Schlitzverschlusses wurden bereits beschrieben. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass bei der Spiegelreflexkamera das Objektiv ausgewechselt werden kann, was vor allem wegen der unterschiedlichen Brennweiten (Weitwinkel-, Tele- bzw. Zoomobjektiv) interessant ist. Nachteile sind im VerhŠltnis zur Sucherkamera die Grš§e und der Preis. Die Mšglichkeiten gehen aber noch weiter. Vor allem die Entfernungsmessung erfolgt durch das Objektiv, so dass Motivsuche und Entfernungseinstellung zusammen geleistet werden kšnnen (auch ohne Autofokus). LŠsst die Kamera es zu, vor der Aufnahme abzublenden, kann man auch die TiefenschŠrfe im Sucher beurteilen. Die Belichtungsmessung erfolgt ebenfalls durch das Objektiv (Innenmessung), so dass der Belichtungsmesser genau das angepeilte Motiv misst. Schlie§lich kšnnen meistens die wesentlichen Informationen im Sucher abgelesen werden: Entfernung, Blende und / oder Verschlusszeit, Motiv. Dadurch wird dieser Kameratyp fŸr den geŸbten Fotografen sehr schnell. FŸr den anspruchsvollen Hobbyfotografen ist es ebenfalls die optimale Lšsung, zumal die Spiegelreflexkamera als Systemkamera eine sehr gute Grundlage fŸr den Ausbau mit ZusatzgerŠten ist (Wechselobjektive, Balgen etc.). ErwŠhnt sei noch die zweiŠugige Spiegelreflexkamera. Sie besteht aus zwei Objektiven, die Ÿbereinander angeordnet sind. Das untere projiziert das Bild auf die Filmebene in einer abgeschlossenen Kamera. Das obere lenkt die Lichtstrahlen Ÿber einen Winkelspiegel auf eine Mattscheibe, die von oben durch einen Schacht beobachtet werden kann. Der Zentralverschluss sitzt im Aufnahmeobjektiv. Vorteile: auf der Mattscheibe kann ich in der gleichen Grš§e wie auf dem Film das Motiv sehen, ich kann es wŠhrend der Aufnahme beobachten. In der Kamera befindet sich ein Rollfilm, der Negative im Format 6 x 6 cm liefert (Mittelformat). Nachteile: Die Kamera ist relativ gro§ und unhandlich und auch hier gibt es das Problem der Parallaxe zwischen Sucher- und Filmbild. Eine TiefenschŠrfekontrolle ist durch den Sucher nicht mšglich und die meisten Modelle haben kein Wechselobjektiv. Die zweiŠugige Spiegelreflexkamera wird fŸr spezielle Zwecke benutzt, bevorzugt fŸr PortrŠt- Industrie- und Werbefotografie. Die moderne digitale Kamera unterliegt im Wesentlichen den gleichen GesetzmЧigkeiten wie analoge GerŠte. Hier gibt es ebenfalls Sucherkameras und (einŠugige) Spiegelreflexkameras mit und ohne Zoom-Objektiv. Der Unterschied besteht darin, dass sie statt des Films einen Chip als Speichermedium enthalten. Alle gestalterischen Elemente gelten fŸr jeden Kameratyp. Ein weiterer Unterschied: viele – billige - Kameras verfŸgen nicht Ÿber einen Sucher, sondern haben nur ein Display zur Begutachtung des Motivs. Bei Freilichtaufnahmen ist oft das Display nicht gut zu erkennen, weil es spiegelt. FŸr BrillentrŠger ergeben sich zusŠtzliche Probleme. Schlie§lich haben – vor allem billige – Kameras eine gewisse Verzšgerung vom Auslšsen bis zur Aufnahme (ca. eine Sekunde). Dadurch werden SchnappschŸsse schwierig, denn in dieser Sekunde kann sich das Motiv bereits geŠndert haben. Profis fŸr kŸnstlerische Fotografie kehrten daher inzwischen zur analogen Fotografie zurŸck. (vgl. T 03 ãÕDigitale und analoge FotografieÒ) 9. Film (siehe Blatt A 10) Der Weg von der Erfindung der Fotografie zum Film war lang und voller Umwege und noch immer, Ÿber 100 Jahre nach der kommerziellen EinfŸhrung des Films tŸfteln die Entwicklungslabors der gro§en Filmhersteller an der Optimierung. Wenden wir uns zunŠchst den Filmformaten zu. Um 1855 standardisierte AndrŽ Alphonse Disderi die PortrŠtfotografie, indem er den goldenen Schnitt (vgl. Text T 6.) auf das sogenannte Visitkartformat 58 x 94 mm fŸr die Fotografie auf einem Karton 63 x 100 mm einfŸhrte. Dies war die Geburtsstunde des noch heute Ÿblichen Formats 6 x 9 cm. Platten hatten, Plan- und Rollfilme haben immer noch dieses Format. Beim Rollfilm lŠsst sich das Format je nach Kameratyp auf 6 x 6 oder 4,5 x 6 cm reduzieren. Der Rollfilm ist mit einem lichtundurchlŠssigen Schutzpapier auf eine Kunststoffspule gewickelt. Je nach Format sind 8 Aufnahmen 6 x 9 cm, 12 Aufnahmen 6 x 6 cm oder 16 Aufnahmen 4,5 x 6 cm mit demselben Film mšglich. Mit der Verwendung des 35-mm-Kinofilms fŸr die Kleinbildkamera wurde das heute Ÿberwiegend benutzte Format 24 x 36 mm eingefŸhrt. Dieser Kleinbildfilm (KB-Film) ist fŸr den Filmtransport durch ein Zahnrad beidseitig perforiert. HandelsŸblich ist der KB-Film Format 24 x 36 mm fŸr 12, 20, 24 oder 36 Aufnahmen. Er wird auf einen Spulenkern aufgewickelt und in einer lichtdichten Patrone geliefert, aus der der Filmanfang mit einer schmalen Lasche herausragt.
FŸr Gro§formatkameras (6 x 9 cm und mehr) gibt es Planfilme. Dieses sind PE-BlŠtter mit einer lichtempfindlichen Schicht im Format z.B. 6 x 9 cm, die in eine lichtdichte Metall- oder Kunststoffkassette in der Dunkelkammer eingelegt und fŸr die Aufnahme hinten in die Kamera eingefŸhrt werden mŸssen, fŸr jede Aufnahme extra. Leichter zu handhaben ist der Filmpack, in dem 12 FilmblŠtter auf einer dŸnnen Unterlage in einer lichtdichten Kassette verpackt sind und die komplett in die Kamera eingelegt wird. Filmpacks und Planfilme haben gegenŸber dem Rollfilm den Vorteil, dass man die einzelnen Bilder belichten und gleich anschlie§end entwickeln kann. Roll- und KB-Filme muss man erst komplett belichten (also 8 - 36 Aufnahmen machen), bevor man entwickeln kann. Oder man schneidet den Film ab, was umstŠndlich ist und Materialverlust bedeutet. Filme werden mit unterschiedlicher Empfindlichkeit geliefert. Je nach Absicht des Fotografen und BeleuchtungsverhŠltnissen kann man sich zwischen schwach-, mittel- oder hochempfindlichen Filmen entscheiden. Die Filmempfindlichkeit wird in ASA (auch BSA oder ISO) oder DIN (siehe Blatt A 9 und Abschnitt 6) angegeben. Die Me§systeme arbeiten nach unterschiedlichen Prinzipien. DIN addiert fŸr die jeweils hšhere Filmempfindlichkeit 3 dazu, ASA / BSA / ISO verdoppeln die Zahl; so entstehen die beiden folgenden Zahlenreihen (wobei es bei ASA eine UnregelmЧigkeit gibt:
Jeweils eine Stufe bedeutet eine Verdoppelung (nach oben) oder eine Halbierung (nach unten) der Filmempfindlichkeit. Das ist also das gleiche Prinzip wie bei der Blende und der Verschlusszeit (siehe Abschnitt 4.). Ein Film von 50 ASA/18 DIN ist also doppelt so empfindlich wie einer von 25 ASA/15 DIN und halb so empfindlich wie 100 ASA/21 DIN. Normalerweise verwendet man Filme zwischen 50 ASA/18 DIN und 400 ASA/27 DIN (mittlere Empfindlichkeit). FŸr spezielle Fotos, bei denen es eher auf SchŠrfe ankommt, verwendet man niedrig empfindliche Filme; fŸr solche, bei denen die LichtverhŠltnisse ungŸnstig sind, oder bei sehr kurzen Verschlusszeiten verwendet man hochempfindliche Filme. GrundsŠtzlich kann man Filme auch anders als angegeben belichten; dann muss man diesen "Belichtungsfehler" nachtrŠglich beim Entwickeln durch Spezialentwickler ausgleichen. So kann ich z.B. einen 27 DIN/400 ASA-Film bei sehr schwachem Licht bis zu 36 DIN/3200 ASA "empfindlicher machen", indem ich den Belichtungsmesser entsprechend verstelle, wenn ich das anschlie§end bei der Entwicklung berŸcksichtige. Das geht natŸrlich nur mit einer Kamera, die keine DX-Kodierung (also automatische Einstellung der Filmempfindlichkeit) hat oder bei der ich diese abstellen oder korrigieren kann. Nun kšnnte man die nahe liegende Frage stellen, warum man nicht gleich die Vorteile eines hochempfindlichen Films nutzt, wozu es Ÿberhaupt niedrigempfindliche Filme gibt. Dies hŠngt damit zusammen, wie die Empfindlichkeit hergestellt wird. Die lichtempfindliche Schicht (Emulsion) besteht aus Silberhalogenidkristallen (also lichtempfindliche Silberverbindungen), die in Gelatine eingelagert sind und die man das Korn nennt. Je grš§er dieses Korn ist, desto lichtempfindlicher ist es. Bei der Entwicklung des Films dehnt sich das Korn aus und ballt sich zu Klumpen zusammen, die im entwickelten Film mit der Lupe, in der Vergrš§erung mit blo§em Auge erkennbar sind. Je empfindlicher der Film nun ist, desto grš§er ist das Korn (tatsŠchlich die Kornzusammenballungen, das Korn selbst ist nur mit Spezialmikroskopen zu sehen). Das bedeutet aber auch, dass die SchŠrfe abnimmt, denn die Zusammenballung, das "Korn" hat durchaus optische Wirkung. Unempfindliche Filme (und Papiere; siehe Blatt A 10) sind daher schŠrfer, haben weniger Grauwerte und schŠrfere Kontraste; (hoch-) empfindliche Filme dagegen sind weniger scharf, haben mehr Grauwerte und geringe Kontraste. Es ist daher keinesfalls beliebig, welche Filmempfindlichkeit ich wŠhle. Negativ und Positiv: KontaktabzŸge eines Filmstreifens FŸr Architektur- oder technische Aufnahmen, bei denen es auf grš§te SchŠrfe ankommt, werde ich daher einen niedrigempfindlichen Film (15 oder 18 DIN/25 oder 50 ASA) wŠhlen. FŸr eine PortrŠtaufnahme, bei der es vor allem um die Grauwerte und sanften Konturen geht, werde ich einen mittel- bis hochempfindlichen Film (z.B. 27 DIN/ 400 ASA) benutzen. Wir sehen, dass die Filmauswahl keine rein technische, sondern bereits eine gestalterische Frage ist. Zum Schluss: Kleiner Ausflug in den Bereich der Farbfilme Es gibt grundsŠtzlich zwei verschiedene Arten von Farbfilmen: Den Farbnegativ- und den Farb-Diapositiv-(Umkehr-)Film. Sie unterscheiden sich einmal durch die PrŠsentationsform. Der Farbnegativfilm ist nach der Entwicklung ein Filmstreifen mit den KomplementŠrfarben (also: statt rot ist grŸn, statt blau ist gelb usw. zu sehen). Der Farbnegativfilm (siehe Text T 1) basiert auf dem additiven Verfahren, was zwangslŠufig zu einer gewissen Kšrnigkeit, weniger Farbbrillanz, geringerem Kontrastumfang und SchŠrfe fŸhrt. Von diesem Negativ muss in einem zweiten Arbeitsgang ein Farbpositivbild angefertigt werden. Das Ergebnis ist also ein Papierbild. Da jeder Umwandlungsprozess notwendig einen QualitŠtsverlust bewirkt, sind FarbqualitŠt, SchŠrfe etc. des Papierbildes geringer als beim Negativ und beim Diapositiv. Das Farbdiapositiv unterscheidet sich davon grundsŠtzlich. Einmal ist das Ergebnis kein Negativ, sondern gleich ein Positiv, das in einem Arbeitsgang, dem Umkehrprozess hergestellt wird. Schon hierdurch wird hšhere QualitŠt erreicht. Zweitens ist das Ergebnis ein transparentes Bild (Dia), das mittels eines Projektors vergrš§ert und auf einer Leinwand sichtbar gemacht wird. Allerdings kšnnen vom Diapositiv auch wieder PapierabzŸge (entweder im Umkehrverfahren oder Ÿber Reproaufnahmen) hergestellt werden; dabei ergeben sich aber wieder gewisse QualitŠtsverluste hinsichtlich der SchŠrfe (hier kommt das Korn wieder ins Spiel), der Farbbrillanz und der Farbtreue (wegen des 2. Prozesses). Das beim Farbdia benutzte subtraktive Verfahren fŸhrt zu einer deutlich besseren QualitŠt im Vergleich zum Farbnegativverfahren. Brillanz, SchŠrfe, Farbgenauigkeit und Kontrastumfang der Gro§projektion auf der Leinwand halten keinen Vergleich mit dem Papierbild, selbst bei kleinen Formaten, aus. Allerdings machen die UmstŠndlichkeit des Projektionsverfahrens, mangelnde SensibilitŠt, Selbstkritik und Selbstbescheidung vieler Amateurfotografen den Diavortrag hŠufig zum gefŸrchteten Partyschreck. Umgekehrt erfreuen sich gekonnt gemachte DiavorfŸhrungen, Ton-Dia-Shows u.U. in †berblendtechnik steigender Beliebtheit im professionellen, semiprofessionellen und Amateurbereich. Selbst Werbefirmen bedienen sich dieser PrŠsentationsform. Inzwischen wird die Diaprojektion durch den Beamer abgelšst. Dies erfordert allerdings zwei – nicht billige – GerŠte: Rechner und Beamer. Bei der Wahl des Farbfilms muss man berŸcksichtigen, bei welchem Licht man ihn benutzen will. Eine grobe Unterscheidung, die jedoch fŸr die Alltagspraxis des Hobbyfotografen normalerweise ausreicht, sind die Bezeichnungen Tageslicht- und Kunstlichtfilm. Dazu muss man wissen, dass verschiedene Lichtquellen eine unterschiedliche "Farbtemperatur" haben, die in Kelvin gemessen wird. Wei§es Licht setzt sich aus den sichtbaren Spektralfarben von violett bis rot zusammen. Je nachdem, ob das Licht mehr Rot- oder mehr Blau-/Violett-Anteile hat, reagiert der Farbfilm. Das Tageslicht eines wolkenlosen blauen Himmels hat sehr viele Blauanteile, wŠhrend das Licht einer Kerze oder einer schwachen GlŸhlampe sehr viele Rotanteile hat. Benutze ich einen Tageslichtfilm bei Kunstlicht, so bekomme ich einen Rotstich, d.h. eine falsche Farbwiedergabe. Korrigieren kann ich das durch Aufhellen mit einem Blitzlicht, das dem Tageslicht bezŸglich der Farbtemperatur sehr Šhnlich ist, oder indem ich einen Blaufilter benutzt. Umgekehrt wŸrde ich einen Blaustich bekommen, wenn ich einen Kunstlichtfilter bei Tageslicht benutzen wŸrde. Farbfilme unterschiedlicher Hersteller reagieren auf dieselbe Farbtemperatur unterschiedlich. Das bedeutet, dass es u.U. Geschmacksfrage ist, welches Filmfabrikat ich benutze.
JŸrgen Fiege 2011 ãDie Dauer des AugenblicksÒ Ein foto-pŠdagogisches Handbuch Bei meinen DiavortrŠgen werde ich immer wieder gefragt, warum ich immer noch analog und nicht digital fotografiere. Meine lakonische, etwas Ÿberhebliche Antwort lautet meist: ãWeil ich QualitŠt will.Ò Dann wird mir immer ein Vortrag Ÿber Pixelzahlen gehalten, den ich nicht mehr kommentiere. [6] TatsŠchlich ist es so, dass den digitalen Bildern regelmЧig – besonders auffŠllig in Schwarz-Wei§ - die SchwŠrze und die Highlights fehlen. In Color machen sich oft unechte Farben bemerkbar. Das wird zwar wortreich dementiert, die Tatsache, das vor allem kŸnstlerische Fotografen und Filmemacher weiter gerne analog arbeiten, bestŠtigt mich. Genauso wichtig wie diese technischen Unterschiede sind die des Šsthetischen Unterschieds sowie der Bedeutung fŸr die FotopŠdagogik. FŸr diese ist die analoge Fotografie nach wie vor die optimale Technik. Wenn die Kinder und Jugendlichen Fotografie – die Technik, die Gestaltung, die sozialen Gebrauchsweisen - begreifen sollen, gibt es keine Alternative. ãBegreifenÒ hei§t, etwas mit der Hand anfassen kšnnen, einen Prozess durchschauen und steuern zu kšnnen. Das ist am Computer unmšglich. Insbesondere bei meinen Foto-Kursen mit Kindern mache ich immer wieder die Erfahrung: die Kinder erleben staunend, wie das erste Bild - meist ihr eigenes PortrŠt – in der Entwicklerschale entsteht. Wenn der Prozess von Vergrš§erung und Entwicklung abgeschlossen ist kommt der Ausruf ãAch so geht das!Ò Wer hat diesen Ausruf je gehšrt beim Ansehen eines Displays am Handy. Dieses Bild hat etwas Undurchschaubares und geradezu ãWunderbaresÒ. [7] Von 2000 bis 2006 habe ich sechs fŸnfteilige fotopŠdagogische Fortbildungsreihen fŸr MultiplikatorInnen in der Jugendarbeit durchgefŸhrt. Eine Evaluation ergab, dass von 60 Teilnehmenden danach 80% in ihrer Jugendarbeit fotopŠdagogisch gearbeitet haben. 2004 habe ich eine Šhnliche Fortbildungsreihe fŸr digitale Fotografie mit zehn Teilnehmenden durchgefŸhrt. Bei dieser Reihe waren zwei Erfahrungen bemerkenswert:
Aus diesen Tatsachen schlie§e ich, dass die analoge Technik in der FotopŠdagogik besser weiterhin geeignet ist. Die analoge Fotografie verfŸhrt den ambitionierte Amateurfotografen oder Laien zum ãKnipsenÒ. Genau das wollen wir FotopŠdagogen unseren Teilnehmenden abgewšhnen. Das analoge Bild erfordert Nachdenken: der Fotograf muss das Bild komponieren, unterschiedliche Standorte, Perspektiven, Einstellungsgrš§en ausprobieren, um ein optimales Bild zu erhalten. D.h. er muss das Bild schon im Kopf haben, bevor er abdrŸckt. Wenn Teilnehmende bei misslungenen Aufnahmen sagten ãDas ist nichts geworden.Ò, habe ich immer geantwortet ãNichts geworden gibt es nicht, es gibt nur falsch gemacht.Ò Wenn ich erst auf dem Display nachsehen muss, ob mein Bild gut oder schlecht ist, habe ich das Ergebnis dem Zufall Ÿberlassen. Bei meinen eigenen Fotos habe ich kaum Ausschuss. Insbesondere bei Reisefotos gibt es schon mal Bilder, die weniger gut sind, weil man einen gŸnstigen Zeitpunkt verpasst hat, weil das Licht nicht stimmte, aber ganz schlecht sind meine Bilder nicht, eben weil ich bewusst, manchmal intuitiv "richtigÒ fotografiere. Selbst billige Digital-Kameras haben heute oft Zoom-Objektive. Unerfahrene ãSaisonkonformistenÒ (Bourdeu) werden dadurch zum Spielen mit dem Zoom verleitet. Dabei vergessen sie, dass Tele- und Weitwinkelaufnahmen gestalterische Konsequenzen haben: beim Teleobjektiv Teleraffung und geringe TiefenschŠrfe, beim Weitwinkel stŸrzende Linien und Betonung des Vordergrunds (s. T 02 ãFototechnikÒ, T 06 ãBildsprache und BildgestaltungÒ, A 05 ãTiefenschŠrfeÒ, A 07 ãBrennweiteÒ) Der erfahrene Fotograf muss bei der Aufnahme nicht lange nach der ãrichtigen EinstellungÒ suchen, er arbeitet intuitiv. (vgl. T 6, S. 1) Diese Intuition bekommt er nur durch Erfahrung und Routine. Die wiederum erreicht man nicht, wenn man nur zufŠllig gute Bilder macht. Nur bewusstes Fotografieren fŸhrt zu guten Aufnahmen. Digitales Fotografieren verfŸhrt zur Pfuscherei, bei der man nichts lernt. Bezeichnend ist, dass die Bearbeitungsformen von ãPhotoshopÒ und anderen Programmen ihre Benennungen aus der analogen Fotografie Ÿbernommen haben. Aber wer erklŠrt den – hier vor allem jugendlichen – Nutzern, woher AusdrŸcke wie ãAbwedelnÒ kommen? Die sozialen Gebrauchsweisen der Fotografie (siehe P 3) sind durch die Digitalfotografie radikal verŠndert, ja entwertet worden. Die Inflationierung der Bilder (digitale Fotografie, Handies) korrespondiert mit einer Entwertung des einzelnen Bildes. Dies gilt fŸr das Bild wie fŸr die Situation. Wurden frŸher die ãHochzeiten des LebensÒ (Bourdieu: Kunst) fotografiert, so sind es heute alle Lebenslagen und teilweise beliebige Personen. Bourdieus Satz "Was man tŠglich vor Augen hat, photographiert man nicht." (Bourdieu, S. 45) ist radikal auf den Kopf gestellt: nur noch was man tŠglich vor Augen hat, wird fotografiert. Besondere Bilder, die man eventuell ausstellen kann – und wenn es nur in der eigenen Wohnung ist – entstehen so nicht.
je wieder angeguckt, wie viele werden gelšscht, wie viele ausgedruckt und, wenn ja, in welchen Formaten, was wird mit den Ausdrucken gemacht? Die Digitalfotografie fŸhrt zum Verschwinden des Fotoalbums. Das bewirkt zugleich das Verschwinden der mit dem gemeinsamen Ansehen des Albums verbundenen sozialen ErzŠhlsituation. Im Gegenteil: aufwŠndig produzierte Bilder-Shows laufen auf eine Einweg-Kommunikation hinaus. Zum Schluss noch etwas Versšhnliches: FŸr bestimmte Bereiche ist die digitale Technik natŸrlich wirklich von Vorteil:
ãFrage: Nach der Farbfotografie wurde die Digitaltechnik erfunden. VerŠndert sie Ihren Beruf? Olivien Toscani: Nein. FŸr einen echten Fotografen Šndert sich gar nichts. FŸr die Technik-Freaks, die immer das neueste Kameramodell haben mŸssen, schon. Ich halte nichts von der Digitaltechnik, ich denke nicht einmal darŸber nach. (É)Ò Toscani ist Berufsfotograf u.a Werbung fŸr Benetton) und Fotolehrer In: ARTE Magazin, 11.2011, S. 11 ãViele Zeitschriften greifen gern auf KŸnstler zurŸck und arbeiten mit bereits vorproduzierten Serien.Ò ãEs gibt eine RŸckbesinnung auf das inszenierte Foto. Viele Bilder knŸpfen wieder an die Geschichte der Fotografie an.Ò (Ingo Taubhorn, Kurator am Haus der Photographie in Hamburg) Der Fotograf Andreas MŸhe hat in letzter Zeit beobachtet, dass Photoshop und andere manipulative Techniken in der digitalen Bildbearbeitung offenbar den Reiz des Neuen wieder verloren haben. Es werde wieder zunehmend analog gearbeitet, so MŸhe: ãIn diesen schnelllebigen Zeiten konzentrieren wir uns wieder auf Langsamkeit und QualitŠt. Es geht wieder um die echte FotografieÒ. Mit Bezug auf eine aktuelle Ausstellung im ãHaus der PhotographieÒ in den Hamburger Deichtorhallen ãVisual LeadersÒ, zitiert nach ãWeserkurierÒ vom 17. MŠrz 2010. ãDas digitale Bild kann schŠrfer, farbintensiver, ja, was auch immer sein: Es ist tot. Die Oberfläche des Bildes lebt nicht. Kino ist ein Spiel aus Schatten und Licht. Das Digitale ist Eklektrizitä. Michle Morgan kann man sich nicht auf einem digitalen Bild vorstellen.Ò (Aki KaurismŠki im Interview mit Dominik Kamalzadeh, in taz vom 9. Sept. 2011 Literaturliste digitale Fotografie Kommer, Isolde / Guenther-Jung, Monika / Mersin, Dilek: Scannen & Bildbearbeitung. Das Einsteigerseminar, Bonn 2002 Seimert, Winfried: Adobe Photoshop 7.0. Das Einsteigerseminar, Bonn 2002 Scheuer, Wilhelm / Kettermann, Karsten: Adobe Photoshop 7.0, Bonn 2002 Kettermann, Karsten: Adobe Photoshop Elements 2.0, Bonn 2002 Davies, Adrian: Digitale Fotografie. Kniffe und Know-how fŸr Einsteiger, Reinbek 2001 Obermeier, Barbara: Photoshop 7. XXL - Edition fŸr Dummies, Bonn 2003 Marchesi, Jost J.: Photokollegium digital 1. Ein Lehrgang Ÿber die Grundlagen der digitalen Fotografie, Gilching 2002 Kettermann, Karsten: Digitale Fotografie & Bildbearbeitung, Bonn 2003 Die Liste ist weder aktuell noch vollstŠndig. Wer sich genauer informieren will, sollte im Internet recherchieren. Bourdieu u.a.: Kunst JŸrgen Fiege 2011 ãDie Dauer des AugenblicksÒ Ein foto-pŠdagogisches Handbuch T4 Aufnahmepraxis A11, A 18, A 20, T 6 Die Aufnahmetechnik theoretisch behandeln zu wollen, gleicht der Quadratur des Kreises: man kann sich dem Problem und den vielfŠltigen Lšsungsmšglichkeiten nur annŠhern, nie das Ideal erreichen. Dies liegt vor allem daran, dass es sich eben nicht nur um ein technisches Problem handelt, sondern dass die mehr oder minder perfekte Beherrschung der Technik nur eine Voraussetzung fŸr eine gute Aufnahme ist; entscheidend wichtiger ist die gestalterische Seite des Vorgangs. Nicht unwesentlich fŸr die Aufnahmetechnik sind Umfang und QualitŠt der AusrŸstung. Bestimmte Aufnahmen lassen sich nur mit einer bestimmten Ausstattung machen. Dabei mšchte ich nicht dem Technikfetischismus vieler - vorwiegend mŠnnlicher - Amateurfotografen das Wort reden. "Technik und Kunst. Ein eindrucksvolles Foto ist fast immer das Ergebnis einer glŸcklichen Synthese von technischem Kšnnen und schšpferischem EinfŸhrungsvermšgen. (...) Technik allein ist wertlos, solange sie nicht durch Kunst ergŠnzt wird" (Feininger: Fotolehre, S. 18) Viele aussagekrŠftige, gar kŸnstlerische Aufnahmen sind mit einfachster Technik gemacht worden, nicht zuletzt weil sich der/die Fotograf/in ganz auf das Motiv konzentrieren konnte und nicht von technischen ErwŠgungen abgelenkt wurde. Umgekehrt habe ich schon Fotoseminare erlebt, bei denen - vorwiegend MŠnner - mit komplexesten FotoausrŸstungen ankamen, ohne am Ende ein einziges Bild vorweisen zu kšnnen. Ich mšchte also hervorheben, dass viel wichtiger als die moderne, komplette FotoausrŸstung das gute Auge, die gute Gelegenheit, die kritische Wahl des Motivs und der richtige Augenblick sind, in dem man auf den Auslšser drŸckt. Technik kann man kaufen und bis zu einem gewissen Grad mit Flei§ ihre Beherrschung lernen; den entscheidenden Rest muss man sich durch viel Erfahrung, ein geschultes Auge, das Ansehen guter fremder Fotos und selbstkritische Reflexion erarbeiten. 1. Kamera- und Objektivwahl Die Kamerawahl fŠngt beim Kauf an. Hierzu ist im vorherigen (T 1, T 2) schon einiges geschrieben worden. Mein Rat geht dahin, eine handliche Kamera zu kaufen, die die Mšglichkeit bietet, etwas einstellen zu kšnnen (Entfernung, Blende, Verschlusszeit, Filmempfindlichkeit). Dies dŸrfte gegenwŠrtig eher eine gebrauchte oder eine teure neue Kamera sein. Die zweite Entscheidung geht um die Frage Sucher- oder Spiegelreflexkamera. FŸr den Amateurfotografen, der gelegentlich Erinnerungsfotos machen will (Familie, Fest, Urlaub), reicht die Sucherkamera, die im †brigen auch als Zweitkamera fŸr alle Tage gut geeignet ist. FŸr den ambitionierten Hobbyfotografen empfehle ich die (gebrauchte) Spiegelreflexkamera, die durch ZusatzgerŠte (Wechselobjektive etc.) ausbaufŠhig ist. Dies ist allerdings eine eher grobe Unterscheidung. NatŸrlich kommt es wesentlich auch darauf an, fŸr welchen Zweck die Kamera genutzt werden soll. Will jemand z.B. Sportaufnahmen machen, so empfiehlt sich eine "schnelle" einŠugige Spiegelreflexkamera, ggf. mit Teleobjektiv. Will jemand sich auf PortrŠt oder Pflanzen konzentrieren, ist die zweiŠugige Mittelformatkamera eher anzuraten. Im Normalfall wird man vor einer Aufnahme keine weitere Wahl treffen kšnnen, weil der Amateurfotograf - eher schon der Hobbyfotograf - keine Auswahl hat. Besitze ich eine einŠugige Spiegelreflexkamera mit Wechselobjektiven, dann muss ich vor der Aufnahme das Objektiv wŠhlen. Im Normalfall benutze ich das Objektiv mittlerer Brennweite, weil es die grš§te technische Perfektion bietet und dem menschlichen Sehen am ehesten entsprechende Bilder liefert. Das bedeutet aber auch, dass ich u.U. die NŠhe zum Objekt suchen muss, um brauchbare Aufnahmen zu machen. Die NŠhe zum Objekt ist aber auch unter fotografischen wie moralischen Gesichtspunkten anzuraten. Ich halte es fŸr fragwŸrdig, Fotos z.B. von Menschen oder sozialen Situationen mit der voyeuristischen, hŠufig denunziatorischen Indiskretion der langen Brennweite zu machen, weil der Fotograf zu feige ist, Kontakt mit den Abgelichteten aufzunehmen. Aber auch unter fotografisch Šsthetischen Gesichtspunkten sind solche Aufnahmen hŠufig abzulehnen, weil sie - wegen der Teleraffung - unnatŸrliche, flŠchige Bilder mit wenig TiefenschŠrfe liefern. FŸr besondere FŠlle kommt man aber nicht um die kurze oder lange Brennweite herum. Will ich z.B. Tieraufnahmen machen, bin ich regelmЧig auf die (sehr) lange Brennweite angewiesen. Auch wenn ich bestimmte gestalterische Effekte erzielen will - Teleraffung, AtmosphŠre u.Š. - muss ich das Teleobjektiv wŠhlen. Manche Fotografen benutzen auch fŸr das PortrŠt eine etwas lŠngere Brennweite. Auf dem Kameramarkt fŸr analoge Fotografie sind Spiegelreflex- und Sucherkameras sehr verbreitet, die als Standartobjekt einen Zoom mit einer Brennweite zwischen 35 und 70 mm haben. [9] Sicher ist so eine Kamera fŸr den Alltag nŸtzlich, weil ich mir das Mittragen verschiedener Objektive spare. Andererseits handele ich mir dafŸr auch Nachteile ein: einmal haben diese Objektive immer relativ geringe LichtstŠrke, andererseits tauchen im Weitwinkel- wie im Telebereich die entsprechenden Verzerrungen auf; schlie§lich verfŸhrt das Spielen mit dem Zoom dazu, die Motive willkŸrlich und nicht bewusst zu gestalten. Wie in vielen anderen gestalterischen Fragen gibt es aber auch hier keine starren Regeln. Diese Regeln sind nur dazu da, sich klar zu machen, wie der normal konditionierte Bildbetrachter Fotos wahrnimmt. Will ich besondere, auch unorthodoxe Sichtweisen ansprechen bzw. provozieren, muss ich u. U. rigoros diese Regeln brechen. Der amerikanische Filmregisseur Jim Jarmusch hat in einem Interview sinngemЧ gesagt, nach Absolvieren der Filmhochschule habe er erst einmal alles Gelernte beiseitegeschoben und statt dessen extreme filmische Mittel eingesetzt. Die kŸnstlerische QualitŠt seiner Filme gibt ihm Recht. 2. Die Filmwahl Bevor der Fotograf beginnt, Aufnahmen zu machen, muss er sich fŸr einen Film entscheiden. Der Hobby- oder Amateurfotograf wird in der Regel einen handelsŸblichen Kleinbild- oder Rollfilm verwenden. Er muss sich aber fŸr ein bestimmtes Fabrikat und eine Filmempfindlichkeit entscheiden. Das Fabrikat ist in der Regel Geschmackssache. Die unterschiedlichen Hersteller differieren meist weniger in der QualitŠt als vielmehr im Charakter des Materials. Vor allem beim Farbfilm ist der Farbcharakter eines Produkts Geschmackssache. [10] Manche Fotografen bevorzugen die Brillanz und die "amerikanischen" Farben von Kodak, andere die genaue Farbwiedergabe auch bei Mischtšnen von Agfa, wieder andere die Stichigkeit von Fuji etc. Jeder Fotograf muss hier erst ausprobieren und sich schlie§lich entscheiden. Aber auch bei den Schwarz-Wei§-Filmen gibt es Unterschiede im Charakter der SchwŠrze: das satte Blau-Schwarz von Ilford, das samtene Grauschwarz von Agfa usw.; manchmal hŠngt aber auch die Wahl des Herstellers vom Motiv ab. Auch hier muss der/die Fotograf/in testen und schlie§lich entscheiden. PrŠziser kann die Wahl getroffen werden bei der Filmempfindlichkeit. Hier hŠngt es einmal von den LichtverhŠltnissen ab: bei strahlendem Schneewetter werde ich im Winter einen niedrigempfindlichen Film wŠhlen, ebenso im Sommer bei heller Sonne. Bei bedecktem Himmel und wenig Licht dagegen empfiehlt sich ein mittel- bis hochempfindlicher Film. Das hat aber den Nachteil, dass das eh schon diffuse, konturlose Licht eines bedeckten Himmels durch die Kšrnigkeit und die Kontrastarmut des Films noch betont wird. Arbeite ich mit einem lichtstarken Objektiv und bin nicht auf kurze Belichtungszeiten angewiesen, dann werde ich dennoch den niedrigempfindlichen Film wŠhlen. Die Entscheidung fŸr einen Film ist aber auch vom Motiv abhŠngig. Beabsichtige ich, PortrŠtfotos zu machen, die eh mit Kunstlicht aufgehellt und mit Stativ aufgenommen werden, nutze ich Kšrnigkeit, Kontrastarmut und die vielen Grauwerte des hochempfindlichen Films. Will ich dagegen Architektur- oder Industrieaufnahmen machen, wo es mir auf Kontraste und SchŠrfe ankommt, wŠhle ich den niedrigempfindlichen Film. Gro§e Vorteile bietet fŸr den Hobby- und Amateurfotografen der XP 2 von Ilford, der wie ein Farbfilm aufgebaut, aber tatsŠchlich ein Schwarz-Wei§-Film ist. Er bietet die Mšglichkeit, innerhalb einer gewissen Bandbreite die Filmempfindlichkeit (18 DIN/50 ASA - 30 DIN/800 ASA) frei zu wŠhlen, und verfŸgt Ÿber eine sehr feine Kšrnigkeit. Der Nachteil: der Hobbyfotograf kann ihn mit seinem Schwarz-Wei§-Labor nicht selbst entwickeln, sondern muss ihn im Farblabor entwickeln lassen (C 41 Farb-Negativ-Prozess). Das kann fŸr denjenigen, der sich die MŸhe der Filmentwicklung nicht selbst machen will, aber auch ein Vorteil sein. 3. Motivwahl Die Motivwahl beginnt damit, dass ich mir vornehme, ein bestimmtes Thema zu bearbeiten (siehe T 6 und A 20) und fŸr dieses Thema gezielt Motive zu suchen. Ich kann mir z.B. vornehmen, Tiere zu fotografieren, oder Menschen beim Einkaufen oder alte HŠuser oder technische GerŠte. Dann werde ich gezielt nach entsprechenden Motiven Ausschau halten. Umgekehrt kann es auch sein, dass ich unversehens ein Motiv entdecke - und das wird bei den meisten Amateurfotograf/innen der hŠufigere Fall sein -, das mir gefŠllt und das ich festhalten mšchte. FŸr diesen Fall fŸhren manche Fotograf/innen immer eine handliche Kamera mit sich. Entscheidend ist in jedem Fall, dass ich nicht besinnungslos auf den Auslšser drŸcke, sondern das Motiv wahrnehme, dass das Foto hinterher den eigenen Erwartungen und AnsprŸchen oder noch besser denen anderer Betrachter entspricht. Ein hŠufiger Kommentar von Amateurfotografen zu den eigenen Bildern ist: "Das ist nichts geworden." - "Nichts geworden" gibt es eigentlich gar nicht, es gibt nur "Falsch gemacht"; das bezieht sich sowohl auf die technische Seite (SchŠrfe, Belichtung) als auch auf die gestalterische (Perspektive, NŠhe, Beleuchtung, Einstellungsgrš§e etc.; siehe Text T 7). Die bewusste Auseinandersetzung mit dem Motiv schlie§t diverse †berlegungen ein: Wie dicht muss ich ans Motiv heran? Wie wŠhle ich die Perspektive? Wie steht das Licht? Welche TiefenschŠrfe brauche ich, welche Blende wŠhle ich folglich? Nehme ich eine kurze oder lange Belichtungszeit? Welche Brennweite nehme ich? Benutze ich einen Filter? FŸr den/die Amateurfotograf/in, der/die nur an SchnappschŸssen von der Familie, im Urlaub oder bei Festen, also an Erinnerungsfotos interessiert ist, mšgen diese †berlegungen ŸberflŸssig sein. Das "Eigentliche" seines Fotos sind nicht die gestalterischen Prinzipien, sondern ist der Erinnerungswert, der sich nur den unmittelbar beteiligten Personen erschlie§t, fŸr au§enstehende Betrachter aber uninteressant ist. Deswegen sind die meisten DiavortrŠge oder Familienalben fŸr nicht Beteiligte so quŠlend: sie verbinden keine Erinnerung mit den dargestellten Situationen. Die Situationen sind sich innerhalb bestimmter Kategorien immer Šhnlich, man sieht also immer Šhnliche Motive. Das "Eigentliche" erschlie§t sich nur Ÿber Erinnerung der Beteiligten, allenfalls noch Ÿber gesprochene Kommentare (die aber hŠufig leider genauso langweilig sind wie die Bilder, weil die meisten Menschen nicht nur das Sehen, sondern auch das ErzŠhlen verlernt haben).
Hilfreich fŸr die Motivwahl sind die im Text T 6 zusammengefassten gestalterischen Prinzipien. Bei der Motivwahl muss ich mir bereits Ÿberlegen, was ich mit dem jeweiligen Foto ausdrŸcken will. Will ich eine optimistische Stimmung beim Betrachter hervorrufen, werde ich eine von links unten nach rechts oben aufsteigende Bilddiagonale einbauen. Will ich NŠhe suggerieren, dann werde ich eine grš§ere Einstellungsgrš§e wŠhlen, also dichter herangehen. Dabei verlasse ich mich auf die bei den meisten Zeitgenossen lebenslang gelernten Wahrnehmungsweisen. Ich kann allerdings - wie Jim Jarmusch im Film, Rodschenko im Foto - bewusst die gewohnten Sichtweisen durchbrechen, um Nachdenken, Widerspruch, Dialog, Kommunikation zu provozieren oder Ÿberhaupt Aufmerksamkeit zu erregen. Die gro§en Fotografen haben eigentlich immer gewohnte Sehweisen gekannt und gezielt angewandt, aber immer auch in Teilen oder ganz neue Sichtweisen hergestellt. 4. Filterwahl Es gibt viele Mšglichkeiten, durch Filter das Bild zu beeinflussen. Durch Farbfilter kšnnen sowohl Schwarz-Wei§- wie Farbbilder gestaltet werden. Beispiele sind der Gelb-GrŸn-Filter, mit dem ich bei Schwarz-Wei§-Aufnahmen den blauen Himmel abdunkeln kann, so dass wei§e Wolken stŠrker hervortreten. Oder der Skylight- oder UV-Filter, mit dem ich bei Farbfilmen einen wŠrmeren Rotton hervorrufen bzw. die stšrenden UV-Strahlen ausschalten kann. Es gibt aber auch eine Menge Trickfilter, mit denen man Bilder verfremden kann: farbiges EinfŠrben, Stern- oder Spektraleffekte, Weichzeichnung, Segmentierung des Bildes usw. Ich meine, mit Filtern sollte man Šhnlich vorsichtig umgehen wie mit GewŸrzen beim Kochen. Zu leicht kann man die Suppe versalzen. Im †brigen ist ein umfangreiches Filtersortiment eine hohe Geldinvestition, die sich – sparsamen Einsatz der Filter nur fŸr die seltenen gestalterisch angemessenen FŠlle vorausgesetzt - hŠufig nicht lohnt. Der Skylight- oder UV-Filter empfiehlt sich als Objektivschutz sowieso, schŸtzt den Farbfilm vor lŠstiger UV-Strahlung besonders an der See und im Gebirge und ist auch nicht teuer. FŸr diejenigen, die oft bei Kunstlicht (nicht Blitzlicht) farbig fotografieren, lohnt die Anschaffung eines Blaufilters. Der sehr viel billigere Tageslichtfilm amortisiert die Anschaffung des Blaufilters nach etwa zehn Filmen. FŸr den Schwarz-Wei§-Fotografen, der sich auf Landschaften spezialisiert, ist der Gelb-GrŸn-Filter empfehlenswert. 5. Fotografische Themen (siehe Blatt A 20) Es ist ausgesprochen schwierig, fotografische Themen systematisch abhandeln zu wollen. Vielfach sind die Grenzen flie§end, man kann beliebig viele Themen formulieren. Ich will daher im Folgenden keinesfalls erschšpfend einen Katalog von Themen aufzŠhlen, um Anhaltspunkte fŸr eine Kategorisierung zu geben. Dies ist schon deswegen sinnvoll, weil jedes fotografische Thema seine eigenen Šsthetischen Formen entwickelt hat. Dabei muss hervorgehoben werden, dass fŸr die fotografischen Themen in der Geschichte der Fotografie nicht nur dem jeweiligen Zeitgeschmack entsprechende gestalterische Mittel entwickelt wurden; vielmehr war die Bevorzugung oder Ablehnung bestimmter Themen ebenfalls vom Zeitgeschmack, mehr aber noch von gesellschaftlichen Entwicklungen abhŠngig. Wir kšnnen in diesem Zusammenhang nicht die ganze Bandbreite ausrollen, sondern nur einige Aspekte beleuchten. Das Šlteste fotografische Thema ist das PortrŠt, das sozusagen die Mutter fŸr die Idee der Fotografie war (siehe Texte T 1 und P 3). Gerade das PortrŠt ist in der Geschichte der Fotografie den jeweils herrschenden Šsthetischen Vorstellungen, mehr noch den wechselnden Menschenbildern unterworfen gewesen. Dies kann in diesem Zusammenhang nicht weiter ausgearbeitet werden. Festhalten lŠsst sich jedoch, dass gerade die PortrŠtfotografie sich oft sehr eng an die Vorbilder der Malerei anlehnte. So waren am Anfang klassizistische Arrangements wie SŠulen, Balustraden, Volants etc. vorherrschend. Dies hing vor allem auch damit zusammen, dass zunŠchst das aufstrebende KleinbŸrgertum zum PortrŠtfotografen ging und gro§bŸrgerliche bzw. adlige Vorbilder imitieren wollte. SpŠter - in der 2. HŠlfte des 19. Jahrhunderts - wurden eher Vorbilder aus der Romantik mit vielen Hell-Dunkel- Kontrasten, Fenstern im Hintergrund oder Landschaften bevorzugt. In den 20er Jahren unseres Jahrhunderts, als die Fotografie begann, sich als Kunstform eigener Wertigkeit von der Malerei zu emanzipieren und ein individualistisches Menschenbild vorherrschend wurde, wurde das PortrŠt intimer (grš§ere NŠhe), kunstvoll ausgeleuchtet, die Posen Šnderten sich usw. In den 30er Jahren entwickelte sich die heldische Positur als vorherrschend; die Menschen wurden weniger in ihrer IndividualitŠt gesehen, als vielmehr typisiert im Sinne des vorherrschenden faschistischen Menschenbildes. In den 1990er Jahren Ÿberwog in der PortrŠtfotografie der RŸckgriff auf historische Vorbilder. Unkritisch wurden leider auch Elemente des Stils der 30er Jahre Ÿbernommen.
Auch die Aktfotografie gehšrte bereits frŸh zum Repertoire der Fotografen. [11] ZunŠchst Ÿberwog dabei allerdings nicht der kŸnstlerische Akt, sondern schon mit der Daguerreotypie wurden erotische, um nicht zu sagen pornographische Bilder gemacht. Die Abgrenzung zwischen Aktfotografie, erotischer und pornographischer Fotografie ist sehr schwer zu ziehen. Was den einen Betrachter, oder teilweise eher noch die Betrachterin schockiert, zŠhlt fŸr den anderen schon zur Pornographie. (Vgl. Kohler: Ansichten). Allerdings gab und gibt es immer gro§e Fotografen, die sich der Akt- oder erotischen Fotografie durchaus unter kŸnstlerischen Gesichtspunkten angenommen haben und bedeutende Bilder geschaffen haben. Hinsichtlich der €sthetik der Aktfotografie gelten Šhnliche Aspekte wie bei der PortrŠtfotografie. Sehr frŸh wurde auch die dokumentarische Fotografie benutzt. ZunŠchst wurden - wegen der damals noch sehr langen Belichtungszeiten - Stadtbild- und Architekturfotos gemacht. Dann wurden auch historische Ereignisse fotografisch festgehalten, z.B. BrŠnde, politische Ereignisse, VerŠnderungen im Stadtbild usw. Die Grenzen zur Fotoreportage, dem Fotojournalismus und zur Sozialfotografie sind dabei immer flie§end gewesen. Bei der dokumentarischen Fotografie stehen meistens Šsthetische †berlegungen nicht im Vordergrund. Solange noch mit sehr langen Belichtungszeiten gearbeitet werden musste, wurden auch dokumentarische Fotos arrangiert, zumindest wenn Personen darauf abgebildet waren, denn diese mussten fŸr die Zeit der Aufnahme still halten, d.h. auch dass sie mit der Aufnahme einverstanden sein mussten. Bei der Stadtbildfotografie konnte der Fotograf natŸrlich auch auf gestalterische Elemente RŸcksicht nehmen. Je schneller aber die dokumentarische Fotografie wegen der entwickelten Technik wurde, desto mehr traten Šsthetische Gesichtspunkte in den Hintergrund. Der Fotojournalist, der an einem sensationellen Ereignis teilnimmt, kann nicht lange den goldenen Schnitt suchen, wenn er den Augenblick festhalten will. Gestalterische Gesichtspunkte werden dann allenfalls bei der Nachbearbeitung im Fotolabor eine Rolle spielen: Wahl des Bildausschnitts, Papierwahl, Belichtungszeit etc. Diese Mšglichkeiten sind allerdings begrenzt, die Perspektive z.B. kann man dann nicht mehr Šndern.
€sthetisch nahe an der Dokumentarfotografie ist die Tierfotografie. Unterscheiden muss man hier die Tierfotografie im Zoo, wo der/die Fotograf/in eher Mu§e hat, ein Tier zu studieren und erst nach lŠngerer Zeit auch unter gestalterischen Gesichtspunkten die Aufnahme zu machen. Ganz anders ist das bei der Tierfotografie in freier Wildbahn. Hier muss man sehr viel Zeit und Geduld haben, sich gut mit den Lebensgewohnheiten der Tiere auskennen und vor allem eine gute KameraausrŸstung mit lichtstarken Objektiven (wegen der notwendig kurzen Belichtungszeiten) und mit langen Brennweiten haben. Schlie§lich muss man den gŸnstigen Augenblick treffen. Wieder anders steht es mit der Landschaftsfotografie. Bei der Landschaft kann ich den gŸnstigsten Kamerastandpunkt, die gŸnstigste Perspektive, die Brennweite usw. nach gestalterischen Gesichtspunkten auswŠhlen. Ich kann auch einen Tag, eine Jahreszeit, ein Wetter, einen Sonnenstand abwarten, bei dem der Charakter der Landschaft entsprechend meinem Geschmack oder meiner Vorstellung von der Landschaft am besten zum Vorschein kommt. Landschaftsfotografie setzt eine genaue Kenntnis der Landschaft ebenso voraus wie Zeit und Mu§e. Vor allem die Kunstfotograf/innen haben sich immer wieder einem Gebiet gewidmet, fŸr das mir ein Sammelbegriff fehlt, innerhalb dessen Einzelgebieten die Grenzen flie§end sind. Am bekanntesten ist das Stillleben, das als Motiv in der Malerei lange bekannt war, bevor die Fotografie sich seiner annahm. Blumen, GegenstŠnde des tŠglichen Gebrauchs usw. werden meist unter Verwendung kŸnstlichen Lichts zu einem Ensemble arrangiert, das dem Fotografen gefŠllt. In diese Kategorie fallen auch Fundstücke Steine, Baumwurzeln, Strandgut etc., die vom Fotografen in gŸnstiges Licht gesetzt, mit anderen GegenstŠnden oder einem Hintergrund arrangiert und fotografiert werden. In der arrangierten Fotografie wird mit Šhnlichen Materialien gearbeitet, nur dass hŠufig auch Menschen, Landschaften oder andere HintergrŸnde miteinander arrangiert werden. Auch das Fotografieren von Details - d.h. Ausschnitte grš§erer GegenstŠnde - ist ein beliebtes Thema.
In den Bereich der Berufsfotografie fŠllt die Produktfotografie. Sie wurde zuerst von den Fotograf/innen des Bauhauses in Dessau entwickelt. Dort wurde u.a. Industriedesign fŸr GebrauchsgegenstŠnde entwickelt. Zur Dokumentation wurden zunŠchst anspruchslose Fotos gemacht, bis die Fotografen am Bauhaus die Produktfotografie als eigene Disziplin entdeckten und kultivierten. Ihre Auswirkungen hatte diese Stilrichtung u.a. auf die Fotografie der "Neuen Sachlichkeit". Heute ist die Produktfotografie vor allem aus der Werbung nicht mehr wegzudenken. Die gegenwŠrtige nostalgische Welle in der Werbefotografie hat auch den RŸckgriff auf die Fotografie des Bauhauses hervorgebracht. Mit diesem †berblick Ÿber die fotografischen Themen schlie§en wir diesen Teil, der sich mit der Aufnahmepraxis beschŠftigte, ab.
: JŸrgen Fiege 2011 ãDie Dauer des AugenblicksÒ Ein foto-pŠdagogisches Handbuch T5 Dunkelkammertechnik A 12 - 16, T 6 Wenn der Film vollstŠndig belichtet ist, muss er im Fotolabor, genauer in der Dunkelkammer weiter verarbeitet werden. Solange man mit Platten arbeitete, mussten diese bei Dunkelheit aus der Kassette herausgeholt und in einer Schale mit EntwicklerflŸssigkeit entwickelt werden. Dieser Prozess lŠsst sich mit dem Roll- oder Kleinbildfilm so nicht bewerkstelligen. Die meisten modernen Filme sind panchromatisch, d.h. sie reagieren auf jede Spektralfarbe empfindlich und mŸssen daher bei absoluter Dunkelheit weiterbearbeitet werden. Bei orthochromatischen Filmen ist das anders, sie kšnnen bei rotem Licht verarbeitet werden (siehe Text T 02). Aus dem entwickelten Film entsteht ein Negativstreifen, der im Positivprozess zu einem Papierbild vergrš§ert werden muss. Bei beiden Prozessen, insbesondere bei der Vergrš§erung lassen sich diverse gestalterische Eingriffe vornehmen, die im Folgenden nŠher beschrieben werden sollen. 1. Schwarz-Wei§-Filmentwicklung (siehe Blatt A 12) Um den Film bei absoluter Dunkelheit zu entwickeln, wird dieser in eine Entwicklerdose (s. Blatt A 12) eingelegt. Diese besteht aus einem zylindrischen Unterteil, einem Deckel, einem Kern und einer Spule mit schneckenfšrmigen Windungen. ZunŠchst muss der Film bei absoluter Dunkelheit aufgespult werden; dies verlangt einige †bung und Fingerfertigkeit. Befindet sich der Film auf der Spule, wird diese auf den Spulenkern gesteckt und in die Dose gelegt. Wenn dann der Deckel geschlossen ist, kann der weitere Arbeitsprozess bei Tageslicht vorgenommen werden. Die Dose ist so konstruiert, dass durch die …ffnung im Deckel zwar die Chemikalien ein- und ausgegossen werden kšnnen, Licht aber nicht an den Film gelangen kann. Im nŠchsten Schritt wird die EntwicklerflŸssigkeit eingefŸllt. Diese bewirkt, dass die belichteten Teile des Filmstreifens sich dunkel fŠrben, wŠhrend die unbelichteten hell bleiben. Diesen Prozess kann man natŸrlich nicht beobachten. Der Entwickler ist eine Lauge, was man fŸhlen kann, wenn man einen Tropfen davon zwischen den Fingern reibt; es fŸhlt sich dann etwas seifig an. Der Entwicklungsprozess dauert je nach Film und Entwickler unterschiedlich lange. Die jeweilige Entwicklungszeit und die Temperatur des Entwicklers (in der Regel 20¡ C) mŸssen sehr genau eingehalten werden, um zu einem befriedigenden Ergebnis zu kommen. WŠhrend der Entwicklungszeit muss die Dose regelmЧig gekippt oder gedreht werden. Dadurch wird vermieden, dass sich LuftblŠschen auf dem Film bilden und der Entwickler an diese Stellen nicht herankommt. Nach Ablauf dieser Zeit wird der Entwickler ausgegossen und der Film wird in der Dose mit klarem Wasser gespŸlt.
Um den Entwicklungsprozess wirklich zu stoppen, wird eine EssigsŠurelšsung fŸr etwa eine Minute eingegossen. Die EssigsŠure neutralisiert den Entwickler, der sich u.U. auf dem Film, aber auch in der Schicht noch befinden kann. Au§erdem hŠrtet dieses Stopbad das Filmmaterial, so dass es spŠter weniger anfŠllig gegen mechanische BeschŠdigungen ist. Nach dem Stopbad wird dieses wieder ausgegossen, und es schlie§t sich wieder eine kurze WŠsserung an, um die SŠurereste auszuwaschen. Bis zu diesem Zeitpunkt ist der Film immer noch lichtempfindlich. Um ihn lichtunempfindlich zu machen, wird ein Fixierbad in die Dose gegossen. Dieses wŠscht die lichtempfindlichen Silberverbindungen aus der Emulsion aus und macht den Filmstreifen transparent, indem der hinter der lichtempfindlichen Schicht befindliche Lichthofschutz aufgelšst wird. Wenn dieser Prozess abgeschlossen ist, kann die Dose gešffnet werden und der Film kann dem Tageslicht ausgesetzt werden, ohne weiteren Schaden zu nehmen. Anschlie§end muss der Film noch einmal grŸndlich gewŠssert werden, um alle Chemikalien von der OberflŠche und aus der Emulsion auszuwaschen. Zum Schluss wird dem Wasser ein Netzmittel beigegeben, das das Bilden von Tropfen und Wasserflecken auf dem Film wŠhrend der Trocknung vermeidet (vergleichbar dem SpŸlmittel fŸr Geschirr, das ebenfalls das Wasser entspannt und zu einem gleichmЧig Trocknen fŸhrt). Nach dem WŠsserungsprozess muss der Film aus der Spule herausgenommen und zum Trocknen aufgehŠngt werden. Wenn der Film trocken ist, kann er weiter verarbeitet werden. FŸr den Entwicklungsprozess gibt es unterschiedlich konstruierte Dosen. FŸr den Hobbyfotografen eignet sich am besten ein Dosensystem, das hinsichtlich der Grš§e variabel ist. Z.B. lassen sich bestimmte Systeme aus unterschiedlichen Elementen fŸr Roll- oder KB-Filme sowie fŸr unterschiedlich viele Filme verwenden. Einige Systeme lassen sich auch motorisch bewegen, so dass die Kipp- oder Drehbewegung per Hand entfŠllt. In industriellen Gro§labors wird nicht mit Entwicklerdosen, sondern mit gro§en Tanks gearbeitet, in die die Filme in Rahmen eingespannt gehŠngt werden. Dieser Prozess ist weitgehend automatisiert. WŠhrend des Entwicklungsprozesses kann ich das Ergebnis auch noch beeinflussen. GrundsŠtzlich muss ich die Vorschriften fŸr die Verarbeitung des Entwicklers fŸr den jeweiligen Film sehr genau einhalten. Aber schon Ÿber die Auswahl des Entwicklers kann ich eingreifen. Nicht alle Entwickler bringen nŠmlich das gleiche Ergebnis. Z.B. gibt es Standardentwickler, die ein durchschnittliches Ergebnis hinsichtlich Korn, Kontrast, Kontrastabstufung usw. erbringen. Mšchte ich aber z.B. einen hochempfindlichen Film mšglichst feinkšrnig entwickeln, dann kann ich einen Spezialentwickler benutzen, der das gewŸnschte Ergebnis erbringt. Wie bereits erwŠhnt, kann ich auch bei der Aufnahme eine andere Empfindlichkeit einstellen, als auf dem Film angegeben. In diesem Fall muss ich das beim Entwickeln berŸcksichtigen, indem ich die Entwicklungszeit verlŠngere, um eine hšhere Empfindlichkeit zu erreichen, bzw. verkŸrzen, um eine niedrigere Empfindlichkeit zu erreichen. HŠufig werde ich das - vor allem bei extremeren Abweichungen - nicht mit dem Standardentwickler tun kšnnen, sondern einen Spezialentwickler benutzen mŸssen. Ich kann den Entwicklungsprozess auch beschleunigen, indem ich eine hšhere Entwicklertemperatur wŠhle, oder verkŸrzen, indem ich eine niedrigere Temperatur nehme. In beiden FŠlle verŠndert sich aber auch das Ergebnis hinsichtlich Korn, Kontrast und Grauwerten. Wir kšnnen in diesem Zusammenhang nicht alle Mšglichkeiten aufzŠhlen und behandeln; es sei hier nur darauf hingewiesen, dass es im Entwicklungsprozess diverse Eingriffsmšglichkeiten gibt, die gestalterische Wirkungen haben. 2. Arbeiten im Positivlabor (siehe Blatt A 13 bis A 16) Die entscheidenden gestalterischen Mšglichkeiten in der Nachbearbeitung des Films, also unabhŠngig von der fotografischen Aufnahme, bestehen in der Umwandlung des Negativs in ein Positiv. Der eigentliche Prozess besteht darin, aus dem transparenten, negativen Schwarz-Wei§-Film ein positives Papierbild zu machen. Dabei muss zumindest bei KB-Filmen im Normalfall zugleich eine Vergrš§erung angefertigt werden. Die durch die Belichtung beim Aufnahmevorgang entstandene SchwarzfŠrbung wird im Positiv in wei§e Partien umgekehrt, die unbelichteten, wei§en Partien werden schwarz gefŠrbt. Das Format wird meistens zugleich verŠndert, weil man auf einem 24 x 36 mm gro§en Bild sehr wenig erkennen kann; aber auch grš§ere Negativformate werden inzwischen meistens vergrš§ert. Die einfachste Form der Anfertigung eines Positivs ist der Kontaktabzug. Dabei wird der Film mit der Schicht nach unten auf ein StŸck lichtempfindliches Fotopapier gelegt, dessen Schicht nach oben zeigt. Beides wird mit einer Glasscheibe beschwert, um guten Kontakt herzustellen, damit UnschŠrfen vermieden werden. Dann wird das Ganze von oben mit einer wei§en Lichtquelle belichtet. Dabei wird das Licht an den schwarzen, also belichteten Stellen des Negativs absorbiert, die darunter liegenden Stellen des Papiers bleiben unbelichtet, also nach der Entwicklung wei§. Umgekehrt kann das Licht die unbelichteten, also hellen Stellen des Negativs ungehindert passieren, belichtet daher das Papier. Die grauen Stellen des Negativs lassen nur wenig Licht durch, an diesen Stellen wird das Positiv entsprechend auch grau. Entscheidend sind die Dauer der Belichtung sowie die IntensitŠt der Lichtquelle. Habe ich eine sehr helle Lampe, muss ich entweder sehr kurz belichten oder das Papier wird sehr schwarz. Ist die Lichtquelle weniger hell, muss ich lŠnger belichten oder das Papier wird sehr hell. Das richtige VerhŠltnis von Helligkeit und Belichtungsdauer ist also entscheidend fŸr das richtige Bild. An dieser Stelle kann ich auch gestalterisch eingreifen. Von einem sehr hellen Negativ kann ich durch kurze Belichtung noch ein brauchbares Bild anfertigen. Umgekehrt kann ich ein sehr dunkles Negativ durch entsprechend lŠngere Belichtungszeit korrigieren. UrsprŸnglich war der Kontaktabzug die einzige bzw. Ÿbliche Herstellungsform fŸr ein Positiv. D.h. das Positiv hatte das gleiche Format wie das Negativ (Platte oder Film 6 x 9 cm, bzw. 6 x6 cm). Als die Rollfilmformate kleiner wurden (4,5, x 6 cm), erst recht als das KB-Format 24 x 36 mm erfunden war und sich durchsetzte, wurde die Vergrš§erung zum Herstellen von Positiven notwendig. Allerdings fertigt man auch von KB-Filmen KontaktabzŸge - ein Film auf einem Blatt Din-A-4-Papier, dem Kontaktbogen - zur besseren Beurteilung und Archivierung der Negative an. FŸr die Vergrš§erung ist ein Projektor (siehe Blatt A 13, 14) notwendig, der das Format verŠndert. Der Vergrš§erer ist Šhnlich aufgebaut wie eine Kamera, nur dass zusŠtzlich eine Lichtquelle notwendig ist, die hinter die Filmebene sitzt. Am ehesten ist der Vergleich mit einem Diaprojektor zutreffend. Der Unterschied besteht darin, dass statt des Diapositivs ein Negativfilm eingelegt wird, dass statt einer Leinwand eine Projektionsebene besteht, auf die das lichtempfindliche Papier gelegt wird, und dass schlie§lich dieser Vergrš§erer in der Regel senkrecht und nicht waagerecht wie der Diaprojektor montiert ist.
Der grundsŠtzliche Apparateaufbau ist wie folgt. Oben befindet sich eine Opalbirne in einem gut belŸfteten, aber weitgehend lichtdichten GehŠuse. Die Opalbirne verstreut ein sehr gleichmЧiges, rein wei§es Licht. Unterhalb der Birne ist ein Linsensystem, der Kondensor angebracht, der das diffuse Licht der Birne in parallele Strahlen umwandelt, so dass der Film, der unterhalb des Kondensors auf einer FilmbŸhne liegt, mšglichst gleichmЧig ausgeleuchtet wird. Die FilmbŸhne hat in der Regel eine Maske genau im Format des Bildes, also beim KB-Film 24 x 36 mm, fŸr Rollfilme die entsprechenden Formate. FŸr den Hobbyfotografen, der mit Kameras unterschiedlicher Formate arbeitet, erst recht fŸr den Profi ist daher ein Vergrš§erer mit auswechselbaren Filmmasken notwendig. Unter der FilmbŸhne ist entweder ein Balgenauszug oder ein Tubus, an dessen Ende sich ein Objektiv mit einer Blende befindet. Dadurch kann der Abstand zwischen Filmebene und Objektiv verŠndert werden (bei der Kamera ist das die Bildweite). Unter dem Objektiv ist ein Rotfilter eingebaut. Der ganze Vergrš§erer ist an einem Stativ montiert, an dem das GerŠt nach oben und unten bewegt werden kann. Indem ich den Abstand zwischen Film und Projektionsebene verŠndere, kann ich den Vergrš§erungsma§stab verŠndern. Je grš§er der Abstand, desto grš§er das Bild und umgekehrt. Wenn ich nun diesen Abstand Šndere (bei der Kamera ist das die Gegenstandsweite), muss ich auch die Entfernung zwischen Film und Objektiv verŠndern, damit das Bild scharf wird. Wenn ich nun auf die Projektionsebene ein lichtempfindliches Papier lege und dieses mit dem eingelegten Film belichte, kann ich ein Positiv herstellen. Dabei kommt es wieder auf die richtige Belichtung an. Da die Helligkeit der Birne konstant ist, kann ich die Belichtung entweder durch die LŠnge der Belichtung oder durch die Grš§e der Blende beeinflussen. Entscheidend ist dabei auch der Vergrš§erungsma§stab. Je grš§er das Bild werden soll, desto weiter muss ich mit dem Film und der Birne von der Projektionsebene weggehen. Da das Licht im Quadrat der Entfernung abnimmt, muss ich entsprechend lŠnger belichten. Z.B. belichte ich ein Papier mit Blende 8 im Abstand von 20 cm und 10 sec. Wenn ich das gleiche Negativ bei gleicher Blende mehr vergrš§ern will, z.B. mit dem doppelten Abstand von 40 cm, so muss ich die Belichtungszeit vervierfachen, also 40 sec. belichten. Ich kann natŸrlich statt der VerlŠngerung der Belichtungszeit auch die Blende - in diesem Fall um zwei Stufen, was eine Vervierfachung der Lichtmenge bewirkt - weiter šffnen. Das empfiehlt sich aber nur in AusnahmefŠlle und bei sehr langen Belichtungszeiten. Wie bei der Kamera ist die Wahl einer mittleren Blende aus technischen GrŸnden gŸnstig, weil die meisten Objektive die beste QualitŠt bei Blende 8 haben. Au§erdem spielt auch hier die TiefenschŠrfe eine Rolle. Die Entfernung vom Objektiv zur Bildmitte und zum Bildrand auf der Projektionsebene ist nicht dieselbe; daher komme ich bei kleinerer Blende zu besseren, weil gleichmЧig scharfen Vergrš§erungen. Innerhalb gewisser Grenzen kann ich unter- oder Ÿberbelichtete Negative bei der Vergrš§erung korrigieren, indem ich die Belichtungszeit so verŠndere, dass der gewŸnschte Erfolg, ein gutes Bild, erzielt wird. Statt das ganze Negativ zu vergrš§ern, kann ich auch einen Ausschnitt davon nehmen. Ich kann also Bildteile, die fŸr mich unwichtig sind, weglassen, mich auf andere Bildteile konzentrieren, kann sogar statt eines Querformats ein Hochformat erreichen. An diesem Punkt des Prozesses kann ich bereits wichtige gestalterische Entscheidungen und Eingriffe vornehmen. Z.B. kann ich den Ausschnitt so wŠhlen, dass bestimmte Bilddiagonalen entstehen, Kompositionselemente wie goldener Schnitt etc. eingebaut werden, ich kann Verkantungen korrigieren oder herstellen usw. (siehe Text T 6). Allerdings hat die Vergrš§erungsfŠhigkeit eines Negativs Grenzen. Je grš§er der Ma§stab wird, desto weniger Kontraste und mehr Grautšne bekomme ich. Au§erdem nimmt die SchŠrfe deutlich ab, weil das Korn des Films bei zunehmender Vergrš§erung immer deutlicher erkennbar wird. (Dieses Problem hat Antonioni in seinem Film "Blow Up" (dt. = Vergrš§erung, auch Sprengung) thematisiert. Je mehr der Fotograf die Fotos vergrš§ert, um Details zu erkennen, desto unschŠrfer werden diese, desto mehr verschwimmt die Wirklichkeit vor seinen Augen.) Die meisten dieser Bildbearbeitun-gen sind auch mit der Digital-Kamera mšglich: Ausschnitt, For-mat, Komposition. Nicht korrigie-ren lassen sich Verzerrungen. Einige technische Details mŸssen noch erwŠhnt werden, bevor der eigentliche Vergrš§erungsprozess beschrieben wird. ZunŠchst zur Funktion des Rotfilters vor dem Objektiv: Das fotografische Papier, mit dem die Vergrš§erungen angefertigt werden, ist in der Regel orthochromatisch, d.h. es reagiert nicht auf grŸnes und rotes Licht (sonst mŸsste im Positivlabor wie im Negativlabor absolute Dunkelheit herrschen, was ein Arbeiten weitgehend unmšglich machen wŸrde). Das ermšglicht es mir bei vorgeschobenem Rotfilter, das Papier korrekt auf die Projektionsebene zu legen, den richtigen Ausschnitt dabei zu wŠhlen und erst dann die Belichtung vorzunehmen. UrsprŸnglich wurde der Rotfilter auch dazu benutzt, die Belichtungszeit zu dosieren. Der Rotfilter wurde einfach beiseite geschoben, so dass das wei§e Licht auf das Fotopapier fallen konnte; die Zeit wurde durch ZŠhlen (21, 22, 23, ...) oder mit einer Uhr mit SekundenzŠhler gemessen und nach Ablauf der korrekten Zeit wurde der Rotfilter wieder vor das Objektiv geschoben. Inzwischen werden die Vergrš§erer mit einer elektrischen Schaltuhr gekoppelt, die das Licht fŸr die eingestellte Zeit anmacht und wieder ausschaltet. Diese Schaltuhr kann auch mit einem Belichtungsmesser gekoppelt werden, mit dem ich die Lichtmenge messen und entsprechend die Schaltuhr einstellen kann. Der Automat schaltet das Licht ein und nach der gemessenen Zeit wieder aus. In diesem Fall brauche ich den Rotfilter nur noch, um das Fotopapier in die richtige Position zu legen. Der Prozess des Vergrš§erns geht nun wie folgt vor sich. ZunŠchst lege ich den Film in die FilmbŸhne und wŠhle das Negativ aus, das ich vergrš§ern will. Dann entscheide ich mich fŸr die Grš§e des Bildes, das ich anfertigen will und stelle entsprechend dem gewŠhlten Vergrš§erungsma§stab die SchŠrfe ein. Dies mache ich bei offener Blende und wei§em Licht, um die SchŠrfe besser beurteilen zu kšnnen. Anschlie§end blende ich wieder ab, gewinne dadurch zusŠtzliche SchŠrfe. Dann messe ich die notwendige Belichtungszeit mit dem "Timer" (= Belichtungsmesser + Zeituhr) oder fertige einen Probestreifen an. Der Probestreifen wird schrittweise immer lŠnger belichtet; bei der anschlie§enden Entwicklung des Streifens kann ich erkennen, welche Partie des Streifens, also welche Belichtungszeit mir am besten gefŠllt. Habe ich die richtige Vergrš§erung, den richtigen Ausschnitt, die richtige Belichtungszeit gefunden, schiebe ich den Rotfilter vor und lege ein Fotopapier auf die ProjektionsflŠche. Dann mache ich das Licht aus, schiebe den Rotfilter weg, mache das Licht manuell oder Ÿber den Timer wieder an und belichte so das Papier mit der vorher ermittelten Belichtungszeit. Wenn dieser Prozess abgeschlossen ist, muss ich Šhnlich wie beim Film den Entwicklungsprozess durchfŸhren, der allerdings nicht ganz so umstŠndlich ist, zumal ich ihn bei der Dunkelkammerbeleuchtung (Rot- oder GrŸnlicht) durchfŸhren kann. In Plastikschalen, die mindestens die Grš§e des verarbeiteten Papiers haben, stehen die entsprechenden Chemikalien bereit. ZunŠchst lege ich das Papier in die EntwicklerflŸssigkeit. Innerhalb einer bestimmten Zeit (1 - 3 min. je nach Entwickler- und Papiertyp) entwickelt sich das Papier. Dieser Prozess ist immer wieder faszinierend, weil er beobachtbar ist - anders als beim Negativ. Ist die Entwicklung abgeschlossen, kommt das Papier in ein WŠsserungs- bzw. Stopbad. Hier wird der Entwicklungsprozess unterbrochen und der Entwickler vom Papier abgespŸlt. Danach kommt das Papier in ein Fixierbad, um es lichtunempfindlich zu machen. Das Fixieren dauert je nach Papiersorte und Fixerer 3 - 10 min. Anschlie§end wird das Papier grŸndlich gewŠssert (ca. 15 -. 30 min.) und dann getrocknet. †ber den Einsatz von Gelbfiltern etc. bei der Vergrš§erung siehe Text T 6. Wie beim Film gibt es auch beim Fotopapier unterschiedliche Empfindlichkeiten. Das Entscheidende dabei ist jedoch weniger, dass das Papier verschieden lange belichtet werden muss. Wichtiger ist hier der unterschiedliche grafische Charakter des Papiers, der durch die Grš§e des Korns entsteht. Man spricht daher weniger von Empfindlichkeit (obwohl das auch ein Faktor ist), sondern von Gradation, weil der durch die Verschiedenheit der Kšrnigkeit entstehende grafische Charakter in den Graden 1 - 5 angegeben wird. Das Papier mit der Gradation 1 hat ein sehr grobes Korn, liefert daher wenig Kontraste, dafŸr viele Grautšne, entsprechend seinem Charakter wird es "weich" genannt. Das Papier mit der Gradation 5 wird hart zeichnend genannt, weil es scharfe Kontraste und wenig Grautšne bietet. Dazwischen liegen die Gradationen 2, 3 und 4, wobei die mittlere Gradation 3 am hŠufigsten benutzt wird. Daraus ergibt sich folgende Tabelle:
†ber die Auswahl des Papiers kann ich besondere gestalterische Effekte erzielen. Habe ich z.B. ein Architekturfoto, bei dem ich die grafischen Linien hervorheben und Grautšne mšglichst ausschalten will, so werde ich ein hart zeichnendes Papier (Gradation 4 oder 5) nehmen. Will ich dagegen bei einem PortrŠt die HŠrte der GesichtszŸge mildern (Weichzeichnereffekt) oder Hautunreinheiten unsichtbar machen, so werde ich ein weich zeichnendes Papier (Gradation 1 oder 2) nehmen. Bei der Belichtung muss ich allerdings die relative Unempfindlichkeit des extra harten Papiers berŸcksichtigen und die Zeit entsprechend verlŠngern, bei extra weichem Papier muss ich analog die Belichtungszeit wegen der hšheren Empfindlichkeit verkŸrzen. Die Papierwahl ermšglicht mir darŸber hinaus auch eine Korrektur des Negativs. Habe ich z.B. einen hoch empfindlichen Film mit grobem Korn und wenig Kontrast benutzt, weil die BeleuchtungsverhŠltnisse schlecht waren, und ein entsprechend flaues, kontrastarmes Negativ bekommen, so kann ich die Grautšne ausgleichen und zusŠtzliche Kontraste gewinne. Im umgekehrten Fall - kontrastreiches Negativ mit wenig Grautšnen - korrigiere ich den "Fehler" durch die Wahl eines weichen Papiers mit wenig Kontrast und mehr Grautšnen. Moderne Papiere - sog. Kontrastwandelpapiere - bieten einen zusŠtzlichen Komfort. Statt fŸnf verschiedene Papiersorten mit unterschiedlicher Gradation vorrŠtig halten zu mŸssen, genŸgt eine Sorte. Die Gradation - also die Kšrnigkeit, den Kontrast und die Grautšne - korrigiere ich dann durch die Wahl unterschiedlicher Filter, die ich vor das Objektiv des Vergrš§erers stecken muss. Inzwischen (2011) wird es zunehmend schwierig, Gradationspapier in Handel oder Versand zu bekommen. Der ambitionierte Hobbyfotograf wird daher zukŸnftig ganz auf Kontrastwandelpapier angewiesen sein. Er wird also einen Vergrš§erer mit Filterfach und einen Satz Filter benštigen. Schlie§lich gibt es noch Papiere unterschiedlicher Tšnung und OberflŠche. Getšntes Papier ist etwas aus der Mode gekommen. FrŸher war es Ÿblich, wei§es, gelblich getšntes (chamois) oder brŠunliches Papier zu benutzen. Heute wird Ÿberwiegend wei§es Papier angeboten und verarbeitet. Die OberflŠche kann aber nach wie vor gewŠhlt werden. Es gibt glŠnzende, halbmatte und matte OberflŠchen. Welche ich davon wŠhle, hŠngt einerseits vom persšnlichen Geschmack, andererseits aber auch vom Motiv ab. Ein PortrŠt auf Hochglanzpapier ist nach meinem Geschmack unmšglich, eine Technikaufnahme dagegen kommt u.U. erst bei Hochglanz zur Geltung. Schlie§lich unterscheiden sich auch die Papiere unterschiedlicher Hersteller im Charakter ihrer SchwŠrze voneinander. Auch hier ist es meistens Geschmacksache, fŸr welchen Hersteller und damit fŸr welches Schwarz ich mich entscheide. Auch hinsichtlich des Materials, aus dem das Papier hergestellt wird, gibt es Unterschiede: Baryt- und PE-Papier. Baryt ist immer noch auf einer Papierschicht aufgebaut, wŠhrend PE-Papier als HaupttrŠger eine Kunststofffolie aus Polyethylen (PE) besitzt. FŸr die Verarbeitung ergibt das deutliche Unterschiede. Da das Barytpapier sich stŠrker mit den Chemikalien (einschlie§lich Wasser) voll saugt, braucht es deutlich lŠngere Verarbeitungszeiten, besonders beim WŠssern (1 Stunde) und Trocknen. Der Vorteil von Baryt-Papier besteht darin, dass es deutlich lŠnger haltbar ist (mindestens 60 - 70 Jahre bei guter Lagerung), also nicht so schnell verblasst. PE-Papier hat den Vorteil - insbesondere in Verbindung mit speziellen "Speed"-Chemikalien (Entwickler, Fixerer) - eine sehr schnelle Verarbeitung zu ermšglichen. Der Nachteil besteht in der deutlich kŸrzeren Haltbarkeit: nach ca. 10 Jahren verblasst das Foto und das Kunststoffmaterial wird vor allem unter UV-Einflu§ brŸchig. Ob Baryt- oder PE-Papier schšner in der Wirkung ist, bleibt dem persšnlichen Geschmack Ÿberlassen. Manche Fotograf/innen schwšren auf Baryt, das eher dem traditionellen Papierfoto Šhnelt. Abschlie§end noch einiges zum Papierentwickler. Wie bei der Negativentwicklung ist auch hier die Temperatur des Entwicklers wichtig fŸr die QualitŠt des Ergebnisses. Einerseits wird auch hier die Dauer der Entwicklung davon beeinflusst, ob der Entwickler wŠrmer oder kŠlter ist. Davon abgesehen bekommt man bei zu kaltem Entwickler Bilder, die wie unterbelichtet aussehen, mit grauen Schleiern und matten Lichtern; Šhnlich werden auch Bilder, die in zu altem, verbrauchtem Entwickler bearbeitet wurden. Zu warmer Entwickler bewirkt Vergrš§erungen, die wie Ÿberbelichtet wirken, mit brŠunlichem Ton. Es empfiehlt sich also auch hier, die mittlere Temperatur von 20¡ C. einzuhalten. Auch bei den Ÿbrigen BŠdern darf die Temperatur mšglichst gar nicht, wenn dann hšchstens 5¡ C davon abweichen. Das ist insbesondere beim SchlusswŠssern mit laufendem Leitungswasser vor allem im Winter manchmal schwierig. HŠlt man sich nicht an diese Regel, kšnnen die Kornzusammenballungen sich flŠchig zusammenziehen, so dass ein netzfšrmiges Muster entsteht, das sog. Runzelkorn. Dieser Effekt kann Ÿbrigens auch beim Negativ entstehen; dann ist der Fehler aber im Unterschied zum Papierabzug irreparabel, den ich wiederholen kann.
Zu "Fotografische Techniken im Fotolabor" siehe Blatt A 15.
JŸrgen Fiege 2011 ãDie Dauer des AugenblicksÒ Ein foto-pŠdagogisches Handbuch T 6 ÊÊÊÊ Bildgestaltung, Bildsprache: Komposition ÊÊÊÊA 18, 19, D 2 †ber den goldenen Schnitt darf der Fotograf nicht nachdenken. Die Grundlage ist die Geometrie, das gšttliche VerhŠltnis. Der Fotograf wei§ intuitiv, wo es liegt. Man kann den goldenen Schnitt auch mit dem Zirkel bestimmten, aber der Fotograf ermittelt ihn mit Augenma§. Das GefŸhl dafŸr hat man, oder auch nicht. Aber man kann es entwickeln. Man kann lernen zu lieben und man kann lernen zu betrachten. In Texten von und Ÿber Kunst-Fotografie kommt fast nie vor, mit welcher Kamera sie Fotografieren. Bei Amateuren – vor allem mŠnnlichen - wird fast nur Ÿber Technik und Zubehšr gefachsimpelt. Mit dem Objektiv kann man alles andere ausschlie§en und einen neuen Mikrokosmos schaffen. Bevor wir in die Details dieses Teils einsteigen, mŸssen einige definitorische Bestimmungen vorgenommen werden, damit wir uns verstŠndigen kšnnen. In der Literatur gehen die Definitionen fŸr die Begriffe Bildsprache, Bildgestaltung und Komposition teilweise durcheinander, sind widersprŸchlich oder werden nicht prŠzise vorgenommen. Den Begriff "Komposition" werde ich im Folgenden als Ÿbergeordnet verwenden. Er stammt aus der Malerei und geht davon aus, dass Formen, Linien und Farben in einem bestimmten, beschreibbaren VerhŠltnis auf die FlŠche des Bildes verteilt sind. In der Fotografie wird dieser Begriff hŠufig mit "Bildgestaltung" gleichgesetzt. Dabei wird oft davon ausgegangen, dass die Absicht und das aktive Handeln des Gestalters und die Wirkung auf den Betrachter identisch sind. Ich werde im Folgenden dagegen den Begriff "Bildgestaltung" nur fŸr das aktive Handeln des Gestalters verwenden, da die Wirkung der Gestaltung auf den Betrachter bisher nicht zweifelsfrei und eindeutig geklŠrt ist. Der Begriff "Bildsprache" ist insofern passend, als bestimmte Bildelemente tatsŠchlich aufgrund wahrnehmungsphysiologischer Bedingungen oder gesellschaftlicher †bereinkunft Zeichencharakter haben, die vom Betrachter - mehr oder minder eindeutig - "gelesen" werden kšnnen. Dieser Begriff bezieht sich auf die Wahrnehmung des Betrachters ebenso wie auf die Absicht des Gestalters. Bildsprache ist demnach ein Kommunikationssystem Šhnlich der gesprochenen Sprache, mit dem Unterschied, dass es sich bei der Bildsprache um eine Ein-Weg-Kommunikation handelt, bei der der Gestalter der "Sprechende", und der Betrachter der "Hšrende" ist; eine Antwort im Sinne des mŸndlichen GesprŠchs (Zwei-Weg-Kommunikation) gibt es dabei nicht. Feininger (Kompositionskurs, S. 29) definiert Komposi-tion als "Formgebung durch Anordnung. Das umfasst KlŠrung, Betonung, Konzentration, Isolation, HinzufŸgen, Wegnehmen, Neuordnen, Verbessern, AuswŠhlen und Verwerfen von Ideen, Konzepten, Aspekten des Motivs und Komponenten des Bildes auf der Grundlage der Auswahl".
Damit ist zugleich gesagt, dass es ein aktives Tun und nicht zufŠlliges Ergebnis ist. Dies unterscheidet dann auch den professionellen oder Hobbyfotografen vom Amateurfotografen oder "Saisonkonformisten" (Bourdieu): WŠhrend dieser ein Bild komponiert, d.h. die Bildelemente absichts- und planvoll zusammenstellt und dabei ihre Wirkung auf den Betrachter kalkuliert, knipst jener drauflos und hofft, dass unter der Masse der fertigen Bilder einige "schšne" oder "gelungene" dabei sind, wobei nicht einmal klar wird, was schšn und gelungen ist. Die "Regeln" der Bildgestaltung und Bildsprache gelten prinzipiell fŸr alle Bereiche der Fotografie. Insbesondere in der kŸnstlerischen Fotografie, auch in der Dokumentarfotografie kommen allerdings immer wieder Abweichungen vor, ja machen teilweise den besonderen Reiz der jeweiligen Bilder aus: gerade das Abweichen von den akademischen Regeln, von der Konventionen und gewohnten Sehweisen, macht hŠufig den Reiz von Fotos aus (siehe Kap.9.9). Eine besondere Rolle spielt in der Bildgestaltung wie in anderen Zeichensystemen das Symbol. So werden DreidimensionalitŠt und Bildtiefe im Bild durch bestimmte Symbole gekennzeichnet: anscheinende VerjŸngung der in Wirklichkeit parallelen Linien, durch Verkleinerung, VerkŸrzung, †berlappen, Licht und Schatten. So wird die Illusion einer Tiefenwirkung erzeugt. Oder Bewegung wird durch UnschŠrfe symbolisiert (vgl. Feininger: Fotolehre, S. 246 ff. und S. 379 ff.). Die Bildsprache ist ein komplexes System von Bildsymbolen, die jeweils durch gesellschaftliche †bereinkunft, wahrnehmungsphysiologische Voraussetzungen oder Tradition einen bestimmten Bedeutungsinhalt haben. Die Wahl der bildsprachlichen Mittel ist daher auch nicht beliebig, denn jedes Symbol lšst bei Betrachtern eines bestimmten Kulturkreises, einer bestimmten Sozialstruktur spezifische Assoziationen aus. Gute Berufs- oder Hobbyfotografen werden daher die Wahl ihrer bildgestalterischen Symbole bewusst und sorgfŠltig treffen. VilŽm Flusser (Philosophie, S. 8) geht das Problem von der philosophischen Seite an. Er bezeichnet das "Schweifen (des Betrachters) Ÿber die BildoberflŠche als 'Scanning'". "Dabei folgt der Blick einem komplexen Weg, der zum einen von der Bildstruktur, zum anderen von den Intentionen des Betrachters geformt ist. (...) Die Bedeutung des Bildes (...) stellt demnach eine Synthese zweier Intentionen dar: jener, die sich im Bild manifestiert, und jener des Betrachters." Bilder sind demnach "mehrdeutige Symbolkomplexe: Sie bieten Raum fŸr Interpretationen." Daraus folgt: Je komplexer ein Bild ist, desto mehr Interpretationsmšglichkeiten bietet es. Die Gebrauchs- und Werbefotografie, aber auch das Dokumentar- oder Propaganda-Foto werden mšglichst einfach sein, damit die vom Fotografen intendierte Wirkung beim Betrachter erreicht wird. Umgekehrt wird das kŸnstlerische Foto komplexer sein und sehr viele Interpretationsmšglichkeiten šffnen. €hnlich, aber systematischer geht Barthes (Kammer, S. 41 ff) vor. Er stellt fest, dass gute, interessante, aufregende, einprŠgsame Fotos bestimmte Elemente aufweisen:
Umgekehrt stellt er (S. 50 ff) fest, dass schlechte, langweilige Fotos einfšrmig sind: die Komposition ist einheitlich, das Fotos bedient sich einer akademischen Rhetorik. Als Beispiel fŸhrt er Reportagefotos, die schockierend, aber nicht bewegend sind, und pornografische Fotos an, die ausschlie§lich das Geschlechtliche ausstellen. Die Gebrauchsfotografie, insbesondere die Werbefotografie folgen den GesetzmЧigkeiten der Bildgestaltung in der Regel sehr genau. Sie richten sich an ein Massenpublikum; d.h. sie mŸssen in erster Linie mit Klischees arbeiten, die von allen, mindestens der Mehrzahl sofort verstanden werden. Ein Werbeplakat, bei dem ich erst die Bildsprache mŸhsam zusammenbuchstabieren muss, hat schon verloren. Aber: auch die Werbung kann nicht die immer gleichen optischen VersatzstŸcke wieder und wieder verwenden, ohne langweilig zu werden. Angesichts hoher Konkurrenz zwischen wenigen gro§en Monopolisten der wichtigsten KonsumgŸter, bei der es hŠufig um Marktanteile von Prozentbruchteilen geht, mŸssen die Werbefachleute sich stŠndig neue Gags einfallen lassen, um die Aufmerksamkeit der Betrachter (und Konsumenten) anzuziehen. Hierbei kommt es aber wieder auf den Balanceakt an, vertraute (Bild-) Elemente mit neuen, sensationellen zu verbinden. So kann der altbekannte Werbeslogan mit einem neuen Bild versehen werden. Oder ein bekanntes Bild oder Symbol wird mit einem neuen Text versehen usw. Dabei muss aber immer auch die Zielgruppe der Werbung berŸcksichtigt werden. Jugendliche z.B. benutzen und verstehen andere Symbole als Erwachsene, "gebildete" Erwachsene erwarten andere Sensationen als "ungebildete", Reiche reagieren auf bestimmte Symbole oder Zeichen, die Armen unbekannt sind, usw. Eine Sektedelmarke wird kaum einen SozialhilfeempfŠnger bildlich prŠsentieren; es sei denn als - meiner Meinung nach zynischen und geschmacklosen - Gag, dann allerdings eher einen Obdachlosen, um die ironisierende Wirkung zu verstŠrken. Eine Werbekampagne analysiert daher zunŠchst die Zielgruppe, legt dann das VerhŠltnis von Klischee und neuer Symbolik fest, arbeitet das Spezifische des Produkts fŸr die Zielgruppe heraus und entwickelt daraus ihre Strategie und ihre Zeichensprache. Das Ergebnis wird im Gro§versuch mit einer reprŠsentativen Bevšlkerungsgruppe getestet, ggf. verŠndert und erst dann veršffentlicht. Nach dieser Vorbemerkung will ich nun in den folgenden Kapiteln 1. bis 8. einige fotospezifische Gestaltungselemente vorstellen, die als fotografische Symbole benutzt und interpretiert werden kšnnen. Im Kapitel 9. werden dann fotospezifische bildsprachliche Elemente und ihre Bedeutung nach den Regeln der akademischen Gestaltungslehre untersucht. 1. Einstellungsgrš§en (siehe Blatt A 18 und D 2) Wesentliches Element der fotografischen Arbeit ist die Isolation des Motivs von der Umgebung. Jedes Foto ist nur ein geringer Ausschnitt dessen, was der Mensch sieht. Da das Foto zudem in jedem Fall ein verkleinertes Abbild der Wirklichkeit wiedergibt, ist dieser Isolationsprozess um so bedeutsamer und muss sehr sorgfŠltig vorgenommen werden: alle stšrenden Bildelemente - hŠsslicher oder unpassender Hinter- oder Vordergrund, GegenstŠnde oder Personen, die nicht zum eigentlichen Motiv passen, stšrendes Licht, unpassende Farben etc. - mŸssen ausgeschlossen werden, damit die Aufmerksamkeit des Betrachters nicht vom Wesentlichen abgelenkt wird. Eins der wichtigsten Mittel dazu ist die Wahl des Bildausschnitts. Dieser wird entweder dadurch bestimmt, dass der Fotograf mehr oder weniger dicht an das Motiv herangeht; je nŠher er dem Motiv ist, desto geringer ist der Bildausschnitt, desto weniger Einzelheiten sind auf dem Bild, desto grš§er werden diese aber auch; je weiter er weggeht, desto mehr Bildinformationen werden aufgezeichnet, aber entsprechend kleiner. Es kommt also darauf an, bei der Aufnahme, spŠtestens jedoch bei der Anfertigung des Positivs die folgenden Prinzipien zu berŸcksichtigen: - Isolierung der wichtigsten Bildaussage; - Reduktion der Bildinformation auf das Wesentliche; - Ausschlie§en aller stšrenden Bildinformationen; - Herstellen mšglichst gro§er NŠhe zum Objekt; - dies kann geschehen durch Verringerung des Abstands zwischen Kamera und Objekt oder durch Verwendung eines Objektivs mit langer Brennweite. In Anlehnung an die von der Filmanalyse entwickelten Begriffe wird auch in der Fotografie von den folgenden Einstellungsgrš§en gesprochen (siehe Blatt A 16):
Die Definition der Einstellungsgrš§en ist nur systematisch mšglich. In der Praxis der Bildanalyse kann es immer wieder Meinungsverschiedenheiten darŸber geben, welche Einstellungsgrš§e gerade vorliegt. Es handelt sich bei diesen Begriffen immer nur darum, eine VerstŠndigungsebene zu finden, nicht um Dogmen. FŸr alle Einstellungsgrš§en gilt: je grš§er die Einstellung sein soll, desto nŠher muss die Kamera am Objekt sein oder desto lŠnger muss die Brennweite des Objektivs sein, wenn der Kamerastandpunkt nicht verŠndert werden soll. Unter bildsprachlichen Gesichtspunkten ist wichtig, dass grš§ere Einstellungen mehr NŠhe oder IntimitŠt herstellen, kleinere Einstellungsgrš§en dagegen Distanz und †bersicht. 2. Perspektive (siehe Blatt A 18) Unter Perspektive werden in der Literatur verschiedene Dinge verstanden. Freier (Lexikon der Fotografie, S. 261 f.) definiert: "Darstellung der dreidimensionalen, kšrperlich-rŠumlichen Wirklichkeit in einem zweidimensionalen Bild, so da§ das Motiv auf der BildflŠche einen annŠhernd gleichen Seheindruck hinterlЧt wie das Motiv in der Wirklichkeit selbst; Ziel einer perspektivischen Darstellung ist also die Illusion von RŠumlichkeit." Dieser Effekt lЧt sich durch verschiedene Gestaltungsmittel herstellen. "Sie tŠuscht vom einŠugigen Sehen her Ÿbertragen, RŠumlichkeit derart vor, da§ sich alle in Wirklichkeit parallelen, in die Tiefe verlaufenden Linien in einem Fluchtpunkt schneiden. Daraus resultiert eine kontinuierliche Verkleinerung der Dinge vom Vordergrund zum Hintergrund hin. Das Ma§ der Verkleinerung erfolgt proportional zur Entfernung." Perspektive in diesem Sinne dient also dazu, die DreidimensionalitŠt der Wirklichkeit so auf die zweidimensionale Ebene des Bildes zu Ÿbertragen, dass der Eindruck von RŠumlichkeit und Tiefe fŸr den Betrachter entsteht. Das Mittel der Zentralperspektive - das sich beim Foto sozusagen automatisch herstellt - ist nur eins unter mehreren. Daneben gibt es eine Reihe von Bildsymbolen, die dem gleichen Zweck dienen. So kann die Tiefenwirkung eines Fotos durch die Luftperspektive verstŠrkt werden: durch die optische Wirkung des Dunstes in der Luft (Staub, Feuchtigkeit, Flimmern) entsteht mit zunehmendem Abstand zwischen Kamera und Horizont ein Schleier, der Bildtiefe signalisiert. Durch eine spezifische Verteilung von Licht und Schatten kann Raumtiefe erreicht werden. Auch die Anordnung von Objekten in unterschiedlichem Grš§enma§stab auf dem Foto kann Tiefe signalisieren: so kšnnen BŠume oder Zweige am Bildrand bei Landschaftsaufnahme einen Rahmen bilden, der Tiefe darstellt; oder durch †berlappung von GegenstŠnden kann dieser Effekt erzielt werden; durch Linien oder Diagonalen, die vom Bildrand im Vordergrund zur optischen Bildmitte im Hintergrund fŸh- Einstellungsgrš§en (v.l.o.n.r.u.): Totale, Amerikanische, Nah, Gro§ ren, kann Raumtiefe erzielt werden. Diese Effekte kšnnen durch die Wahl des Abstands vom Motiv, den Bildwinkel des Objektivs (durch eine lange Brennweite kann grš§ere Tiefe erreicht werden) oder durch den Aufnahmewinkel erzielt werden. Festzuhalten ist aber in diesem Zusammenhang, dass die Wahrnehmung der Perspektive als dreidimensionale Bildtiefe ein Ergebnis erlernter Sehweisen ist. Die Renaissance entdeckte die Zentralperspektive – wieder, denn bekannt war sie bereits im Altertum. Fluchtpunkt der Zentralperspektive ist das Individuum, Objekt ist die reale Welt. Die Neuzeit betrachtete die Welt vom individuellen Standpunkt auf objektive Weise. Wenn man den Beginn der Renaissance auf 1500 – natŸrlich willkŸrlich gewŠhlt – terminiert, dann dauerte es noch 300 Jahre, bis sich in der AufklŠrung der Blick von den objektiven Welt auf die Gesellschaft erweiterte. Das Mittelalter hatte diesen ãsoziologischen BlickÒ bereits, wenn auch mit ganz anderer Intention. Hier steht der gesellschaftliche Kosmos in seiner hierarchischen Struktur im Focus. In der bildnerischen Darstellung werden die fest gefŸgten VerhŠltnisse gezeigt, indem die MŠchtigeren –Klerus, Adel – gro§, die Untertanen klein abgebildet werden. In der Zentralperspektive seit der Renaissance sind gro§ und klein Metaphern fŸr nah und fern, fŸr rŠumliche Tiefe in der zweidimensionalen Wiedergabe. Die Zentralperspektive war Jahrhunderte lang die Šsthetische Norm der Malerei und wurde auch von der Fotografie Ÿbernommen. Dabei war bedeutsam, dass bei der Malerei wie der Fotografie der Perspektivpunkt (also der Fluchtpunkt der Linien) in der Kšrpermitte der abgebildeten Menschen lag. Rodtschenko (Experiment, S. 78) nennt dies in einem Text von 1928 die "Bauchnabelperspektive" und spricht sich vehement gegen die Benutzung dieser traditionellen Sichtweise in der Fotografie aus. "Der neue, schnelle und realistische Spiegel der Welt - die Fotografie - mŸ§te bei seinen Mšglichkeiten, so scheint es, sich damit befassen, die Welt von allen Blickpunkten aus zu zeigen, und die FŠhigkeiten lehren, sie von allen Seiten zu sehen. Aber da fŠllt die Psyche 'des Bauchnabels' von der Malerei mit ihrer jahrhundertelangen AutoritŠt Ÿber den zeitgenšssischen Fotografen her; (...)." Er fŸhrt weiter aus "da§ fŸr die zeitgenšssische Fotografie die interessantesten Blickwinkel die von oben nach unten oder von unten nach oben sind, (...)."
Konsequent hat er dem Betrachter die extremsten Perspektiven in seinen Fotos zugemutet. Wie alle radikalen Neuerer in der Kunst wurde er heftig angegriffen und seine Bilder wurden zunŠchst in der Sowjetunion boykottiert. Nach und nach setzte sich seine Sichtweise aber durch und fŸr uns sind heute extreme Perspektiven in der Fotografie eher selbstverstŠndlich und haben einen besonderen Reiz. [12] Zur besseren VerstŠndigung werden die folgenden Begriffe fŸr die unterschiedlichen Perspektiven in der Fotografie benutzt: 1. Vogelperspektive: die Kamera befindet sich weit Ÿber dem Objekt und guckt auf dieses hinunter. 2. Extreme Obersicht: die Kamera befindet sich deutlich Ÿber dem Objekt. 3. Leichte Obersicht: die Kamera befindet sich nur etwas oberhalb des Objekts. 4. Augenhšhe: die Kamera befindet sich auf gleicher Hšhe mit dem Objekt. 5. Leichte Untersicht: die Kamera befindet sich nur etwas unter dem Objekt. 6. Extreme Untersicht: die Kamera befindet sich deutlich unter dem Objekt. 7. Froschperspektive: Die Kamera befindet sich weit unter dem Objekt und guckt zu diesem hinauf.
3. SchŠrfe und UnschŠrfe (siehe BlŠtter A 4, A 5, A 6, A 7, T 2, T 4) In den Texten T 2 und T 4 wurde bereits auf die gestalterische Bedeutung der SchŠrfe bzw. UnschŠrfe im Bild hingewiesen. Dies soll an dieser Stelle noch einmal systematisiert und vertieft werden.
Normalerweise geht man davon aus, dass ein Foto mšglichst vom Vorder- bis zum Hintergrund gleichmЧig scharf sein soll, so dass alle Details klar zu erkennen sind. Technisch perfekt lŠsst sich das nie erreichen; Korn in Film und Fotopapier, TiefenunschŠrfe, bestimmte BewegungsunschŠrfen, der Lichthof u.a. Faktoren stehen dem entgegen. Andererseits haben die Fotografen die UnschŠrfe als gestalterisches Mittel entdeckt und setzten sie als Symbol fŸr bestimmte Bedeutungsinhalte ein. †ber die BewegungsunschŠrfe als Symbol fŸr Geschwindigkeit wurde bereits geschrieben (Text T 2). Streng genommen handelt es sich bei der Darstellung von Geschwindigkeit bzw. Bewegung allerdings nicht um ein UnschŠrfephŠnomen, denn bestimmte Bildteile sind ja scharf und zwar die, auf die es ankommt. Feininger (Richtig sehen, S. 142 ff.) spricht daher vom "Verwischungseffekt", wenn der Fotograf z.B. mitrei§t. Auch die Aufnahme aus dem fahrenden Auto in Fahrtrichtung, bei dem die BildrŠnder durch BewegungsunschŠrfe ganz unscharf sind, wŠhrend zum Fluchtpunkt die SchŠrfe zunimmt, fŠllt unter diese Kategorie. UnschŠrfen lassen sich aber auch auf andere Weise herstellen und kšnnen zusŠtzlich andere Inhalte symbolisieren. Eine Methode ist die Nutzung des Korns von Film und Papier, um einen Weichzeichnereffekt z.B. bei Akt- oder PortrŠtfotos zu erzielen, bei denen es darauf ankommt, nicht jedes Detail zu zeigen. Der gleiche Effekt lŠsst sich auch erzielen, wenn man die Kamera mit einem weichzeichnenden Filter versieht. Auch mit Hilfe des Zoomobjektivs lŠsst sich eine UnschŠrfe herstellen, wenn man wŠhrend der Aufnahme den Zoom von einer kurzen Brennweite auf eine lange verstellt. Dadurch entsteht im Randbereich eine UnschŠrfe, die - Šhnlich wie beim Wischeffekt - Bewegung symbolisieren kann. Neben der bewussten gestalterischen Nutzung der BewegungsunschŠrfe ist die Anwendung der TiefenunschŠrfe der am hŠufigsten angewandte Effekt. Hier macht der Fotograf sich die Tatsache zunutze, dass bei relativ offener Blende die Aufnahme von einem UnschŠrfebereich im Vordergrund Ÿber einen zunehmenden SchŠrfebereich bis zum schŠrfsten Punkt, auf den das Objektiv scharf gestellt ist, und dahinter wieder abnehmender SchŠrfe reicht. Durch das …ffnen oder Schlie§en der Blende und die Wahl der Entfernungseinstellung kšnnen bestimmte Bildpartien hervorgehoben oder ausgegrenzt werden. Dies kann z.B. ein Mittel sein, um Tiefe zu symbolisieren. "Die GegenŸberstellung von SchŠrfe und UnschŠrfe ist ein grafischer Beweis fŸr Tiefe." (Feininger, Fotolehre, S. 372) Durch die Verbindung von SchŠrfe und UnschŠrfe in einem Bild kann der Fotograf auch die Aufmerksamkeit des Betrachters steuern ("selektive SchŠrfe"), dessen Blick zunŠchst den scharfen Bildteilen gilt. Auch um verschiedene Objekte in unterschiedlicher Entfernung von der Kamera grafisch zu trennen, kann man das Mittel der UnschŠrfe einsetzen. Ebenso kann die grafische Trennung von Objekten, die in der Tiefe des Bildes gestaffelt sind und ineinander Ÿberlaufen, durch SchŠrfe und UnschŠrfe erzielt werden.
In Text T 5 (Arbeiten im Positivlabor) wurde bereits die Technik der Verzerrung erlŠutert. Hierbei handelt es sich ebenfalls um den Einsatz der UnschŠrfe zu gestalterischen Zwecken. Durch Verzerrung (Kippen oder Hochwšlben des Papier bei der Vergrš§erung) werden bestimmte Bildteile unscharf, wŠhrend andere scharf werden. Auf diese Weise kann ein Motiv in der Nachbearbeitung so manipulieren werden, dass z.B. BewegungsunschŠrfe, Dynamik u.Š. dargestellt werden. 4. Brennweiten (siehe Blatt A 7) Die Wahl der Brennweite eines Objektivs ist nicht nur eine technische, sondern vor allem eine gestalterische Frage, manche Fotografen machen sie sogar zur Prinzipienfrage. Wir wollen an dieser Stelle daher Ÿber das hinausgehen, was in Text T 2 behandelt wurde. ZunŠchst bleibt festzuhalten, dass das Normalobjektiv der menschlichen Sehweise am nŠchsten kommt. Zwar hat das menschliche Auge einen Gesichtskreis von annŠhernd 360¡ die Randbereiche werden aber anders wahrgenommen, als die zentralen: einerseits sieht das Auge im Randbereich nur noch schwarz-wei§ und nicht mehr farbig, es nimmt nur noch Bewegungen wahr; andererseits konzentriert sich das Hirn auf einen Bildwinkel von ca. 45¡ was ungefŠhr dem entspricht, was auch das Normalobjektiv mit 50 mm Brennweite wiedergibt (siehe Blatt A 19). Auch die Grš§enverhŠltnisse der abgebildeten Objekte zueinander, insbesondere der Abstand der verschiedenen Objekte von einander entsprechen beim Normalobjektiv dem Seheindruck des Menschen am ehesten. Jede lŠngere oder kŸrzere Brennweite verŠndert das Bild in spezifisch gestalterischer Weise. Die Ÿbliche Gebrauchsweise des Teleobjektivs ist, dass man es wie ein Fernglas benutzt: weil der Fotograf nicht nahe genug ans Objekt heran kommt oder will, verkŸrzt er die Distanz zwischen sich und dem Objektiv durch eine grš§ere Brennweite. Dabei wird hŠufig die gestalterische Wirkung der lŠngeren Brennweite vernachlŠssigt. Besonders Fotojournalisten benutzen extreme Teleobjektive sehr hŠufig, um darŸber hinwegzutŠuschen, dass sie nicht dicht am Objekt sind. Aus demselben Grund verwenden bestimmte Dokumentarfotografen (s. Kap. 9.9, BlŠtter A 21, A 22 und Texte T 7, P 5) bevorzugt Normal- oder gar Weitwinkelobjektive, weil sie durch ihre Bilder, aber auch durch die AufnahmenŠhe dokumentieren wollen, dass sie sich mitten im Geschehen befinden, Teil der Wirklichkeit sind, die sie abbilden. Feininger dagegen schreibt (Fotolehre, S. 363): "Ich persšnlich finde diese Art der Perspektive (mit langer Brennweite) besonders schšn, weil sie das natŸrliche Grš§enverhŠltnis zwischen den abgebildeten Objekten bewahrt, soweit das in einem Foto mšglich ist." Was hier vordergrŸndig als ideologischer Widerspruch erscheint, hat einerseits etwas damit zu tun, welche Art von Fotos fŸr welchen Zweck man macht und welchen Gestaltungsprinzipien man den Vorrang gibt. Worin bestehen nun die gestalterischen Unterschiede zwischen Objektiven verschiedener Brennweite? Beginnen wir mit dem Teleobjektiv (ab ca. 70 mm Brennweite mit einem Bildwinkel von weniger als 45¡ Von der Teleraffung bei langen Brennweiten habe ich bereits geschrieben, auch davon, dass bei lŠngerer Brennweite die TiefenschŠrfe abnimmt. Ich kann also durch eine Teleraffung den Eindruck von Enge gestalterisch hervorrufen, weil die AbstŠnde zwischen den GegenstŠnden verringert zu werden scheinen. Au§erdem kann ich durch geringe TiefenschŠrfe den Blick des Betrachters auf einen bestimmten Bereich der gesamten Aufnahme konzentrieren. Ich kann aber auch durch den relativ gro§en Abstand vom Objekt die Aufnahmeperspektive verŠndern. Wenn ich z.B. ein Hochhaus mit einem Normalobjektiv formatfŸllend fotografiere, bekomme ich eine extreme Untersicht und damit zusammenhŠngend stŸrzende Linien nach oben, weil ich relativ dicht an das Haus herangehen muss. Will ich die Untersicht und die stŸrzenden Linien vermeiden, muss ich weiter vom Objekt weggehen. Bei gleichbleibender Brennweite (50 mm Normalobjektiv) wird das Haus im VerhŠltnis zur Umgebung kleiner und ist nicht mehr formatfŸllend, der Bildeindruck verŠndert sich, das Haus als eigentliches Objekt tritt gegenŸber der Umgebung und dem Vordergrund zurŸck. Will ich all das vermeiden, dann benutzte ich das Teleobjektiv: ich kann weit genug vom Objekt, meinem Hochhaus weggehen und vermeide so die extreme Untersicht; ich kann dennoch das Haus formatfŸllend abbilden, weil das Teleobjektiv, das Objekt "heranholt". Voraussetzung dafŸr ist natŸrlich, dass es mir physisch mšglich ist, den Abstand zwischen mir und dem Hochhaus beliebig zu vergrš§ern. In einer engen Stra§enschlucht sto§e ich dabei schnell an Grenzen. Allerdings handele ich mir bei langer Brennweite die Nachteile von geringer TiefenschŠrfe und - bei nicht ganz klarem Wetter - der Luftperspektive ein. Wie bei allen gestalterischen Techniken habe ich daher die Wahl zwischen verschiedenen Mšglichkeiten.
Feininger (Fotolehre, S. 362) empfiehlt auch fŸr PortrŠtaufnahmen lŠngere Brennweiten, "weil sie Bilder in grš§erem Ma§stab geben und dementsprechend einen grš§eren Abstand zwischen Bildgegenstand und Kamera erfordern, was wiederum eine bessere Perspektive ergibt." Auch auf die geringere Verzeichnung des Grš§enma§stabs weist er in diesem Zusammenhang hin. Eine weitere Eigenschaft des Objektivs mit lŠngerer Brennweite besteht darin, dass Objekte von gleicher Grš§e auch bei unterschiedlichem Abstand von der Kamera im Foto mit relativ geringen Grš§enunterschieden abgebildet werden. Bei grš§erer Brennweite und grš§erem Aufnahmeabstand vom Objekt wird die Verkleinerung immer geringer. Sollen also die natŸrlichen Grš§enverhŠltnisse der GegenstŠnde zueinander auch in der Tiefe des Bildes wiedergegeben und Verzeichnungen vermieden werden, sollte der Fotograf einen gro§en Aufnahmeabstand und ein Objektiv mit langer Brennweite wŠhlen. Alle Eigenschaften des Teleobjektivs werden mit zunehmender Brennweite stŠrker betont: die Teleraffung, die Luftperspektive, die geringere TiefenschŠrfe, die geringere perspektivische Verzeichnung, das ZurŸcktreten des Vordergrunds, die abnehmende Bildtiefe sowie die Abbildung der natŸrlichen Grš§enverhŠltnisse der Objekte zueinander. Das Gegenteil dessen, was das Teleobjektiv leistet, tritt beim Gebrauch des Weitwinkelobjektivs ein. Das Weitwinkelobjektiv hat eine Brennweite von weniger als 40 mm und einen Bildwinkel von mehr als 45¡. Je kleiner die Brennweite, desto dichter muss ich an das Objekt herangehen, um es formatfŸllend abzubilden, desto grš§er ist die perspektivische Verzeichnung. Das atmosphŠrische Flimmern nimmt ab, die TiefenschŠrfe und die Bildtiefe nehmen zu, die Abbildung der Grš§enverhŠltnisse wird verfŠlscht, der Vordergrund wird betont. Im Extremfall entsteht die Weitwinkelverfremdung: alle geraden Linien - au§er denen, die auf das Objektiv zulaufen, - werden gebogen wiedergegeben.
Ein Motiv – zwei Einstellungen: Weitwinkel (links), Tele (rechts). Links deutlich erkennbar die stŸrzenden Linien (Weitwinkelverfremdung), das rechte Foto entspricht eher dem optischen Eindruck, den wir gewohnt sind. Benutzt wird das Weitwinkelobjektiv in allen FŠllen, in denen der Fotograf nicht genŸgend Abstand vom Objektiv nehmen kann, z.B. bei Architekturaufnahmen in engen Stra§en. In diesem Fall ist das Objektiv das Hilfsmittel fŸr ungŸnstige AufnahmeverhŠltnisse. Der gestalterische Preis dafŸr sind die ungŸnstige Perspektive und die stŸrzenden Linien. DarŸber hinaus empfiehlt sich das Weitwinkelobjektiv fŸr Aufnahmen, bei denen es um mšglichst gro§e TiefenschŠrfe geht, bei denen die Luftperspektive mšglichst ausgeschaltet werden soll oder bei denen der Vordergrund betont und der Hintergrund unterdrŸckt werden soll. Auch der Tiefeneindruck wird durch das Objektiv mit kurzer Brennweite verstŠrkt. Bevorzugt wird das Weitwinkelobjektiv verwendet, um ironisierende Verfremdungen oder andere spezifische Effekte zu erzielen. StŸrzende Linien in Verbindung mit der Untersicht oder Froschperspektive kšnnen die Aufmerksamkeit erregen, kšnnen einen satirischen Effekt haben. Durch diesen Verfremdungseffekt kšnnen die Wirkungen der Perspektive auf den Betrachter in ihr Gegenteil verkehrt werden (s. Kap. 2.). Insbesondere das Fischauge mit seiner sphŠrischen Perspektive, bei der alle nicht auf das Objektiv zulaufenden Linien gekrŸmmt wiedergegeben werden, eignet sich fŸr Verfremdungseffekte, die mit der Abbildung der Wirklichkeit wenig, mit dem Herstellen von Effekten und der damit verbundenen Aufmerksamkeit des Betrachters viel zu tun haben. 5. Raumperspektive (siehe Blatt A 16) Die Raumperspektive ist kein technisches Verfahren (wie z.B. die Froschperspektive, die durch den Kamerastandpunkt bewirkt wird), sondern ein gestalterischer Effekt, der durch die Zuordnung der einzelnen Motivteile zueinander entsteht. Im Wesentlichen entsteht Raumperspektive dadurch, dass Vorder- Mittel- und Hintergrund gestaffelt hintereinander erscheinen, so dass die Wirkung die ist, dass das Bild Tiefe hat, also die DreidimensionalitŠt der Wirklichkeit auch in der ZweidimensionalitŠt des Bildes symbolisiert wird durch eine bestimmte Anordnung der Bildteile zueinander. Bevorzugt wurde und wird das Prinzip in der Landschafts- und der Stadtfotografie verwendet. Vor allem in der Werbung wird die Raumperspektive benutzt, um die Richtung einer Bewegung zu signalisieren oder einen abstrakten Begriff wie "Tiefe" oder "Weite" oder "Unendlichkeit" zu symbolisieren. Man kann die Wirkung der Raumperspektive auch durch Anwendung technischer Mittel vertiefen, indem man ein Weitwinkelobjektiv und / oder eine Untersicht verwendet. Wenn z.B. die LŠnge eines Weges, seine Richtung und sein Ziel herausgearbeitet werden sollen, so wird man die Untersicht in Verbindung mit einem Objektiv mit kurzer Brennweite verwenden. Der Zielpunkt des Weges
wird dann so gewŠhlt, dass er mšglichst in der optischen Mitte des Bildes liegt. Der Weg selber sollte durch in die Tiefe des Bildes gestaffelte Motivteile markiert sein, so dass der Be-trachter gewisserma§en optisch in das Bild hinein gefŸhrt wird. 6. Beleuchtung (siehe Blatt A 18) FŸr den normalen Amateurfotografen spielt die Beleuchtung eine nachgeordnete Rolle. FŸr den gestaltenden Hobbyfotografen, den Werbeprofi oder den Kunstfotografen ist die Beleuchtung dagegen eins der wesentlichsten Gestaltungselemente. Am Beispiel der PortrŠtfotografie kann man sich das am ehesten klar machen. Beleuchte ich ein Gesicht mit hartem Licht von unten, bekommt es einen unheimlichen Ausdruck, ein Effekt, den sich der Horrorfilm zunutze macht. Beleuchte ich dagegen das Gesicht mit einem gleichmЧigen, weichen Licht, bekomme ich einen eher sinnlichen Eindruck, ein Mittel, das z.B. im Liebesfilm eingesetzt wird. Auch mit der Verteilung von Licht und Schatten, dem Kontrast usw. kann man bestimmte Effekte herstellen. ZunŠchst mŸssen die unterschiedlichen Charaktere des Lichts verdeutlicht werden. Das erste Unterscheidungsmerkmal ist die Helligkeit. Ein zweites Merkmal ist der Kontrast zwischen hell und dunkel. Drittens ist die Richtung des Lichts wichtig; man unterscheidet zwischen Vorder-, Seiten-, Gegen, Ober-, Unterlicht und direktem bzw. indirektem Licht. Schlie§lich spricht man von den unterschiedlichen QualitŠten des Lichts: diffuses, reflektiertes, gefiltertes und natŸrliches Licht. Die Helligkeit eines Bildes ist einmal von den LichtverhŠltnissen wŠhrend der Aufnahme, dann aber von der …ffnung der Blende, der Belichtungszeit und der Filmempfindlichkeit abhŠngig. Das bedeutet zugleich, dass ich bei vorgegebener Helligkeit durch die technischen Variablen der Kamera die Helligkeit der Aufnahme beeinflussen kann. Gleichzeitig oder statt dessen kann ich durch kŸnstliche Beleuchtungseffekte die Helligkeit erhšhen oder verringern: durch Zusatzscheinwerfer, Reflektoren, schattenwerfende Schirme u.Š. Bei hellem Licht werden Kontraste grš§er, die AtmosphŠre wirkt heiterer; bei dunklerem Licht wird eine dŸstere, traurige Stimmung erzeugt. Die Kontraste zwischen hell und dunkel sind abhŠngig von der IntensitŠt des Lichts und der Dichte der Schatten werfenden GegenstŠnde. Im Schatten eines Baums gibt es immer noch Licht zum Fotografieren; fotografiere ich dagegen aus dem hellen Licht heraus einen Baum, so werde ich die Dinge im Schatten des Baumes nicht abbilden kšnnen. Der Kontrast hŠngt auch vom Charakter des Lichts ab: kleine, punktfšrmige Lichtquellen erzeugen gro§en Kontrast mit scharfen schwarzen Schatten, gro§flŠchige Lichtquellen dagegen bringen nur wenige Kontrast. Die Richtung des Lichts beeinflusst vor allem die Richtung der Schatten, die gliedernde Wirkung auf das Motiv hat. So kann ich z.B. durch die Verteilung der Schatten auf dem Bild die PlastizitŠt und Tiefe eines Motivs herausarbeiten. Ein GebŠude mit Vorderlicht wird flach und konturlos aussehen; benutze ich dagegen Seitenlicht, werden die plastischen Konturen stŠrker herauskommen. Fotografiere ich dagegen im Gegenlicht, bekomme ich nur die Konturen des GebŠudes als Silhouette aufs Bild. Durch die Verteilung der Schatten kann ich Tiefe symbolisieren, wenn ein Schatten in Blickrichtung fŠllt oder wenn mehrere Schatten quer zur Blickrichtung hintereinander gestaffelt auftauchen. Durch Unter- oder Oberlicht kann ich den Ausdruck eines PortrŠts z.B. in der Theaterfotografie beeinflussen: mšchte ich einen unheimlichen Gesichtsaudruck unterstreichen, benutze ich Unterlicht; soll dagegen die Person flach, ausdruckslos erscheinen, benutzte ich Oberlicht. †ber die QualitŠt des Lichts kann der Fotograf die Stimmung des Fotos beeinflussen. Am einfachsten ist es beim natŸrlichen Licht, das aber unter Studiobedingungen sehr schwer herzustellen ist und wahre Meisterschaft voraussetzt. Diffuses Licht, das z.B. durch eine dichte Wolkendecke entsteht, wirkt kontrastarm, strahlt aber noch von oben und wirft schwache Schatten. Reflektiertes Licht ist fast schattenlos und daher kontrastarm; seine Wirkung besteht in geringer Bildtiefe und FlŠchigkeit des Motivs. Schon beim Fotografieren im Tageslicht muss der/die Fotografin/in die Beleuchtung berŸcksichtigen. Der Charakter einer Szene Šndert sich je nach dem, ob die Sonne scheint oder es bedeckt ist, es Tag ist oder Nacht, die Sonne hoch steht oder flach, Sommer oder Winter ist, es Morgen, Mittag oder Abend ist, wir in der Stadt, auf freiem Feld, im Hochgebirge oder an der See fotografieren, etc. Es Šndern sich jeweils der Lichteinfall und der Schattenwurf. Wird
kŸnstliches Licht in geschlossenen RŠumen verwendet, muss die Wirkung von Licht und Schatten besonders genau beachtet werden. Durch die LichtfŸhrung kann der Eindruck von DreidimensionalitŠt im an sich zweidimensionalen Film erweckt werden. Glanzlichter und Reflexe geben Auskunft Ÿber die OberflŠche eines Objekts. Durch LichtfŸhrung kšnnen bestimmte Bildteile hervorgehoben und die Aufmerksamkeit des Betrachters gelenkt werden. Lichtart und Farbton haben Einfluss auf die Stimmungslage des Betrachters.
Systematisch lassen sich Richtung und QualitŠt des Lichts und ihre optische Wirkung durch die folgende Tabelle darstellen:
Je nach Charakter des Lichts unterscheidet man: FŸhrungslicht / Hauptlicht: Es ist die Hauptlichtquelle oder verstŠrkt bzw. verlŠngert die Hauptlichtquelle. Es muss daher zunŠchst festgelegt werden und bestimmt die gesamte Ausleuchtung. FŸlllicht: dient zur Aufhellung und Abstimmung von Schatten, die das Hauptlicht wirft. Allgemein- oder Grundlicht: Es bestimmt das Grundniveau der Beleuchtung, liegt unter dem Niveau des FŸlllichts und hebt die Beleuchtungsuntergrenze der Beleuchtung an. Es wird oft durch Reflektoren (wei§es Tuch, Styroporplatte etc.) erzeugt. Konturen- oder Gegenlicht: trennt Vorder- und Hintergrund, erzeugt den Glamoureffekt. Augenlicht: bringt durch Spiegelung der Lampe im Auge Glanz ins Auge. Nicht nur fŸr den Studiofotografen sind Helligkeit, Kontrast, Beleuchtungsrichtung und LichtqualitŠt von gro§er Bedeutung. Der ambitionierte Hobbyfotograf und der Kunstfotograf werden auch bei Freilichtaufnahmen auf die Beleuchtung achten. Der Amateur wird sich nun fragen, wie denn das gehen soll, denn den Sonnenstand kann man nicht Šndern die Wolken nicht verschieben. Nein, aber man kann warten, bis der Sonnenstand oder das Wetter so sind, dass die gewŸnschte Wirkung zu Stande kommt. Landschafts-, Architektur- und Stadtfotografien wirken bei heller Mittagssonne im Sommer einfach flach. Der ambitionierte Hobby- oder Profifotograf werden daher die Geduld aufbringen mŸssen, auf bessere VerhŠltnisse, also auf das Morgen- oder Nachmittagslicht zu warten. Das lŠsst sich natŸrlich nicht immer machen, z.B. bei der Urlaubsfotografie, bei der Dokumentarfotografie oder im Fotojournalismus. Unter bestimmten VerhŠltnissen lŠsst sich da allerdings etwas korrigieren. Will ich z.B. eine Personengruppe in der hellen Mittagssonne fotografieren, so bekomme ich bei hohem Sonnenstand dunkle Schlagschatten in die Gesichter, was unvorteilhaft aussieht. Ich kann mir aber helfen, indem ich die Gruppe auf einen hellen reflektierenden Untergrund stelle, so dass die Gesichter von unten aufgehellt werden. Oder ich kann mit einem Papierschirm oder einem wei§en Bettlaken das Sonnenlicht von unten in die Gesichter reflektieren und so die Schatten aufhellen, ohne den Charakter der Beleuchtung der Gesichter wesentlich zu verŠndern. In einem gut ausgestatteten Studio stehen dem Werbeprofi, PortrŠtisten oder Kunstfotografen natŸrlich alle Mšglichkeiten offen. Hier kšnnen durch verschiedene Scheinwerfertypen, Lichtfilter, Reflektoren, Scheinwerferstative oder -aufhŠngungen usw. alle mšglichen Lichteffekte erzielt werden. Insbesondere in der Werbefotografie wird davon reichlich Gebrauch gemacht. Kaum ein Werbefoto entsteht heute noch vor einem natŸrlichen Hintergrund; das wŠre fŸr alle Beteiligten viel zu aufwendig. Stattdessen werden im Atelier Transparente und Kulissen von Landschaften aufgehŠngt, einige Requisiten verteilt und Ÿber Licht die Illusion von NatŸrlichkeit bzw. Wirklichkeit hergestellt. Auch PortrŠtisten arbeiten sehr intensiv mit kŸnstlichem Licht, nur wenige kšnnen sich die Zeit nehmen, z.B. eine berŸhmte Person in ihrer vertrauten Umgebung so lange zu studieren und zu fotografieren, bis ein charakteristisches oder typisches Bild dabei herauskommt. Auch Kunstfotografen nutzen in der arrangierten Fotografie (Stilleben, FundstŸcke, Environments etc.) die gestalterischen Mittel der Beleuchtung. Fotojournalisten und Amateurfotografen benutzen hŠufig Blitzlicht als Lichtquelle, wenn das natŸrliche oder kŸnstliche Licht nicht ausreicht. Abgesehen von den praktischen Vorteilen, von anderen Lichtquellen unabhŠngig zu sein, schnelle Bewegungen "einfrieren" zu kšnnen, hat das Blitzlicht erhebliche Nachteile. Hinsichtlich Kontrast und Schattenwurf kann ich die Wirkung meines Fotos nicht vorhersehen, weil das Motiv im Dunkeln liegt. Zudem leuchtet der Blitz den Raum nicht gleichmЧig aus, sondern der Vordergrund ist Ÿber-, der Hintergrund unterbelichtet. In geschlossenen RŠumen kann ich durch Abwinkeln des Blitzes gegen die Decke das zwar abmildern, dafŸr bekomme ich dadurch aber ein diffuses, flaches, charakterloses Licht. Kameras mit Schlitzverschluss (die meisten Spiegelreflexkameras) haben eine Blitzsynchronisation bei relativ niedriger Belichtungszeit (1/30 oder 1/60 sec.), dadurch besteht die Gefahr von "Geisterbildern". 7. Filter Filter sind durchsichtige, meist farbige Glas- oder Kunststoffscheiben, die wŠhrend der Aufnahme vor das Objektiv gesetzt werden. Sie reduzieren die Helligkeit und/oder bestimmte Farbanteile des natŸrlichen Lichts und beeinflussen so Helligkeit und Farbwiedergabe durch den Film. GrundsŠtzlich muss man zwischen drei Arten von Filtern unterscheiden: 1. Effektfilter, 2. Filter zum Einsatz in der Schwarz-Wei§-Fotografie und 3. Filter fŸr die Farbfotografie. Bei den Effektfiltern gibt es inzwischen ein breite Palette von Mšglichkeiten, die aus der Trickfilmpraxis Ÿbernommen worden sind: Doppelungen von Bildteilen oder des ganzen Bildes, Verzerrungen, geometrische Figuren, Hervorhebung von Reflexen usw. Ich halte derartige Filter fŸr Spielereien, deren gestalterischer Wert eher fragwŸrdig ist. NatŸrlich kann zur Erzielung eines ganz bestimmten Effekts, z.B. die Hervorhebung von Reflexen bei der Produktfotografie, ein Filter sparsam eingesetzt sinnvoll sein; die in der Hobbyfotografie gegenwŠrtig zu beobachtende Inflation des Filtergebrauchs nŸtzt vor allem den Herstellern der meist teuren Accessoires. In der Schwarz-Wei§-Fotografie ist der Filter hŠufig dagegen ein sehr wichtiges Requisit. Dazu mŸssen wir uns noch einmal in Erinnerung rufen (siehe Text T 1), dass Filme nicht immer alle Farben "natŸrlich" oder korrekt, d.h. dem Helligkeitseindruck des menschlichen Auges entsprechend wiedergeben. Der orthochromatische Film z.B. ist unempfindlich gegen rot, diese Farbe wird daher hŠufig zu dunkel wiedergeben, weil die meisten Rottšne einen Gelbanteil haben, der den Helligkeitseindruck fŸr das Auge beeinflusst. Der panchromatische Film dagegen ist fŸr GrŸn weniger empfindlich, gibt also grŸne Farben heller wieder. Alle Filme sind unempfindlich fŸr Blau. Es gibt gegenwŠrtig keinen Film, der die natŸrlichen Farben in ihren Grauwerten und ihren Helligkeitswerten korrekt wiedergibt. Hier kann der Einsatz von Filtern hilfreich sein. Um also mit einem orthochromatischen Film Rottšne korrekt wiederzugeben, kann ich einen Rotfilter benutzen; dadurch werden die Rotanteile reduziert und rote Farbtšne erscheinen heller und damit natŸrlicher. Mšchte ich bei einem panchromatischen Film die GrŸntšne dunkler herausarbeiten, muss ich den Filter der KomplementŠrfarbe, also Rotfilter benutzen. Eine weitere Mšglichkeit des Filtereinsatzes besteht in der Herausarbeitung von Kontrasten. In der †bersetzung von natŸrlichen Farben in Schwarz-Wei§ gibt es hŠufig Probleme mit den Kontrasten, weil der Helligkeitswert durchaus unterschiedlicher Farben fŸr den Schwarz-Wei§-Film identisch sein kann. Verschiede Farbtšne, z.B. helles Rot und helles GrŸn Šhneln sich in ihrem Helligkeitswert. Obwohl es sich um KomplementŠrfarben handelt, sie fŸr das menschliche Auge also einen deutlichen Kontrast darstellen, werden sie wegen der Šhnlichen Helligkeitswerte auf Schwarz-Wei§ nicht korrekt wiedergegeben. Das kann ich durch Filtereinsatz korrigieren. Will ich z.B. eine Person in einem hellroten Kleid vor einer hellgrŸnen Hecke fotografieren, weil mir der Farbkontrast gut gefŠllt, muss ich zunŠchst Ÿberlegen, dass beide Farben Šhnliche Helligkeitswerte haben, also im Schwarz-Wei§-Bild als Grautšne wiedergegeben werden. Hier werde ich durch einen Farbfilter nachhelfen, um den Kontrast herauszuarbeiten. Das klassische Beispiel ist der Einsatz des Gelb- oder Gelb-GrŸn-Filters in der Landschaftsfotografie. Ein dunkelblauer Himmel mit wei§en Haufenwolken kommt im Foto hŠufig nicht so zur Wirkung, wie es das Auge sieht, weil alle Filme relativ unempfindlich fŸr Blau sind, den blauen Himmel daher zu hell wiedergeben, wodurch der Kontrast zu den hellen Wolken reduziert wird. Benutze ich nun einen Gelbfilter, also die KomplementŠrfarbe, so wird das Blau dunkler, der Kontrast zum Wei§ wird deutlicher und ich bekomme einen natŸrlichen Helligkeitsgrad.
Was fŸr den Einsatz von Filtern bei Schwarz-Wei§-Filmen gilt, gilt auch fŸr die Dunkelkammerarbeit. Ich kann noch bei der Vergš§erung mit GrŸn- oder Gelbfiltern oder Effektfiltern den erwŸnschten und oben beschriebenen Effekt erreichen, wenn ich einen entsprechenden Filter vor das Objektiv des Vergrš§erers setze. Sowohl in der Schwarz-Wei§- als auch in der Farbfotografie ist der Einsatz von Skylight- oder UV-Filtern sinnvoll. Filme sind empfindlich gegen ultraviolettes Licht, das das menschliche Auge aber nicht als Farbe wahrnimmt. Folglich werden bei intensivem UV-Licht (z.B. im Gebirge oder am Meer und bei klarem Wetter) die S/W-Bilder zu dunkel, die Farbbilder werden farbstichig. Der Skylight-Filter ist ansonsten ohne Einfluss auf Helligkeit, Farben und Kontraste. Viele Fotografen haben ihn daher stŠndig vor dem Objektiv, zumal so ein billiger Schutz gegen Verunreinigung oder BeschŠdigung des Objekts erreicht wird. Da wir uns auf die Schwarz-Wei§-Fotografie konzentrieren wollen, soll der Einsatz von Farbfiltern in der Farbfotografie hier nur der VollstŠndigkeit halber erwŠhnt werden. Auch hier kann ich bestimmte Farbanteile durch Einsatz des entsprechenden Farbfilters oder der KomplementŠrfarbe herausarbeiten oder zurŸckdrŠngen. Diese Praxis erfordert aber gro§e SensibilitŠt und Farbempfinden, weil sonst sehr leicht Kitsch entsteht. Es ist daher eher zum sparsamen Umgang mit Filtern in der Farbfotografie zu raten. Etwas anders steht es bei der Korrektur der Farbtemperatur. Nicht jedes Licht, das fŸr unser Auge wei§ erscheint, ist auch tatsŠchlich rein wei§. Je nach Zusammensetzung kšnnen Rot- oder Blauanteile Ÿberwiegen. Eine grobe Unterscheidung ist die, ob es sich um Tageslicht oder Kunstlicht handelt. Tageslicht hat einen hohen Anteil an Blau, Kunstlicht dagegen einen hohen Anteil an Rot. Daher mŸssen zur Vermeidung von Farbstichen unterschiedliche Filme fŸr Tages- und Kunstlicht verwendet werden. Mšchte ich dennoch z.B. einen Tageslichtfilm mit Kunstlicht belichten und Stichigkeit vermeiden, werde ich einen Blaufilter verwenden, um eine korrekte Farbwiedergabe zu erreichen. Das Tageslicht hat aber auch nicht immer dieselben Anteile von Rot oder Blau. WŠhrend das Morgen- und Abendlicht eher rotstichig ist, hat das Mittagslicht mehr Blauanteile. Aber auch nicht alle Kunstlichter sind hinsichtlich der Farbzusammensetzung gleich. Leuchtstoffršhren haben mehr Blauanteile als normale GlŸhbirnen. Diese Unterschiede kann ich daher durch den Einsatz von Farbfiltern ausgleichen, was allerdings einige Erfahrung voraussetzt. 8. Filmmaterial, Papier, Entwickler (siehe BlŠtter A 10, A 12, A 13, A 14) Die gestalterischen Mšglichkeiten der unterschiedlichen Film- und Papiersorten sowie der Entwickler wurden bereits in den Texten T 2 und T 4 erwŠhnt. Die Gradation, d.h. die unterschiedlichen Grauabstufungen, die Helligkeit, der Kontrast und die SchŠrfe eines Bildes hŠngen nicht unwesentlich von deren Auswahl ab. Eine wichtige Entscheidung wird schon beim Film getroffen, wobei nicht nur die Filmempfindlichkeit, sondern auch das Format bedeutsam ist. Die Gradation eines Bildes wird geringer, je mehr ich das Negativ beim Positivprozess vergrš§ern muss. Die schlechteste Lšsung ist insofern die Kleinbildkamera. Profis benutzen daher gro§formatige Fachkameras (bis 2o x 25 cm), da die QualitŠtsverluste insbesondere beim Kontrast und der Gradation durch den Prozess der Vergrš§erung verringert werden. Wenn ich ein Bild von 24 x 36 mm auf das Format 30 x 40 cm vergrš§ere (12,5-fach), wird das Korn entsprechend mit vergrš§ert, werden Kontraste gemindert und die Grauabstufungen werden geringer. Kann ich dagegen vom 20 x 25-cm-Format vergrš§ern - was nicht mal die zweifache Vergrš§erung ist - so bleibt die QualitŠt des Negativs weitgehend erhalten. Auch die Empfindlichkeit des Films und die damit verbundene Gradation und der Kontrastumfang sind unter gestalterischen Gesichtspunkten wichtig. Bedeutsam wird vor allem die Auswahl des Papiers fŸr die Gestaltung. Einerseits lŠsst sich der Bildeindruck durch Papiere unterschiedlicher Gradation variieren. Dauer und IntensitŠt der Belichtung bei der Vergrš§erung haben Einfluss auf die Helligkeit und Brillanz, die PapieroberflŠche kann matt oder glŠnzend sein, die FŠrbung oder Tšnung des Papiers kann Einfluss haben. Dabei gibt es kein Patentrezept, welches das "beste" Papier ist. Die Wahl des Papiers und seine Verarbeitung sind abhŠngig von der gestalterischen Absicht des Fotografen. Eine PortrŠtaufnahme werde ich eher auf weichem Papier mit matter OberflŠche anfertigen, wŠhrend ein Produktfoto eher auf hartem Papier mit glŠnzender OberflŠche abgezogen wird. Sowohl bei der Negativ- wie bei der Positiventwicklung gibt es Ÿber die Auswahl des Entwicklers die Mšglichkeit der Einflussnahme. Es gibt hart zeichnende Grafikentwickler, mit denen man die harte Gradation des Papiers noch verstŠrken kann, und ebenso gibt es weich arbeitende Entwickler, mit denen der umgekehrte Effekt erzielt werden kann. €hnliches gilt fŸr den Negativentwickler. Auch SchwŠrzungsgrad und Kontrast kann man durch spezielle Entwickler oder die Dauer der Entwicklung beeinflussen. All dies muss der gestaltende Fotograf wissen und entsprechend seiner Absicht mit dem Bild einsetzen. 9. Elemente der Bildgestaltung (A 18) Es ist bei der Bildsprache von der Grammatik der Bilder gesprochen worden. Wie bei der gesprochenen Sprache, gibt es bestimmte gesellschaftliche †bereinkŸnfte, die die Bedeutung
eines Satzes und seinen Aufbau festlegen, damit eine zweifelsfreie VerstŠndigung mšglich ist. Der Sprechende muss bestimmte grammatische Regeln einhalten, damit er sicher sein kann, dass der Hšrende ihn richtig versteht. Allerdings kommt es nicht nur auf die Auswahl der Wšrter und deren richtige Reihenfolge an. Einmal spielen Nuancen in der Stimmmodulation eine Rolle, dann die Satzmelodie, begleitende Gesten, Mimik, usw. Auch die unterschiedliche Reihenfolge derselben Wšrter in einem Satz kann verschiedene Inhalte ausdrŸcken. Schlie§lich ist die lebendige Sprache stŠndigen VerŠnderungen unterworfen und stark von lokalen oder sozialen Unterschieden abhŠngig. €hnlich muss man sich das auch bei der Bildsprache denken. Der Gestalter tut also gut daran, sich genau zu Ÿberlegen, welche Zeichen er nutzt, um seine Botschaft an die Frau und an den Mann zu bringen. Dabei kann er keineswegs sicher sein, dass seine Botschaft von allen Menschen und Ÿberall zu allen Zeiten gleich bzw. in seinem Sinn verstanden wird. Bei aller Schwierigkeit der "Grammatik" der Bildsprache gibt es aber einige Bildzeichen und Symbole, deren Inhalt von vielen Menschen verstanden wird, weil es historische, lokale und soziale †bereinkŸnfte hinsichtlich der Bedeutung der Zeichen gibt. Im Anschluss an Weber (Sehen, S. 32 f.) mšchte ich daher zunŠchst einige wichtige Elemente der Bildsprache bzw. Bildgestaltung einfŸhren, bevor ich die einzelnen Bildelemente und ihre Bedeutung erlŠutere. 1. Danach ist zunŠchst die Beziehung zwischen der Figur und ihrem Hintergrund entscheidend, d.h. der Kontrast zwischen der wichtigsten Bildaussage und den weniger wichtigen. 2. Der Informationswert des Bildes und die €hnlichkeit mit bereits bekannten Bildaussagen mŸssen dem Betrachter deutlich werden. 3. Beleuchtung und RŠumlichkeit des Bildes sind wichtig zum VerstŠndnis des Bildes. 4. Die LinienfŸhrung und das Bildformat und ihre symbolische Bedeutung mŸssen berŸcksichtigt werden. Ich werde daher in den folgenden Kapiteln die wichtigsten Elemente der Bildgestaltung beschreiben und mit ausgewŠhlten Bildern illustrieren und ihre Bedeutung erlŠutern, wobei der Leser immer erinnern muss, wie relativ diese Festlegungen sind. (Siehe Kap. 9.8) 9.1 Linien und Diagonalen Der Richtungsverlauf einer Linie kann die Aussage eines Bildes wesentlich beeinflussen. Linien kšnnen durch Kanten eines GebŠudes, die Reihung von GegenstŠnden, die Blickrichtung von Menschen entstehen. Sie kšnnen in alle Richtungen gehen, gerade oder gebogen sein; jedenfalls sind sie meist - je nach AusprŠgung - bildbeherrschend und "fŸhren" u.U. den Blick des Betrachters. Linien haben aber auch hŠufig symbolischen Charakter. So kšnnen gerade, waagerechte Linien Ruhe, StabilitŠt, Dauerhaftigkeit signalisieren. Gerade, senkrechte Linien symbolisieren Standhaftigkeit, Kraft und Dynamik. Gebogene Linien drŸcken Dynamik, aber auch Ruhe aus, sie symbolisieren Beweglichkeit, Weiblichkeit und Sanftheit. Bšgen - z.B. ein BrŸckenbogen - kšnnen getrennte Bildelemente miteinander verbinden. Gezackte Linien - Skyline einer Gro§stadt, GebirgskŠmme u.Š. - drŸcken SchŠrfe, Wildheit und Unruhe aus. Spannungs- und Bewegungslinien kšnnen durch die Richtung einer Bewegung, eines Blicks, einer Geste dargestellt werden und drŸcken in jedem Fall Dynamik, Bewegung in eine bestimmte Richtung aus. Durch den Bildaufbau kšnnen auch imaginŠre Linien entstehen, die sich mehr oder minder deutlich durch eine bestimmte Anordnung unterschiedlicher Bildelemente bilden, auch sie kšnnen den Blick des Betrachters in eine bestimmte Richtung lenken, Bewegung und Dynamik signalisieren. Auch die stŸrzenden Linien, die in der Wirklichkeit senkrecht und parallel verlaufen, durch das Kippen der Kamera bei der Aufnahme wegen der perspektivischen VerkŸrzung aber zusammenzulaufen scheinen, symbolisieren Hšhe oder Tiefe. Besondere Beachtung bekommen die Diagonalen in der Bildanalyse. Ich denke, dass hier am hŠufigsten †ber- oder Fehlinterpretationen durch die schematische Anwendung der Kompositions"regeln" vorkommen. Diagonalen sind Linien, die aus einer Bildecke in die gegenŸberliegende verlaufen. "(...) diagonal verlaufende Linien (ergeben) den Eindruck von Kippen, die BildgegenstŠnde, die lŠngs einer der Diagonalen des Fotos angeordnet sind, scheinen zu gleiten und sich zu bewegen. Infolgedessen ist die Diagonale die dynamischste aller Linienformen, ein grafisches Symbol fŸr Bewegung, TŠtigkeit und Leben." (Feininger: Kompositionskurs, S. 95). Eine Diagonale von links unten nach rechts oben signalisiert eine positive, optimistische Stimmung [13] , eine von links oben nach rechts unten das Gegenteil, sie wird Gegendiagonale genannt. In praktischen Beispielen werden diese systematischen Festlegungen hŠufig widerlegt. Dies scheint mir z.B. in dem Bildbeispiel bei Weber (Sehen, S. 76/77, siehe Abb. S. 24) der Fall zu sein. Zwar gibt es formal eindeutig eine "fallende Diagonale" von links oben nach rechts unten, die durch die Kaimauer gebildet und in der Reihung der Kšpfe wiederholt wird. Auch die Blickrichtung der Menschen geht nach rechts unten. Diese Diagonale wird durch den Kreis rechts unten (der fŸr Harmonie stehen kann) und die Waagerechten und Senkrechten, die durch die Haltung der Frauen entstehen, etwas aufgefangen. Dennoch dŸrfte damit alles getan sein, um eine "pessimistische" Grundstimmung zu produzieren. Dies wŸrde auch stimmen, wenn man die Regeln der Bildanalyse schematisch anwendet und vom Bildinhalt absieht. Haltung, TŠtigkeit und Gesichtsausdruck der lachenden Frauen strafen die Bildanalyse aber LŸgen. Auf mich macht dieses Bild eindeutig einen fršhlichen, optimistischen Eindruck! - Ršll/Wolf (Bildgestaltung, Teil 3, S. 45) weisen daraufhin, dass in der Werbung wegen der "psychodynamischen Wirkung" der Diagonalen diese so hŠufig benutzt wird. "Die besondere Bedeutung der Diagonalen (...) lЧt sich aus Kenntnissen der Wahrnehmungsforschung herleiten. (...) Zum einen tastet unser Auge Bilder diagonal ab, nachdem es vorher die linke obere Ecke fokussiert hat. (...) Zum anderen lšst sie im Hirn erhšhte AktivitŠt aus. - Die Diagonale steht im Spannungsfeld von Senkrechter und Waagerechter. Sie lšst im Gehirn AktivitŠten der Zuordnung zu diesen dominaten Linien aus. Tendenziell vermutet das Gehirn, da§ die Diagonale nach unten fŠllt. Dadurch werden Nervenzellen aktiviert, die den Reiz auslšsen, die fallenden Linien zu halten. Damit wird ein Aufmerksamkeitsimpuls angesprochen (...)" Auf die Problematik dieser Annahmen wird noch Kap. 9.8. eingegangen, insbesondere die Grundannahme, dass Bilder wie ein Text von links oben nach rechts unten "gelesen" werden, ist nicht unwidersprochen. Umgekehrt kann es auch sein, dass die Werbung durch Anwendung der immer gleichen Bildsignale die Menschen auf bestimmte Wahrnehmungsweisen konditioniert. Jedenfalls kann festgehalten werden, dass Diagonalen in der Werbung sehr hŠufig Verwendung finden, aus welchem Motiv und mit welchem Erfolg, mšchte ich hier offen lassen. Feininger (Kompositionskurs, S. 18 f.) problematisiert diese bildgestalterischen "Regeln", die "durch ŸbermЧige Anwendung zum vielleicht abgedroschensten aller bildgestalterischen Klischees verschlissen worden" (sei). "Die gesamte Theorie der 'Leitlinien' im Foto - von Linien die angeblich das Auge des Betrachters zu dem sogenannten Mittelpunkt des Interesses im Bild fŸhren - ist unhaltbar. Wissenschaftliche Untersuchungen dieser Theorie mit Hilfe besonderer 'Augen-Kameras', die die Augenbewegungen des Betrachters aufzeichnen, haben ergeben, da§ sich das Auge sofort auf den Bildteil einstellt, der das grš§te Interesse hervorruft (aber nicht unbedingt mit dem Teil des Bildes Ÿbereinstimmt, den der Fotograf zum Mittelpunkt des Interesses ausersehen hat), wobei es die liebevoll konstruierten Linien všllig au§er acht lЧt." (a.a.O.) Treffen Linien oder Diagonalen aufeinander, so bilden sie spitze, stumpfe oder rechte Winkel. Insbesondere der rechte Winkel, der aus einer Waagerechten und einer Senkrechten gebildet wird, stellt eine interessante Verbindung von Ruhe und Dynamik dar. Dies ist das beste Beispiel dafŸr, dass erst die Verbindung unterschiedlicher Bildelemente zu einer interessanten Komposition fŸhrt. Dies dŸrfe auch schon aus der kurzen Bildanalyse des Bildes von den Waschfrauen deutlich geworden zu sein, bei dem erst zusŠtzlich zu den bildkompositorischen Elementen die inhaltliche Aussage des Bildes zu einer zutreffenden Interpretation fŸhrt. Der Sonderfall der gebogenen Linie ist der Kreis. DrŸckt schon die gebogene Linie Harmonie - in, Verbindung mit Dynamik und Ruhe – aus, so ist der Kreis das Symbol fŸr Ruhe, Geborgenheit, UrwŸchsigkeit und BodenstŠndigkeit.
9.2 Bewegung Linien, besonders Diagonalen sind auch ein Symbol fŸr Bewegung. Neben dem fotografischen Mittel von UnschŠrfe bzw. Verwischung kšnnen auch Linien vor allem die Richtung einer Bewegung angeben. Sie kšnnen z.B. symbolisieren, ob eine Bewegung am Anfang oder am Ende steht. Wenn eine laufende Person dicht am Bildrand ist und hinter ihr der Weg zu sehen ist, so schlie§t der Betrachter daraus, dass die Figur kurz vor dem Ziel ist, den Weg bereits hinter sich hat. Im umgekehrten Fall hat sie den Weg noch vor sich, befindet sich also am Start. Auch die Richtung der Bewegung hat Symbolwert. LŠuft die Person von rechts nach links, so hat der Betrachter unseres Kulturkreises den Eindruck, sie lŠuft in ihr Verderben. Das Gegenteil ist bei der umgekehrten Richtung der Fall. Feininger (Kompositionskurs, S. 124 ff.) spricht in diesem Zusammenhang von einer "dynamischen Komposition: "Eine Komposition ist dann dynamisch, wenn ihre grafischen Elemente den Eindruck von Bewegung machen. Das ist der Fall, wenn das Motiv in erster Linie aus schrŠgen oder diagonalen Linien besteht und keine (oder nur wenige und dann unwichtige) waagerechten oder senkrechten Linien enthŠlt; wenn Linien, die in Wirklichkeit waagerecht oder senkrecht verlaufen, 'perspektivisch' wiedergegeben werden, d.h. zusammenlaufend oder 'stŸrzend' und nicht als Parallele; wenn die wichtigsten Teile des Bildes so angeordnet sind, da§ sich eine Gesamtwirkung von Asymmetrie, Bewegung und 'Leben' ergibt (...); und wenn die Hauptlinien der Komposition, Bewegung oder Spannkraft (...) nach au§en gerichtet sind, d.h. gegen die Ecken oder RŠnder des Bildes." 9.3 Goldener Schnitt und optische Bildmitte Das Kompositionsprinzip des "Goldene Schnitts" existiert seit langem und in unterschiedlichen Kulturen, wenn auch der Begriff erst seit dem 19. Jahrhundert verwendet wurde. Antike Bauwerke in €gypten und Griechenland, die mittelalterlichen Kathedralen, Renaissance-Bauten und -bilder wurden so konstruiert. Zuerst mathematisch beschrieben wurde dieses Prinzip im 4. Jahrhundert v.u.Z. von dem griechischen Mathematiker Euklid, der im Pentagramm die VerhŠltnisse des Goldenen Schnitts nachgewiesen hat. Danach stehen die Geraden a und b im folgenden VerhŠltnis zueinander: a : b = b : (a + b). Auf das Rechteck Ÿbertragen bedeutet das: die kurze Seite steht zur langen Seite im gleichen VerhŠltnis wie die lange Seite zur Summe der kurzen und der langen Seite. Der Goldene Schnitt kann nur als irrationale Zahl ausgedrŸckt werden. Mathematisch genau lassen sich die Seite a und b nicht angeben; daher kann der Goldene Schnitt im ZahlenverhŠltnis immer nur annŠhernd angegeben werden. Als AnnŠherungswert gilt das VerhŠltnis der kurzen zur langen Seite von 5 : 8. Seit der Renaissance wurde versucht, Kunst und Natur nach den Regeln des Goldenen Schnitts zu vermessen. Es wurde ein Idealmensch konstruiert, der diesen Regeln entspricht. Auch in der Natur - LŠnge und Breite von BlŠttern und BlŸten z.B. - wurde dieses VerhŠltnis festgestellt. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die ersten BemŸhungen um die Standardisierung von Fotoformaten ebenfalls vom Goldenen Schnitt ausgingen (vgl. Text T 1). Das noch heute gebrŠuchliche Format 6 x 9 cm sowie das KB-Format 24 x 36 mm entsprechen diesem VerhŠltnis annŠhernd. Auch die meisten Papierformate folgen dem Goldenen Schnitt. Gelegentlich gibt es bei Negativen und Papieren unterschiedliche SeitenverhŠltnisse, so dass die Bilder nicht ganz kongruent sind. Dies ist bei der Vergrš§erung zu berŸcksichtigen, um nicht eventuell wichtige Bildinhalte abzuschneiden. Feininger (Kompositionskurs, S. 83) beschreibt die kompositorische Funktion des Goldenen Schnitts in der Fotografie wie folgt: 1. "um harmonische FormatverhŠltnisse herzustellen, 2. um die Lage des Horizonts festzulegen, 3. um eine Komposition in einem guten VerhŠltnis aufzuteilen, 4. um die Lage des 'Mittelpunktes des Interesses' festzulegen." Hieraus wird schon deutlich, dass der Goldene Schnitt nicht nur die KantenlŠnge des Bildformats festlegt, sondern dass auch innerhalb des Bildes Šhnliche LŠngenverhŠltnisse angewendet werden kšnnen, um harmonische Wirkung zu erzielen. So kommt man zu einem Punkt A im Rechteck, wenn man die lange und die kurze Seite wiederum im VerhŠltnis 5 : 8 unterteilt; dies ist der Punkt, den Feininger den "Mittelpunkt des Interesses" nennt, den ich als "optische Bildmitte" bezeichnen mšchte. In diesem Punkt laufen wichtige Bildinformationen - z. B. Linien, Diagonalen, Bšgen - zusammen, befinden sich wichtige Bildinhalte, - z. B. ein Kopf -, wenn ein harmonisches VerhŠltnis ausgedrŸckt werden soll.
9.4. Schwerpunkt, Kontrast, Symmetrie und Spannung
Schwerpunkte, Kontrast und Symmetrien kšnnen nicht nur durch Linien entstehen, sondern auch durch andere geometrische Figuren, z.B. durch rechteckige, quadratische oder dreieckige FlŠchen, Punkte, Kreise oder Ellipsen und KomplementŠrfarben gebildet werden. Habe ich z.B. ein Bild, auf dem durch starke Helligkeitsunterscheide (Licht und Schatten) Kontraste entstehen, so werde ich u.U. die Trennlinie zwischen hell und dunkel in einer Diagonale verlaufen lassen; ich werde die Hell-Dunkel-Verteilung auf der FlŠche nach dem goldenen Schnitt oder im VerhŠltnis 1 : 1 vornehmen, um ein ausgeglichenes, harmonisches, symmetrisches Bild herzustellen. Habe ich zwei optische Schwerpunkte, die in einem SpannungsverhŠltnis zueinander stehen, so werde ich sie nach den Regeln des Goldenen Schnitts auf die BildflŠche verteilen; will ich eine Hierarchie z.B. zwischen zwei Personen symbolisieren, werde ich sie in der Diagonalen sowie nach dem Goldenen Schnitt verteilen. Will ich NŠhe oder Distanz zwischen zwei Personen ausdrŸcken, so werde ich zwischen ihnen weniger oder mehr Raum in der Bildkomposition schaffen. Will ich eine Bewegung symbolisieren, werde ich die Schwerpunkte perspektivisch in die Tiefe des Bildes staffeln; soll diese Bewegung dynamisch sein, wird sie von links unten nach rechts oben verlaufen, soll sie langsamer sein, wird sie umgekehrt verlaufen; will ich eine negative Entwicklung signalisieren, wird die Bewegung von links oben nach rechts unten verlaufen. "Symmetrie stellt einen besonders hohen Grad von Ordnung dar (...). €sthetisch gesehen reicht ihre Wirkung auf den Betrachter von EindrŸcken von Vollendung und Harmonie bis zur Langeweile. Fotografisch gesehen ist Symmetrie ein statisches Symbol fŸr Fšrmlichkeit und Monotonie, und daher ein wertvolles Kompositionsmittel, da ja Fšrmlichkeit und Monotonie nicht unbedingt unerwŸnschte Bildeigenschaften sein mŸssen." (Feininger: Kompositionskurs, S. 118) An anderer Stelle (a.a.O., S.114) spricht Feininger von der "statischen Komposition, die dann entsteht, wenn die grafischen Elemente im Gleichgewicht zu sein scheinen". "Das ist der Fall, wenn das Motiv hauptsŠchlich aus waagerechten und/oder senkrechten Linien besteht, aber keine (...) geneigten Linien enthŠlt; wenn die dominierenden waagerechten Motivlinien auch im Bild waagerecht verlaufen; wenn alle Senkrechten ebenfalls senkrecht dargestellt werden, d.h. wenn sie nicht perspektivisch 'verzerrt' zusammenlaufend oder 'stŸrzend'' wiedergegeben werden; und wenn die wichtigsten Bildformen so angeordnet sind, da§ sie den Eindruck von Gleichgewicht und Harmonie erwecken." Ein Kontrast entsteht nicht nur durch Schwarz-Wei§, sondern kann auch durch unterschiedliche Grautšne gebildet werden. Auch eine dunkle Figur kann vor einem helleren Hintergrund kontrastieren, wobei beide sich in ihren Grauwerten noch sichtbar und deutlich voneinander abheben mŸssen. Kontraste kšnnen nicht nur durch helle oder dunkle FlŠchen entstehen, sondern auch durch eine dunkle rechteckige FlŠche und einen kleineren dunklen Punkt vor hellem Hintergrund gebildet werden. FlŠche und Punkt werden in der Regel symmetrisch Ÿber das Bild verteilt sein; durch die unterschiedliche Grš§e und das daraus resultierende optische Ungleichgewicht kann ein SpannungsverhŠltnis entstehen. Die symmetrische Verteilung von hell und dunkel, von FlŠchen, Punkten, Linien und Diagonalen entscheidet Ÿber Harmonie oder Disharmonie, Ÿber ein ausgewogenes oder unausgewogenes SpannungsverhŠltnis im Motiv. Dabei ist aber darauf zu achten, dass Bildsignale gegenŸber dem Untergrund klar kontrastieren. Eine prŠgnante Bildbotschaft entsteht erst durch den Kontrast z.B. einer Figur vor dem Untergrund. Unterschiedliche Bildinformationen mŸssen so sparsam wie mšglich, d.h. der Bildaussage angemessen eingesetzt werden. Sie dŸrfen nur so komplex sein, wie die anvisierte Zielgruppe sie noch nachvollziehen kann. ã€hnlich wie die Perspektive ist auch das Prinzip der Symmetrie in unserem Jahrhundert einem radikalen Wandel unterworfen worden. Schon in der Antike galt die Symmetrie als Grundlage der €sthetik. Diese Auffassung hat sich bis in die Gegenwart erhalten, nur dass die Formprinzipien, nach denen Symmetrie aufgebaut wird, verŠndert haben. UrsprŸnglich galt Symmetrie als die beinahe spiegelbildliche Abbildung Šhnlicher Bildinhalte. Die idealistischen €sthetik des 19. Jahrhundert definierte mit der Sehnsucht nach der Mitte auch die innere Balance eines Bildes als symmetrisch.Ò Der Kunsthistoriker Hans Sedlmayr hat nach dem 2. Weltkrieg mit seinem Aufsehen erregenden Buch "Der Verlust der Mitte" (1948) kunsttheoretisch das auf den Begriff gebracht, was die damals moderne Kunst im Unterschied zur traditionellen (und explizit zur nationalsozialistischen) ausmachte: den FliehkrŠften in der Psyche und im Bewusstsein der modernen Menschen und Gesellschaften entsprach die Aufhebung der Symmetrie als Šsthetisches Grundprinzip in der Kunst. Auch die moderne Fotografie, sofern sie sich als avantgardistisch verstand, brach mit den alten Regeln von Symmetrie und Ausgewogenheit. In der gegenwŠrtigen Kunsttheorie wird Symmetrie als ein ausgewogenes VerhŠltnis unterschiedlicher Bildstrukturen zueinander verstanden; dadurch wird eine Balance von Schwerpunkten im Motiv erreicht.
Der durchschnittliche Bildbetrachter ist es gewohnt, ein ausgewogenes Bild zu sehen, dessen FlŠchen, Linien, Kontraste symmetrisch angeordnet sind. Nur wenn ich ein Bild so gestalten will, dass es Disharmonie, Asymmetrie und ein unausgewogenes SpannungsverhŠltnis aus GrŸnden der Bildaussage vermitteln soll, werde ich von diesen Regeln abweichen. Die gestalterische QualitŠt eines Bildes ist abhŠngig von der Zuordnung der einzelnen Bildelemente zueinander, vom Reichtum der Gestaltungsmittel, der aber das Bild nicht Ÿberladen darf, sowie - und das ist schlie§lich entscheidend - von der Angemessenheit der gestalterischen Mittel im VerhŠltnis zum Inhalt und zur Bildaussage.
9.5. Bildformate, Ausschnitt und Bildrand Die Aufnahmeformate der Fotokameras folgen im Normalfall den Regeln des Goldenen Schnitts, ausnahmsweise haben sie quadratische Formate oder sind kreisfšrmig. Bei einem rechteckigen Format habe ich die Wahl zwischen einem Hoch- und einem Querformat. Die Wahl des Formats ist fŸr die Bildaussage nicht beliebig. Au§erdem ist sie teilweise abhŠngig von der PrŠsentationsform (siehe Kap. 9.7.). Das Querformat betont waagerechte Linien und FlŠchen und die Beziehung zwischen rechts und links. Es signalisiert Ruhe, u.U. KŠlte, betont die Horizontale und ist besonders geeignet, Querbewegungen, also parallel zum unteren oder oberen Bildrand wiederzugeben. Das Hochformat dagegen betont senkrechte Linien und FlŠchen, die Vertikale, das VerhŠltnis von Oben und Unten, ruft den Eindruck von Hšhe, Bildtiefe und rŠumlicher Ausdehnung hervor. Es signalisiert NŠhe, u.U. WŠrme, AktivitŠt und Kraft. Bereits um 1855 standardisierte Alphonse Disderi die PortrŠtfotografie, indem er als gŠngiges Format das Visitkartenformat 58 x 94 mm auf einem Karton von 63 x 102 mm annŠhernd nach dem Goldenen Schnitt definierte. Damit war die Grundlage fŸr die noch heute gŠngigen Formate 6 x 9 cm sowie die daraus entwickelten abweichenden Formate 9 x 13, 10 x 15 cm usw. gelegt.
Das Querformat - verstŠrkt durch "radikalen Goldenen Schnitt" - betont die Weite der Landschaft. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass bei den Bildformaten die Festlegung auf den goldenen Schnitt - also die Ÿblichen Film- und Papierformate - bestimmte gestalterische Auswirkungen hat: Es vermittelt den Eindruck von Harmonie. Es ist aber durchaus denkbar, dass das Gegenteil von Harmonie signalisiert werden soll. Dann ist es sinnvoll und notwendig, das Rechteck des Bildformats - sei es hoch oder quer - in die Hšhe oder Breite auszudehnen. Die Mšglichkeit der Verkleinerung der kurzen Seite nach der Regel des Goldenen Schnitts wurde bereits erwŠhnt. Ich werde immer dann vom Goldenen Schnitt abweichen, wenn ich die besonderen Ausdrucksmšglichkeiten des Hoch- oder Querformats aus inhaltlichen oder gestalterischen GrŸnden hervorheben will. Will ich z.B. die Hšhe eines Wolkenkratzers besonders betonen, werde ich ein extremes Hochformat wŠhlen. Kommt es mir dagegen darauf an, die Weite einer norddeutschen Landschaft hervorzuheben, werde ich ein extremes Querformat wŠhlen. Eine der Sonderformen ist das Quadrat, das mit einigen Kameras (z.B. Mittelformatkamera 6 x 6 cm) bereits bei der Aufnahme, aber auch durch Ausschnitt-Vergrš§erung hergestellt werden kann. Das Quadrat ist relativ spannungslos, weil es durch die zweiachsige Symmetrie auf die Bildmitte konzentriert ist und einen statischen Bildeindruck vermittelt. Es signalisiert Ruhe, StabilitŠt, Stetigkeit und wird daher hŠufig fŸr PortrŠtfotos verwendet. Gerade beim Quadrat ist es wichtig, die Bildkomposition auf das Format abzustimmen. Es eignen sich daher fŸr das quadratische Format vor allem runde oder quadratische Motive, die formatfŸllend abgebildet werden kšnnen. Weitere Sonderformen sind der Kreis oder das Oval. Beide Formen - insbesondere das Oval -wurden frŸher bevorzugt fŸr PortrŠts verwendet. In der Regel wurden dann diese Formate durch Vignettieren (siehe Blatt A 15) oder durch nachtrŠgliches Beschneiden der AbzŸge erreicht. In der konventionellen PortrŠtfotografie ist das Oval auch heute noch Ÿblichen. Durch Erfindung des Fischaugen-Objektivs, das ein kreisfšrmiges Bild herstellt, ist dieses Format vor etwa drei§ig Jahren wieder aktuell geworden. Noch stŠrker als das Quadrat betont der Kreis die Bildmitte und signalisiert Ruhe und Ausgewogenheit. FormatverŠnderungen sind wŠhrend der Aufnahme nicht mšglich. Es empfiehlt sich aber bei der Aufnahme, bereits die Mšglichkeit der FormatverŠnderung zu bedenken. DurchfŸhren lŠsst sich das dann erst bei der Positivvergrš§erung, indem ich einen Bildausschnitt vom Negativ auf ein andersformatiges Papier vergrš§ere. Die Absicht der Ausschnittvergrš§erung ist deswegen bereits bei der Aufnahme zu berŸcksichtigen, weil sonst u.U. wichtige Bildteile fortfallen, Au§erdem verŠndert sich bei der Ausschnittvergrš§erung die gesamte Komposition: z.B. die Beziehung zwischen dem Objekt, dem Vorder- und Hintergrund, die GegenŸberstellung oder †berschneidung von Formen, die Perspektive, die Verteilung von hell und dunkel.
Umgekehrt bietet die Ausschnittvergrš§erung die Mšglichkeit nachtrŠglicher Korrekturen an der Komposition. Man kann z.B. ŸberflŸssige Bildteile weglassen und nur das Wichtigste vergrš§ern; hŠssliche BildrŠnder kšnnen korrigiert werden; man kann aus einem rechteckigen Bild ein quadratisches machen und umgekehrt; man kann das rechteckige Format in ein extremes Format verŠndern; man kann die Schwerpunkte des Bildes verlagern. Besondere Beachtung sollten sowohl bei Aufnahme wie bei der Vergrš§erung die BildrŠnder finden. Einerseits sollte das Motiv formatfŸllend, den Blick auf das Wesentliche beschrŠnken, andererseits ist aber auch der Rand Teil des Motivs, er kann dem Bild einen Rahmen geben. Das Bild unterscheidet sich von der Sehweise des Menschen dadurch, dass es einen Ausschnitt von Wirklichkeit wiedergibt, insofern braucht es einen Rahmen, um das Innen des Bildes vom Au§en der Wirklichkeit abzugrenzen. Im Unterschied zu einer Hšhlenmalerei oder einem Kirchenbild gehšrt das Foto nicht zur sozialen Umwelt des Menschen, sondern macht eine Aussage Ÿber die Umwelt. Der Bildrand - und der Rahmen (s.u.) - haben insofern Symbolwert, als sie genau diese Trennung von Bild und Wirklichkeit ausdrŸcken. Diese Erkenntnis macht die Wichtigkeit des Bildrandes fŸr die Gestaltung und die PrŠsentation (s.u.). deutlich. Je nach der gestalterischen Absicht kann der Bildrand das Motiv einrahmen oder nach au§en verlaufen lassen. Mšchte ich z.B. den Blick des Betrachters einer Landschaftsaufnahme auf einen markanten GelŠndepunkt - einen Berg, ein Haus, einen Baum - konzentrieren, werde ich wie beim Blick durch einen Tunnel am Bildrand einen Rahmen aus BŠumen, einem Torbogen u.Š. mit fotografieren. Das Einrahmen, also das Umgeben des Motivs mit einem passenden Vordergrund verdichtet die Komposition. Sie verstŠrkt die Tiefenwirkung eines Bildes verbindet die Komponenten des Bildes eng und isoliert sie gegen Šu§ere EinflŸsse (vgl. Feininger: Kompositionskurs, S. 122 ff.).
9.6. Vorder-, Mittel- und Hintergrund Die wichtigste Funktion der Gliederung eines Motivs in Vorder-, Mittel- und Hintergrund besteht darin, dass das Bild so in die Tiefe gestaffelt ist, dass der Eindruck von RŠumlichkeit entsteht. Z.B. in der Landschaftsfotografie ist das ein wichtiges Gestaltungsprinzip. Ein nur in der Silhouette sichtbarer Vordergrund lenkt den Blick auf das Hauptmotiv im Mittelgrund; der Hintergrund vermittelt die spezifische Charakteristik des Ortes.
Ebenfalls bei der Aufnahme muss ich entscheiden, ob Vorder-, Mittel- und Hintergrund zueinander passen. Ein hŠufiger AnfŠngerfehler besteht darin, dass der Hintergrund gar nicht wahrgenommen wird, also auch nicht erkannt wird, ob der Hintergrund fŸr das Motiv geeignet ist. Ungeeignet wŠre z.B. der Hochspannungsmast, der aus dem Kopf der abgebildeten Person herauswŠchst, weil der Fotograf sich bei der Aufnahme nur auf das ihm wichtigste Objekt, die Person konzentriert, dabei aber den Hochspannungsmast Ÿbersehen hat. Weiter muss sich das Objekt vom Hintergrund durch Tonwert und / oder Zeichnung abheben. Bei bedecktem Himmel eine rotgekleidete Person vor einer grŸnen Hecke zu fotografieren, ist ziemlich sinnlos, weil im S/W-Foto die Tonwerte sich nicht voneinander abheben; es entsteht ein langweiliges Bild grau in grau. Die mittlere Lšsung, bei der meistens nichts falsch gemacht werden kann, die aber auch keine besonderen Reize bietet, ist der neutrale Hintergrund, der zwar mit dem Objekt kontrastiert - z.B. eine helle Wand hinter der Person - aber unauffŠllig bleibt und keine besondere Bildaussage vermittelt. Der Hintergrund, in den sich das Objekt einfŸgt und der es kommentiert, ist die beste Lšsung. Das Bild bekommt Tiefe und vermittelt dadurch RŠumlichkeit, der Hintergrund gibt zusŠtzliche Bildinformationen und ist vor allem nicht stšrend, sondern fŸgt sich harmonisch ein. Um z.B. einen Fischer als Fischer zu charakterisieren, ist es sinnvoll, ihn vor einem Hintergrund zu fotografieren, der Hinweis auf seine TŠtigkeit gibt: sein Schiff, sein ArbeitsgerŠt, das Meer, sein Haus. 9.7. BildprŠsentation (siehe P 15) Entscheidend fŸr die Wirkung eines Bildes ist dessen PrŠsentation, d.h. wie das Bild dem Betrachter vermittelt werden soll. †berlegungen fŸr die geeignete PrŠsentation muss der Fotograf wŠhrend des gesamten Produktionsprozesses anstellen. Wenn ich mir bei der Aufnahme bereits klar Ÿber die Verwendung bin, um alle gestalterischen Mšglichkeiten zu planen, muss ich natŸrlich auch schon wissen, in welcher Form es veršffentlicht werden soll. Viele Fotografen, auch Profis z.B. im Fotojournalismus fotografieren aber ohne einen solchen Plan. Umso wichtiger ist es dann, wenn ein Foto aus einer Menge von Negativen fŸr einen bestimmten Zweck ausgewŠhlt worden ist, die PrŠsentationsform genau zu reflektieren und bei der Vergrš§erung hinsichtlich Format, Ausschnitt, Papierfarbe und OberflŠche zu berŸcksichtigen. Soll ein Foto in einer Ausstellung gezeigt werden, bietet sich meistens das Hochformat als geeignet an. Querformate brauchen einen relativ gro§en Rahmen, um nicht verloren auf einer neutralen Ausstellungswand zu wirken. Die Rahmengrš§e muss in einem harmonischen VerhŠltnis zum Bildformat stehen. In der Regel benutzt man fŸr den Rahmen das nŠchst grš§ere Format im VerhŠltnis zum Foto (z.B. Foto 20 x 30, Rahmen 30 x 40 cm). U.U. kann es aber auch sinnvoll sein, den Rahmen deutlich grš§er als das Bild zu wŠhlen (z.B. bei sehr kleinen Bildformaten, um das Foto an einer gro§en Ausstellungswand nicht untergehen zu lassen). Um Enge zu signalisieren, kann aber auch ein besonders kleiner Rahmen nŸtzlich sein. Auch Ÿber das Passepartout muss sich der Fotograf bei der PrŠsentation Gedanken machen. Farbe, Material, Innenausschnitt mŸssen zum Foto passen. Man ist keineswegs auf den immer gleichen grauen Fotokarton angewiesen. Ein Holzpassepartout, Packpapier oder Silberfolie und viele andere Materialien kšnnen reizvoll sein. Der Rahmen selber muss im Material, in der Farbe, der Dicke und der Bearbeitung ebenfalls passen. Ein Industriefoto in einem schweren vergoldeten Holzrahmen ist meistens eher unpassend - es sei denn, man plant den verfremdenden Effekt tatsŠchlich mit ein. Wichtig ist die Abstimmung zwischen Foto und Farbe bzw. Grauton des Passepartouts. Ein kontrastarmes Bild mit wenig Grautšnen auf einem wei§en oder hellgrauen Fotokarton versŠuft. Umgekehrt ist es nicht zweckmЧig, ein kontrastreiches Bild mit gro§flŠchigem Schwarz auf einem dunklen Untergrund zu prŠsentieren. Das Foto sollte sich schon von seinem Passepartout abheben. Andererseits darf das Passepartout das Foto aber auch nicht erschlagen. Gelegentlich sieht man gegenwŠrtig Fotos - bevorzugt kleine Formate in Farbe - auf kunterbuntem Untergrund prŠsentiert, mšglichst noch mit FundstŸcken als Accessoires garniert. Die Produzenten scheinen sich der Aussagekraft und Wirkung ihrer Fotos nicht sehr sicher zu sein, sonst wŠre derartiger Aufwand nicht nštig. Hinsichtlich der Grš§e von Foto und Rahmen ist der zu erwartende Abstand des Betrachters wichtig. Der ideale Abstand zwischen Betrachter und Bild ist die doppelte LŠnge der Bilddiagonale. In einem engen Gang ist daher ein riesiger Schinken všllig ungeeignet, weil der Betrachter gar nicht genŸgend Abstand vom Bild nehmen kann, um es ganz erfassen zu kšnnen. An einer riesigen wei§en Ausstellungswand ist ein 6 x 9-cm-Format zu klein. FŸr einen Bild- band ist bei einem Leseabstand von ca. 40 cm das Format 10 x 15 cm (Bilddiagonale x 2 = 40 cm) richtig. Will ich grš§erformatige Bilder wiedergeben, muss ich damit rechnen, dass nur Bilddetails gesehen werden oder dass der Betrachter das Buch automatisch weiter von den Augen weg hŠlt; dann muss ich die Bildunterschrift vergrš§ern, wenn ich sichern sein will, dass der Betrachter den Text auch liest. Umgekehrt darf das Format aber auch nicht zu klein sein, weil der Betrachter sonst nur die Hell-Dunkel-Bereiche wahrnimmt, die Ecken Ÿberspringt und die ungegliederte FlŠche wahrnimmt. Etwas andere Regeln gelten fŸr den Diavortrag. Hier ist das Querformat geeigneter als das Hochformat, weil die Augen waagerecht nebeneinander liegen und das Sichtfeld des Menschen ebenfalls ein Querformat ist. Weil das Tempo des Bildwechsels bei der Diaserie im
Normalfall nicht vom Betrachter bestimmt wird, kommt es sehr darauf an, dass die Dias schnell erfasst werden kšnnen. Muss ich dennoch aus GrŸnden des Inhalts oder der Gestaltung ein Hochformat verwenden, sollte dieses lŠnger stehen bleiben. Auch der Sitzabstand folgt den gleichen Regeln wie der Abstand zwischen Buch und Betrachter. Meistens sitzen die Zuschauer bei DiavortrŠgen viel zu weit weg. Bei einer Leinwandgrš§e, bzw. Bildformatgrš§e von 1 x 1,5 m betrŠgt der ideale Sitzabstand ca. 3,60 m. Im †brigen gelten fŸr die Diaserie oder fŸr die Ton-Dia-Schau besondere Regeln, die denen des Film sehr Šhnlich sind; sie sollen daher hier nicht nŠher erlŠutert werden (Vgl. Franz Josef Ršll: Grundlagen erfolgreicher Ton-Dia-Produktionen. In: medien praktisch, Heft 2/1992. Julien Bire: Professionelle Dia-AV, 1990. Michael F. Kenny/Raymond F. Schmidt: Dia-Audiovision, MŸnchen 1986 S.). 9.8. Psychologische und gesellschaftliche Voraussetzungen der Bildsprache In den vorhergehenden Kapiteln wurden einige Begriffe erklŠrt und bebildert, die aus der allgemeinen Gestaltungslehre fŸr die Fotografie wichtig sind. Allerdings mšchte ich an dieser Stelle einige kritische Anmerkungen machen und offene Fragen benennen. Es gibt in der Wahrnehmungsphysiologie und -psychologie keine eindeutig richtigen oder gŸltigen Aussagen oder Theorien. ZunŠchst muss festgestellt werden, dass das menschliche Auge hinsichtlich dessen, was es leisten kann und leistet, seit langem sehr gut erforscht ist (vgl. Kap. 4.). Auch Ÿber die Wahrnehmung dessen, was das Auge dem Gehirn an Informationen weitergibt und wie das Gehirn das verarbeitet, wissen wir relativ genau Bescheid (z.B. Ÿber den Unterschied von Sehwinkel des Auges und Wahrnehmungswinkel des Gehirns; siehe Blatt A 17). Sehr viel schwieriger ist das Gebiet der psychologischen Wirkung von Bildern auf den Menschen. Hier bewegen sich viele Theoretiker noch auf dem schwankenden Untergrund der Spekulation. Drei Thesen seien hier als Beispiel referiert. 1. Die Gestaltpsychologie - bereits vor 100 Jahren entwickelt - geht davon aus, dass "der Sehvorgang ein (...) konstruktiver Proze§ (ist), bei dem vollstŠndige Muster (einer Bildtextur; J.F.) wahrgenommen und mit bereits im Gehirn gespeicherten Mustern und Erfahrungen verglichen werden, um zu einer Bestimmung des Gesehenen zu gelangen." (Weber: Sehen, S. 15) Diese These wird dann an bestimmten grafischen Grundmustern wie z.B. dem Figur-Grund-Muster entwickelt. Die FŠhigkeit, Bilder zu "lesen" wird vom jungen Menschen genauso gelernt, wie er Sprechen oder Lesen lernt. "Die Erziehung hat unsere Betrachtungsweise beeinflusst und geprŠgt und uns gelehrt, ein zweidimensionales Bild dreidimensional zu sehen, wenn einer, mehrere oder alle der erwŠhnten Anhaltspunkte, die auf RŠumlichkeit schlie§en lassen, erkennbar sind." (Weber: Sehen, S. 24.) Dieser Aneignungsprozess wird als "Kultursehen" definiert. Der Vorteil dieser These besteht darin, dass sie subjektiv plausibel und nachvollziehbar erscheint. Ihr offensichtlicher Nachteil liegt allerdings darin, dass sie weitgehend spekulativ, nicht oder nur schwer messbar ist. 2. Die Informationstheorie wendet sich genau gegen diesen Nachteil. Sie wurde von Mathematikern Mitte des 20. Jahrhunderts entwickelt. Danach werden Informationen (Wort, Bild) von einem Sender Ÿber einen Informationskanal an einen EmpfŠnger gesandt. Das dabei benutzte Zeichensystem muss dem EmpfŠnger bekannt sein, wenn er die Information verstehen soll. "Der Gehalt, die Substanz einer Nachricht ergibt sich aus der Beziehung von Unvorhergesehenem - Neuem - zu bereits Bekanntem und †berflŸssigem (...)". (Weber: Sehen, S. 27). Bildsignale mŸssen danach von der jeweiligen Zielgruppe verstanden werden und einen Erinnerungswert fŸr den Betrachter haben. 3. Beide Theorien berŸcksichtigen den emotionalen Gehalt einer Bildinformation zu wenig. Daher wurde die Emotionstheorie entwickelt, die sich zwar auch der exakten Messbarkeit entzieht, aber ebenfalls plausibel ist. Wir alle kennen Beispiele von Bildern, die uns emotional stark angesprochen haben, uns u.U. wichtige Erkenntnisse oder Impulse vermittelt haben, ohne dass sie sich besonderer formaler Tricks bedienten oder wesentlich neue Erkenntnisse befšrderten. Als Beispiel sei hier das in Text P3, Kap.3. erwŠhnte Foto von der Erschie§ung eines Vietcong durch den PolizeiprŠsidenten von Saigon erinnert. Ob und wie stark uns ein Bild emotional berŸhrt, hŠngt von gesellschaftlich, kulturell und individuell sehr unterschiedlichen Faktoren ab. Keine der Theorien - wie Ÿbrigens in der Wirkungsforschung allgemein - kann einen Ausschlie§lichkeitsanspruch erheben. Es ist daher auch versucht worden, die Gestalttheorie mit der Informationstheorie zu vermitteln, da beide deutliche BerŸhrungspunkte haben. Nachvollziehbar sind alle drei. Robert Castell (Bilder und Phantasiebilder, in: Bourdieu u.a.: Kunst S. 239 ff) entwickelt unter Anwendung des analytischen Verfahrens eine Psychologie der Photografie unter den Stichworten Foto als Symbol, Erotisierung des Blicks, fotografischer Fetischismus, Fotografie als Mittler zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein und Fotografie als Trauerarbeit. Dies bezieht sich vor allem auf die psychische Funktion des Betrachtens von Bildern durch den Rezipienten, weniger darauf, was der Produzent beabsichtigt. Die Bedeutung des Sozialisationsprozesses fŸr die gesellschaftliche Vermittlung von Sehweisen und die Wahrnehmung von Bildern betonen Kunde/Wawrzyn. Wahrnehmung ist danach nicht schon naturwŸchsig angeboren, sondern wird Schritt fŸr Schritt im Zuge der Sozialisation gelernt. Form- und Farbwahrnehmung, IdentitŠt des Gegenstandes und Perspektive (Kunde/Wawrzyn: Fotografieren, S. 10 definieren das als "visuelle Funktionen") werden durch Praxis, also Sehen und Erfahren/Begreifen gelernt. Dieser Prozess ist nie abgeschlossen (lebenslanges Lernen), verlangsamt sich aber im Laufe der Entwicklung und ist auch abhŠngig von der Praxis. Bis in die Gegenwart wird in der Literatur (z.B. Ršll / Wolf: Bildgestaltung; Mante: Bildaufbau; u.a.) davon ausgegangen, dass a) die Komposition eines Bildes auf bestimmte Grundmuster reduziert werden kann und b) die Wirkungen dieser Grundmuster auf den Betrachter eindeutig und fŸr alle Menschen identisch sind. Dieser Anschauung hat Feininger schon vor vierzig Jahren widersprochen. In "Kompositionskurs" (S. 17 ff.) stellt er die traditionelle Wirkungsforschung mit Hinweis auf wahrnehmungsphysiologische Forschungen infrage. Akademische Gestalter gehen davon aus, dass Betrachter - und zwar alle oder mindestens die meisten, immer oder fast immer - eindeutig auf bestimmte Grundmuster reagieren, dass der Betrachter durch gerade oder wellenfšrmige Linien "gelenkt" werde, dass der Betrachter also mittels LinienfŸhrung oder andere kompositorischer Elemente optisch "an die Hand genommen" und zur wichtigsten Bildinformation gefŸhrt werden kšnne. Dahinter steckt eine ethnologisch-anthropologische oder psychologische Sichtweise, die davon ausgeht, dass unabhŠngig von Kultur und Gesellschaft, von Zeit und Raum, alle Menschen auf Bildsignale identisch reagieren. Feininger dagegen bezieht sich auf Untersuchungen mithilfe der "Augenkamera", die die Augenbewegung des Betrachters aufzeichnet. Diese Untersuchungen haben ergeben, dass die Betrachter keineswegs den kunstvoll ausgelegten AriadnefŠden der Gestalter folgen, sondern meist direkt den Bildteil ansehen, der fŸr sie am interessantesten ist. Erst dann betrachten sie die Einzelheiten des Bildes genauer und zwar keineswegs immer planvoll, sondern sozusagen auf der BildflŠche vagabundierend. (Auch Weber: Sehen, S. 25 weist auf Ergebnisse Šhnlicher Versuche hin, die Feiningers Ansicht bestŠtigen: "Ecken und Winkel (bilden) die markantesten Signale fŸr das Erkennen und somit fŸr die Speicherung im Gehirn (...). Der Sehweg (...) verlief nach einem bestimmten Schema, das jedoch von Person zu Person und von Vorlage zu Vorlage variierte.Ó)
Ein bei Ršll / Wolf angegebener Versuch ist kaum aussagekrŠftig. Sie haben Betrachtern ein Blatt mit Zahlenreihen vorgelegt und sie nach drei Zahlen gefragt, die sie sich merken konnten; in diesem Versuch nannten die Betrachter regelmЧig eine Zahl links oben im "Bild", eine in der Mitte und eine rechts unten. Daraus schlie§en die Autoren, dass Betrachter Bilder wie eine Buchseite lesen, also von links oben nach rechts unten. FragwŸrdig ist diese Folgerung, weil es sich gerade nicht um ein "Bild" handelt, sondern um einen "Text". Feininger widerspricht dieser Auffassung von der "Leserichtung" des Bildbetrachters mit dem Hinweis darauf, dass in gro§en Teilen der Welt keineswegs von links nach rechts, sondern von rechts nach links oder von oben nach unten gelesen wird. Feininger erklŠrt schlie§lich den Begriff vom fotografischen Symbol fŸr bedeutsam. Danach sind bestimmte fotografische Formen dank gesellschaftlicher †bereinkunft oder aufgrund physiologischer Voraussetzungen symbolisch besetzt. So kann z.B. eine UnschŠrfe je nach Machart als Symbol fŸr Bewegung (siehe Texte T 2. und Kap. 3.) oder fŸr Tiefe (siehe Text T 2 und Kap. 3.) stehen. Schwarze Bildelemente kšnnen fŸr Trauer, Diagonalen von links unten nach rechts oben fŸr Optimismus usw. stehen. In jedem Fall handelt es sich um Symbole, deren Bedeutung aufgrund bestimmter Voraussetzungen (gesellschaftliche †bereinkunft, Wahrnehmungsphysiologie, Psychologie, kulturelle Tradition) gewertet werden. Wie wichtig die kulturelle Tradition und die gesellschaftliche †bereinkunft fŸr den Symbolgehalt von Zeichen sind, mag das Beispiel der "Farben" Schwarz und Wei§ belegen. Bei den antiken Griechen stand Wei§ fŸr Trauer. Erst unter dem Einfluss des Christentums wurde Trauer durch Schwarz symbolisiert und das nicht nur in Griechenland, sondern Ÿberall dort, wo das Christentum kulturell beherrschend wurde.
In einer von visuellen Zeichen immer stŠrker strukturierten Medienwelt bekommen Symbole fŸr bestimmte Inhalte zunehmend Bedeutung. So werden - insbesondere an Orten, die von einem internationalen Publikum besucht werden, z.B. FlughŠfen - fŸr Informationen immer šfter sog. Piktogramme verwendet. Hierbei handelt es sich um Symbole, die jeweils eine bestimmte Bedeutung haben; diese sind eindeutig, unabhŠngig von sprachlichen Unterschieden lesbar und schnell verstŠndlich. Zu unterscheiden ist zwischen bildlichen Symbolen, die in einfacher bildlicher Form den jeweiligen Inhalt symbolisieren, und abstrakten Symbolen. Bei den bildlichen Symbolen wiederum ist wichtig anzumerken, dass diese soziokulturell festgelegt sind und nicht notwendig den Erfahrungen aller Menschen entsprechen. So unterstellt z.B. das Symbol fŸr "MŠnner", dass alle MŠnner dieser Erde Schlips und Hosen tragen, das Symbol fŸr "Frauen", dass alle Frauen Ršcke tragen. Dass das nicht oder nicht immer der Fall ist oder war, zeigt der Blick nach Asien, wo teilweise die MŠnner Ršcke und nie Schlips tragen. Piktogramme "verlangen ein Minimum von visueller Erziehung. Denn die Menschen des einen Kulturkreises sehen Bilder nicht in gleicher Weise wie die eines anderen." (Weber: Sehen, S. 24) Die abendlŠndische Kultur umspannt die Erde inzwischen wie ein Netz (im Hinblick auf die gesprochene Sprache haben die Linguisten, z.B. Whorf bereits darauf hingewiesen). Dies fŸhrt dazu, dass in gro§en Teilen der Erde, also auch in solchen, die frŸher eine andere dominante Kultur hatten, die kulturellen und sozialen †bereinkŸnfte des abendlŠndischen Kulturkreises und deren Symbolik verstanden werden. Teilweise bestehen auch Symbolsprachen unterschiedlicher Herkunft nebeneinander, so dass Kommunikationspartner hŠufig erst - meist durch stille †bereinkunft - klŠren mŸssen, welches Kommunikationssystem mit welcher Symbolsprache sie benutzen wollen, wenn sie sich verstŠndigen wollen. Es gibt einfache, leicht verstŠndliche Symbole, die sich dem Betrachter sofort erschlie§en, z.B. die erwŠhnten Piktogramme. Es gibt aber auch verschlŸsselte, komplizierte Symbole, die dem Betrachter eine analytische Leistung abverlangen. Je komplexer die Symbolsprache eines Bildes ist, desto schwieriger ist es zu lesen, desto interessanter ist es aber auch. Sehen wird dann zum aktiven Vorgang, in dem der Betrachter sich mit dem Bild auseinandersetzen, es entschlŸsseln, Stellung nehmen muss. Ambitionierte Fotografen sollten sich daher vor allzu simpler Symbolik hŸten, sondern Bilder machen, die den Betrachter zur Auseinandersetzung herausfordern. Das "Regelwerk (der Bildgestaltung) aber bildet nur ein Instrumentarium im Hintergrund, das hilft, eine Bildaussage herzustellen, einen bestimmten Eindruck zu vermitteln. Viel wichtiger sind Sicht und VerstŠndnis des Fotografen und - natŸrlich - aussagekrŠftige Motive. Nur dafŸr gibt es eben kaum Regeln - hier sind Persšnlichkeit und KreativitŠt gefragt." (Niemz: Bildgestaltung, Teil 1, S. 33) 9.9. Durchbrechen der Regeln: KŸnstlerische Fotografie, Alltagsfotografie und Sozialfotografie Ein weiterer kritischer Hinweis Ÿber die akademische Gestaltungslehre stammt von Feininger (Kompositionskurs, S. 18; Fotolehre, S. 251). Gro§e Fotografen haben sich immer dadurch ausgezeichnet, dass sie mit Konventionen brachen, dass sie neue, kŸhne Gestaltungsmittel entwickelten, dass sie neue Sichtweisen der Welt vorstellten. Wer die Regeln der akademischen Gestaltungslehre Punkt fŸr Punkt anwendet, wird immer nur Klischees reproduzieren, aber keine guten Fotos machen. "Es gibt nun einmal nur zwei Arten von Fotos und Fotografen: gute und schlechte. Die schlechten Fotografen sind phantasielos, schŸchtern in ihrer Arbeit, ahmen eher nach, als da§ sie etwas erfinden, und halten sich sklavisch an die alten Regeln. Dagegen sind gute Fotografen dauernd auf der Suche nach neuen grafischen Ausdrucksmšglichkeiten und verbessern ihre Leistungen stŠndig durch phantasievolle Nutzung aller vorhandenen Mittel." (Feininger: Fotolehre, S. 251; Hervorhebung von Feininger) Sieht man sich die fotografischen Bildbeispiele der akademischen Gestaltungslehre (z.B. Mante, Weber oder Ršll / Wolf) an, so fŠllt auf, wie plakativ, wenig aussagekrŠftig oder provokant diese Fotos sind. Meist handelt es sich um Bilder, die vor allem dem Interpretationszweck der Autoren entsprechen, nicht aber durch besondere kŸnstlerische Ambitionen oder neue aufregende Sichtweisen auffallen. Sie sind eher dekorativ, weniger aussagekrŠftig. Dies lŠsst sich bei Mante z.B. darauf zurŸckfŸhren, dass er sich auf die Kompositionslehre des Bauhauses bezieht (Kandinsky, Klee), dessen primŠre Absicht im Design von GebrauchsgegenstŠnden lag. FŸr die kŸnstlerische Fotografie ist darŸber hinaus bedeutsam, dass keine Kunstform ohne Klischees auskommt. Jedes Kunstwerk, also auch das Bild, die Fotografie muss dem Betrachter Bekanntes vermitteln. Bildelemente mŸssen dazu geeignet sein, dass der Betrachter sich erinnert, sie mit bereits gesehenen Bildern vergleicht und dadurch zu Assoziationen angeregt wird. Jedes Bild - auch das des grš§ten Neuerers - verbindet bekannte Bildelemente oder Klischees mit Neuem (vgl. Kap. 9.8). Das ausgewogene VerhŠltnis zwischen beidem entscheidet darŸber, ob und in welchem Umfang der Betrachter bereit ist, sich mit dem Bild auseinander zu setzen: Ein Bild das langweilig ist, weil es nur Bekanntes reproduziert, wird ebenso wenig Aufsehen erregen wie eins, das nur ungewohnte Sichtweisen vorstellt. NatŸrlich bestimmt sich die Ausgewogenheit von Konvention und Innovation auch durch den Betrachter. Einer, der gewohnt ist, sich mit Neuem auseinander zu setzen, findet eine radikal neue Sichtweise aufregend, lehnt konventionelle Bildelemente dagegen všllig ab. Und umgekehrt. Wohlgemerkt: diese Aussagen beziehen sich vorwiegend, wenn auch nicht ausschlie§lich, auf die Kunstfotografie. "Die Šsthetische Bewertung eines jeden Bildes ist stets individuell verschieden und von Emotionen bestimmt. Sie hŠngt wesentlich vom Bewu§tseinsstand, dem Erfahrungsschatz und der SensibilitŠt des Betrachters ab." (Weber: Sehen, S. 32) Nun gibt es allerdings in gewisser Weise eine Wechselwirkung zwischen Gestalter und Betrachter in der Form, dass Gestaltung - insbesondere die Werbung - beim Betrachter, also beim Publikum bestimmte Wahrnehmungs- und Sichtweisen herstellen. Wenn bestimmte Symbole, Methaphern oder Bilder immer wieder, ggf. durch Text kommentiert mit einer bestimmten Bedeutung verwendet werden, dann stellt sich beim Betrachter schlie§lich ein automatisches Assoziationsverhalten ein, so dass er mit bestimmten Symbolen auch in neuen ZusammenhŠngen die vertrauten Inhalte verbindet. Werbung und Gestaltung legen daher in gewissen Zeitintervallen gesellschaftliche †bereinkŸnfte hinsichtlich der Interpretation von Symbolen neu fest. Am Beispiel des Goldenen Schnitts macht Feininger (Kompositionskurs, S. 86 ff) deutlich, dass die sklavische Anwendung der Regeln des Goldenen Schnitts hŠufig zu stereotypen, langweiligen und konventionellen Bildern fŸhrt, bei denen man den Eindruck hat, sie schon hunderteinmal gesehen zu haben (was indirekt sogar stimmt). Hieraus erklŠrt sich auch, dass die Beispielfotos in den einschlŠgigen BildbŠnden zur Kompositionslehre Ÿberwiegend zwar schšn und harmonisch, aber eigentlich langweilig, aussageschwach und konventionell wirken, weil sie idealtypisch die traditionellen Regeln der Bildgestaltung wiedergeben sollen. "Was nicht genug betont werden kann ist die Tatsache, dass es in der Fotografie keine 'Gesetze der Komposition' gibt, am allerwenigsten unverletzliche. Alle solche 'Gesetze' (sind) hšchstens GrundsŠtze. Aber selbst diese sollten bestenfalls als LeitfŠden angesehen werden, die verschiedenartig gedeutet und gegebenenfalls ignoriert werden kšnnen. Wenn ein Fotograf eine eigene Meinung in Angelegenheiten der Komposition hat, sollte er sie meiner Ansicht nach auch in seinen Bildern ausdrŸcken, ohne RŸcksicht darauf, was andere darŸber denken mšgen." (Feininger, a.a.O., S. 88) Insbesondere dann, wenn Disharmonie symbolisiert werden soll, kann es angeraten sein, den Goldenen Schnitt (oder andere Kompositions"regeln") zu vermeiden. Mšchte ich mit meinem Foto ungewohnte, vielleicht sensationelle Wirkungen erzielen, neue Sehweisen provozieren, die besondere Aufmerksamkeit des Betrachters gewinnen, bestimmte inhaltliche Aussagen machen, werde ich die akademischen Regeln der Kompositionslehre beiseiteschieben und meine eigenen gestalterischen Mittel entwickeln. Gro§e Fotografen (ebenso wie andere KŸnstler) sind selten berŸhmt geworden, weil sie sich buchstabengetreu an die Regeln gehalten haben, sondern weil sie diese gerade radikal durchbrochen haben (was nicht selten zunŠchst zu massiven Anfeindungen seitens der Konservativen fŸhrte, z.B. bei Rodtschenko; siehe Kap. 2.). Das kann u.U. selbst fŸr den Werbefotografen oder -grafiker gelten. Werbemittel haben hŠufig dann Wirkung gezeigt, wenn sie neue formale Mittel entwickelt haben. Ich mšchte das an einem sprachlichen Beispiel verdeutlichen. Der Slogan "Persil bleibt Persil" war einer der grš§ten Werbeerfolge und fand Eingang in die alltŠgliche Sprichwortpraxis, obwohl er die stilistische Regel verletzte, dass man Tautologien (das ist z.B. der berŸhmte "wei§e Schimmel") vermeiden soll. - Ich habe das in diesem Zusammenhang so ausfŸhrlich dargestellt, weil gerade die Prinzipien des Goldenen Schnitts und der optischen Bildmitte traditionell in der Gestaltungslehre so stark betont werden. Auch Werbemittel haben hŠufig dann Wirkung gezeigt, wenn sie neue formale Mittel entwickelt haben. PrimŠr arbeitet die Werbung mit Klischees. Um aber immer wieder die Aufmerksamkeit des Konsumenten zu fesseln, muss der Werbedesigner auch Neues, Ungewohntes einarbeiten. Mehr noch als der Kunstfotograf muss er aber die Bereitschaft des Betrachters einkalkulieren, Ungewohntes zu akzeptieren. Die Wechselwirkung zwischen Gestalter und Betrachter stellt beim Publikum bestimmte Wahrnehmungs- und Sichtweisen her. Wenn bestimmte Symbole, Methaphern oder Bilder immer wieder, ggf. durch Text kommentiert, mit einer bestimmten Bedeutung verwendet werden, dann stellt sich beim Betrachter schlie§lich ein automatisches Assoziationsverhalten ein, so dass er mit bestimmten Symbolen auch in neuen ZusammenhŠngen die vertrauten Inhalte verbindet. Werbung und Gestaltung legen daher in gewissen Zeitintervallen gesellschaftliche †bereinkŸnfte hinsichtlich der Interpretation von Symbolen neu fest.
Das genaue Gegenteil von kŸnstlerischer Fotografie ebenso wie von der Gebrauchsfotografie ist die €sthetik der Alltagsfotografie (vgl. Text P 3), auf deren besondere "gestalterische" Mittel ich an dieser Stelle hinweisen mšchte. Hier fŠllt auf, dass die GrundsŠtze der Bildkomposition regelmЧig au§er Kraft gesetzt werden. Vorder- und Hintergrund harmonieren meistens nicht. Die dargestellten Personen werden genau in der Bildmitte platziert. Es wird Ÿberwiegend die Zentralperspektive benutzt. Sie werden nicht im Profil oder Halbprofil, sondern fast ausschlie§lich von vorn fotografiert. HŠufig werden vor allem bei Urlaubsfotos Objekte mit den dargestellten Personen verbunden, z.B. die Reisegruppe oder die Partner vor dem Brandenburger Tor usw. Man kšnnte schlicht daraus folgern, dass die Unkenntnis der Bildsprache zu diesen Ergebnissen fŸhrt. Ich denke aber, dass wir es einfach mit einer anderen Bildsprache, sozusagen einem Slang, einer Art Alltagssprache zu tun haben. Dadurch, dass in der Zentralperspektive, frontal und mittig das Objekt Brandenburger Tor ebenso wie die dargestellte Person abgebildet werden, wird beiden eine besondere Wertung gegeben, sie verstŠrken gegenseitig ihre Wirkung und werden zum Symbol erhoben. Durch das ReprŠsentative des Tores wird die Person herausgehoben; das Tor bekommt aber zugleich durch die abgebildete Person eine neue Bewertung, nur beide zusammen machen fŸr den Fotografen und den spŠteren Betrachter, dem die Urlaubsfotos vorgefŸhrt werden, das Bild zum Besonderen.
Auch in der sozialdokumentarischen Fotografie werden aus unterschiedlichen GrŸnden die akademischen Regeln der Bildgestaltung hŠufig au§er Kraft gesetzt (siehe Texte T 7 und P 5, BlŠtter A 21/22). Bei der Aufnahme lassen sich diese Regeln oft nicht berŸcksichtigen, weil es auf die Schnelligkeit in einer bestimmten Situation ankommt. Immerhin lŠsst sich viel in der Nachbearbeitung (Vergrš§erung, PrŠsentation) korrigieren. Die klassischen Ausdrucksmittel der fotografischen Sozialdokumentation sind: kurze Brennweiten, mittlere Distanz, Augenhšhe als Ÿberwiegende Perspektive, gleichmЧige Beleuchtung, ein Spektrum von Menschen und Dingen, komplexe Bildinformationen sowie die Montage (vgl. GŸnther: Fotografie, S. 158). Die kurzen Brennweiten sind der formale Ausdruck dafŸr, dass der Fotograf Teil der Bewegung, Mitglied der jeweiligen Gruppe oder vertraut mit der Person ist. Er ist daher nicht auf das Teleobjektiv angewiesen, und das Bild ist zugleich Dokument fŸr die NŠhe zum Objekt. Durch Augenhšhe als gebrŠuchlichste Perspektive wird optisch signalisiert, dass der Fotograf und der Betrachter auf einer Hšhe stehen mit den abgebildeten Personen, weder Ÿberlegen noch untergeordnet ist. Die Montage in der Nachbearbeitung wird hŠufig verwendet, um abstraktere VerhŠltnisse, Verbindung oder WidersprŸche zu visualisieren. Lange Brennweiten oder extreme Perspektiven werden nur ausnahmsweise zur Charakterisierung von Hierarchien oder zur Ironisierung z.B. verwendet. Kurze Brennweiten zwingen zur Auseinandersetzung mit den Menschen, setzen ihr EinverstŠndnis voraus und vermeiden die Indiskretion und den Voyeurismus des Teleobjektivs. Das Ziel der sozialdokumentarischen Fotografie ist also die genaue und umfassende Information sowie der Appell an die Vernunft und den Sinn. Das genaue Gegenteil strebt die Werbe- oder die Propagandafotografie an, die plakativ sind, an das Unterbewusste appellieren und auf den Effekt zielen. Auf den Unterschied von Gestaltung und Manipulation und die damit verbundenen Probleme weist Gisle Freund (Photographie, S. 229) hin: "Ein Bild ist leichter zu verstehen als das abstrakte Wort und daher fŸr jedermann zugŠnglich; seine Besonderheit liegt darin, dass es an das GefŸhl appelliert; es lŠsst keine Zeit zum Nachdenken, wie es vergleichsweise bei der Unterhaltung oder der LektŸre eines Buches mšglich ist. Die Macht des Bildes liegt in seiner Unmittelbarkeit, und hier liegt auch seine Gefahr. Die Photographie hat das Bild um Billionen vervielfacht. FŸr die meisten Menschen wird die Welt nicht mehr erzŠhlt, sondern vorgefŸhrt." Es folgt ein Beispiel eines Fotos aus dem Vietnamkrieg, das damals die ganze Welt anrŸhrte und gegen den Krieg empšrte. "Weil die Photographie sich an das GefŸhl richtet, besitzt sie eine †berzeugungskraft, die ganz bewusst von denjenigen ausgenutzt wird, die sich ihrer als eines Instruments zur Manipulation bedienen." (a.a.O., S. 229)
ãDie Dauer des AugenblicksÒ Ein foto-pŠdagogisches Handbuch T 7 " Fast wie im richtigen Leben " A 21/22, T 8, P 4, D 3 Zur Theorie der Sozialfotografie Der Begriff "Sozialfotografie" ist nicht eindeutig definiert. Er wechselt gelegentlich mit "dokumentarische Fotografie", "eingreifende Fotografie" und "Arbeiterfotografie". Die NŠhe zum Fotojournalismus ist unverkennbar. Ich benutze den Begriff "Sozialfotografie", weil er am ehesten das kennzeichnet, was ich im Folgenden beschreibe. Auf eine definitorische Ableitung verzichte ich aufs PlatzgrŸnden, stattdessen gebe ich das folgende Schaubild, das ein denkbares Strukturschema sein kšnnte: Die Sozialfotografie wurde zunŠchst von Berufsfotografen entwickelt, spŠter im Zusammenhang mit den unterschiedlichen sozialen Bewegungen Ÿberwiegend von Amateur- und Hobbyfotografen ausgeŸbt. Problematisch ist daher die Abgrenzung zwischen Fotojournalismus und Sozialfotografie. Die amerikanische Fotografin Margaret Bourke-White hat dafŸr die folgende Formulierung gefunden: "In Russland bekam ich erstmals einen Eindruck davon, wie man das VerhŠltnis des Menschen zur Maschine und zum Arbeitgeber erklŠren kann. Mir wurden die Augen gešffnet. In Amerika ist es natŸrlich komplizierter, aber jetzt mache ich lieber als alles andere Bilder von dem, was vor sich geht, nicht unbedingt Neues, sondern einfach von der Stellung des Menschen in der Welt, wie sie heute aussieht." (Bourke-White in New York Post, zitiert nach Agee/Evans: Preisen, S. 508) Das Unterscheidungsmerkmal ist daher das der AktualitŠt gegenŸber der zeitlosen Aussage. Allerdings wird im Einzelfall auch diese Grenze durchlŠssig. Das Bild von der Erschie§ung des Vietcong-Soldaten durch den Saigoner PolizeiprŠsidenten (siehe Text P 3) ist eindeutig ein journalistisches Foto, das aktuelle Bedeutung hatte. Es ist aber insofern zeitlos geworden als es auch heute noch von Interesse ist. Und es hat unmittelbare und lŠngerfristige Wirkung gezeigt, indem es den "schmutzigen Krieg" in Vietnam denunzierte und die Betrachter in Amerika und Europa aufrŸttelte. Insofern ist es eingreifend wirksam gewesen und kommt dadurch in die NŠhe der Sozialfotografie. Trotz der primŠren Bedeutung der Bildinformation fŸr die dokumentarische Fotografie haben sich die gro§en Foto-Dokumentaristen immer um Šsthetische Bilder bemŸht. "Der Dokumentarismus ist demnach ein Ansatz, der sich kŸnstlerischer Talente bedient, um das zu erreichen, was Walt Whitman mit Blick auf die moderne Lyrik als die 'Verlebendigung des TatsŠchlichen' bezeichnet hatÓ (Newhall: Geschichte, S. 244). Ich verstehe unter Sozialfotografie eine Bewegung und deren Resultate, die sich die Aufgabe setzt, soziale Bewegungen, soziale MissstŠnde zu dokumentieren und u.U. politisch eingreifend tŠtig zu werden. Die Themenvielfalt ist keineswegs auf den betrieblichen Bereich eingeschrŠnkt, sondern umfasst auch z.B. Fragen des Wohnens, der …kologie, MilitŠr und Friedensbewegung, staatliche Repression usw. Dabei ist es zunŠchst unerheblich, ob sie von Amateuren oder Professionellen ausgeŸbt wird. Im Unterschied zur Werbefotografie ist die Sozialfotografie an der genauen und umfassenden Information interessiert, appelliert an die Vernunft und transportiert einen ausgewiesenen Inhalt. FŸr die Entwicklung der Sozialfotografie bzw. ihr Fortbestehen waren und sind einige technische und gesellschaftliche Voraussetzungen notwendig. ZunŠchst mŸssen Sozialfotografen Ÿber lichtstarke Objektive und ãschnelleÒ Kameras verfŸgen (kurze Belichtungszeiten, Filmtransport), um sich auf wechselnde Situationen einstellen zu kšnnen. Die gesellschaftlichen Voraussetzungen sind aber noch wichtiger. Es mŸssen soziale MissstŠnde existieren, die von sozialen und/oder politischen Bewegungen skandalisiert werden. Und schlie§lich sind fehlende …ffentlichkeit, mangelnder Zugang zur Presse und fehlender kritischer (Foto-) Journalismus konstituierende Momente. Sozialfotografie als SubkulturDie Sozialfotografie ist als kulturelle Ausdrucksform unterschiedlicher Subkulturen entstanden. Ihre Wurzeln liegen einmal in der bŸrgerlich-karitativen, dokumentarischen Fotografie der zweiten HŠlfte des 19. Jh., andererseits in der Arbeiterbewegung des 2. und 3. Jahrzehnts des 20. Jh. Um die Bedeutung der Sozialfotografie genauer zu kennzeichnen, mšchte ich zunŠchst kurz die Theorie der Subkultur skizzieren. Ich beziehen mich dabei auf die vom Centre of Contemporary Cultural Studies (CCCS) in Birmingham entwickelte Theorie jugendlicher Subkulturen, die auch von deutschen Autoren inzwischen aufgegriffen und weiterentwickelt wurde. Danach sind Subkulturen Teile von Stammkulturen, die wiederum in einem hierarchischen VerhŠltnis zueinander stehen. "Aber Šhnlich, wie die verschiedenen Gruppen und Klassen im VerhŠltnis zueinander, nach Ma§gabe ihrer Reproduktionsbedingungen, ihres Reichtums und ihrer Macht in ungleicher Rangfolge stehen, so stehen auch Kulturen in ihrer Stufenfolge und in Opposition zueinander - in Herrschafts- und UnterdrŸckungsbeziehungen - auf der Skala der kulturellen Macht." (Clarke, 1983, S. 42.) Clarke u.a. bezeichnen die herrschende Kultur - also die Kultur der gesellschaftlichen MachttrŠger - als "hegemoniale" oder dominate", die in Opposition zu unterdrŸckten Kulturen steht: "Dies bedeutet nicht, da§ es nur ein System von Ideen oder kulturellen Formen in der Gesellschaft gibt. Im Rahmen der herrschenden Ideen einer Gesellschaft wird mehr als eine Tendenz wirksam sein. Gruppen oder Klassen, die nicht am Gipfel der Macht stehen, finden gleichwohl Mšglichkeiten, ihre untergeordnete Position und ihre entsprechenden Erfahrungen in ihrer Kultur auszudrŸcken und zu verwirklichen" (a.a.O., S. 43). Die Opposition zwischen dominanten und untergeordneten Kulturen "nimmt also immer die Form eines dauernden Kampfes um die Verteilung der 'kulturellen Macht' an." (a.a.O.) UnterdrŸckte, nicht-dominante Kulturen nennen Clarke u.a. "Stammkulturen", die in diverse Subkulturen untergliedert sind. Im Fall der Arbeiterfotografie wŠre dies die Subkultur, die der Stammkultur Arbeiterbewegung zuzuordnen wŠre. "Subkulturen mŸssen also zunŠchst in Beziehung zur Stammkultur gesetzt werden, von der sie ein Subsystem sind. Aber Stammkulturen mŸssen auch in ihrem VerhŠltnis zu der dominaten Kultur analysiert werden - zur Ÿbergreifenden Verteilung kultureller Macht in der Gesamtgesellschaft." (a.a.O., S. 45) In ihren weiteren AusfŸhrungen stellen Clarke u.a. fest, dass insbesondere jugendliche Subkulturen ein Ferment, eine produktive Essenz fŸr ihre jeweilige Stammkultur wie fŸr die Kultur einer gesamten Gesellschaft sein kšnnen. "Die Arbeiterklasse hat vielen Bereichen der Massenfreizeit und -erholung ihren Stempel aufgedrŸckt. Diese Bereiche bilden einen wichtigen Teil der korporativen Kultur und sind wesentlicher Bestandteil der Erfahrung und kulturellen IdentitŠt der ganzen Klasse." (a.a.O., S. 99) Geschichte der SozialfotografieGeradezu idealtypisch nachzeichnen lŠsst sich das vom CCCS entwickelte System in der Geschichte der Sozialfotografie. Die ersten Sozialfotografen, die Bilder sozialer Situationen machten und veršffentlichten, gehšrten zur bŸrgerlichen Mittelschicht. sie waren Berufsfotografen oder Fotoamateure, die aus sozialer Empšrung MissstŠnde anprangern wollten und dafŸr Formen der bŸrgerlichen …ffentlichkeit wie Ausstellungen, Zeitungen und Illustrierte benutzten. Sie fanden, parallel zum literarischen und malerischen Naturalismus, ihre Entsprechung in sozialpolitischen Bewegungen der Kirchen und Gewerkschaften. Die Pioniere dieser frŸhen bŸrgerlichen Sozialfotografie lebten Ÿbrigens in England und den USA, wo die sozialen WidersprŸche im 19. Jh. besonders eklatant waren (z.B. Thomson, Hine, Lange, Riis, in Deutschland und deutlich spŠter Zille). Ca. seit 1910 wird die Fotomontage als kŸnstlerisches und verfremdendes Mittel - nicht nur - in der Sozialfotografie verwendet. "Bereits 1913 stellt eine franzšsische Postkarte mit einer Fotomontage den Kronprinzen des Deutschen Reiches als Monster auf einem der TŸrme der Pariser Kathedrale Notre Dame dar." (GŸnter: Fotografie, S. 72) John Heartfield und Georges Grosz entwickeln im Rahmen der Dada-Bewegung die Fotomontage. Heartfield fŸhrt sie spŠter zu ihrer BlŸte in der Arbeiter-Illustierten-Zeitung. Die Arbeiterfotografie hat sich des Mittels der Fotografie relativ spŠt angenommen. Die Pioniere waren sowjetische KŸnstler, die teilweise aus anderen Kunstsparten zur Fotografie wechselten und das fotografische Bild zunŠchst als Propagandainstrument fŸr die analphabetischen Massen nutzten, sie aber sehr schnell unter Einbeziehung der besonderen technischen Mšglichkeiten der Fotografie (Montage etc.) zu parteilich-kŸnstlerischer QualitŠt entwickelten. Viele Querverbindungen gab es zum Film und zur Malerei. Parallel wurde das System der Arbeiterkorrespondenten auf die Fotografie Ÿbertragen. Amateurfotografen dokumentierten ihren Lebensalltag, und die Arbeiterorganisationen stellten ihnen in Form von Illustrierten eine …ffentlichkeit zur VerfŸgung. In Deutschland wurde diese Kultur in den zwanziger und drei§iger Jahren Ÿbernommen und weiterentwickelt (z.B. in der "Arbeiter-Illustrierten-Zeitung" (AIZ); im "Arbeiterfotograf", von Ballhause). Diese Form der Fotografie hatte starken Einfluss auf die proletarische …ffentlichkeit wie auch auf die
Fotografen und Maler der bŸrgerlichen Kunst. An der AIZ lŠsst sich auch ablesen, wie unscharf die Grenzen zwischen Sozialfotografie und Fotojournalismus waren (und sind). Nachdem in Deutschland der Faschismus die Arbeiterbewegung und mit ihr alle kulturellen Traditionen grŸndliche liquidiert hatte, wurde nach dem Zweiten Weltkrieg nur zšgernd und im Gefolge ganz anderer sozialer Bewegungen die Sozialfotografie wieder lebendig. Da die Fotografie seit den fŸnfziger Jahren nicht mehr das modernste Bildmedium war, wurde die Sozialfotografie zunŠchst durch den Fotojournalismus tradiert (Zint, Ruetz u.a.). Die sozialen Bewegungen (gegen die Wiederbewaffnung, Ostermarsch, Studentenbewegung) zeigten selber nur ein erstaunlich unterentwickeltes Interesse an der bildlichen Dokumentation. Ursache war sicher auch der Mangel an technischen Mšglichkeiten, vor allem aber das primŠre Interesse an der bŸrgerlichen …ffentlichkeit von Presse, Hšrfunk und Fernsehen. Erst seit den siebziger Jahren entwickelten die sozialen Bewegungen (Atomkraftgegner, Friedensbewegung, Hausbesetzer u.a.) eine neue Fotokultur. Dabei erwies sich der Rekurs auf tradierte Vorbilder der zwanziger Jahre als untauglich. Vielmehr entwickelten die neuen sozialen Bewegungen - nicht nur, sondern eher zuletzt - auch in der Fotografie eigene, neue Šsthetische Kategorien und bildgestalterische Mittel. So wurden Šsthetische Elemente der Werbung (die sich inzwischen z.B. der Montage bemŠchtigt hatte) Ÿbernommen bzw. "zurŸckerobert". Das Schlagwort von der "Kultur von unten" wurde aktualisiert und wieder praktisch eingelšst. Die WirkungsdebatteIn den frŸhen siebziger Jahren wurde im Gefolge der Studentenbewegung eine Debatte Ÿber die "politische Relevanz" von Kunst gefŸhrt, die unterstellte, dass Kunst a priori bŸrgerlich, daher zu bekŠmpfen sei. Allenfalls ihre Funktionalisierung fŸr "Propaganda" wurde akzeptiert. Entsprechend unansehnlich waren die kulturellen Produkte. Das Ergebnis dieser Debatte war - wie wir heute sehen - natŸrlich unhaltbar, weil Kunst wie jede andere gesellschaftliche €u§erung sowohl affirmativ als auch emanzipatorisch sein kann. †ber den Realismus in der Sozialfotografie denkt Alexander Kluge (Fontane, S. 8) differenzierter nach: "Die Lage wird dadurch so kompliziert, da§ weniger denn je eine einfache 'Wiedergabe der RealitŠt' etwas Ÿber die RealitŠt aussagt. Eine Fotografie der Krupp-Werke oder der AEG ergibt beinahe nichts Ÿber diese Institution. Die RealitŠt ist in die Funktion gerutscht. Die Verdinglichung der menschlichen Beziehungen, also etwa die Fabrik, gibt die letzte nicht mehr heraus." Bereits Kracauer (Ornament, S. 33 f) hat festgestellt, dass die Fotografie ein Medium ist, das emanzipatorisch ebenso gut wie antiemanzipatorisch wirken kann. "Noch nie hat eine Zeit so gut Ÿber sich Bescheid gewu§t, wenn Bescheid wissen hei§t: ein Bild von den Dingen haben, das ihnen im Sinne der Photographie Šhnlich ist. (...) Noch niemals hat eine Zeit so wenig Ÿber sich Bescheid gewu§t. Die Einrichtung der Illustrierten ist in der Hand der herrschenden Gesellschaft eines der mŠchtigsten Streikmittel gegen die Erkenntnis."
Hieraus lŠsst sich das Postulat ableiten, dass die Menschen das Foto selbst in die Hand nehmen mŸssen. Die Sozialfotografie kann dazu ein Mittel sein. Sozialfotografie kann auf den Betrachter, wenn und wo er mit ihr konfrontiert ist, emotionalisieren, affirmativ und schockierend zugleich, zu assoziativem Denken anregend und politisch motivierend wirken. Sie kann ein Beitrag zu jener Kultur von unten sein, weil sie auch beim Fotografieren neue Erkenntnisse und Erfahrungen ermšglicht. Aber ob sie dies tut, hŠngt ab vom VerhŠltnis zwischen Fotograf, Objekt und Betrachter und von den bildgestalterischen Mitteln und deren Veršffentlichung. Die Sozialfotografie ist - im Unterschied z.B. zur Werbefotografie oder Propaganda - an der genauen und umfassenden Information interessiert, appelliert an die Vernunft und transportiert einen ausgewiesenen Inhalt. Stumberger hat einen interessanten Aspekt in die theoretische Diskussion Ÿber die Sozialfotografie eingebracht. ãSoziale Ungleichheit und die Zumutungen der Arbeitswelt wie erhšhte IntensitŠt, Stress, soziale Unsicherheit und nicht zuletzt eine empfundene Sinnlosigkeit verlagern sich zunehmende in die Kšrper und Kšpfe der Menschen selbst. (...) Eine neue soziale Fotografie fŸr die Wohlstandsgesellschaften der Ersten Welt steht (...) vor der Aufgabe, auch mit soziologisch-analytischem Instrumentarium den neuen verŠnderten Sichtweisen auf die Schliche zu kommen.Ò AusdrŸcklich verweist er auch auf Bourdieu. Vor diesem Hintergrund erscheinen auch die PortrŠts von August Sanders sehr modern.
JŸrgen Fiege 2011 ãDie Dauer des AugenblicksÒ Ein foto-pŠdagogisches Handbuch T 8 Sozialfotografie - klassische Texte A 19/20, T 6, P 5, D 3 1. Die Tendenzphotographie Warum kann man den Simplizissimus [14] nicht mehr lesen?. Warum gibt es kein gutes deutsches Witzblatt? Weil der Typus dieses alten Witzblattes unmšglich geworden ist. Diese mŸhsam konstruierten Scherze, um einen ein fŸr alle Mal feststehenden Raum zu fŸllen ("Seien Sie witzig!"); die "Idee", die einem schlecht bezahlten Redakteur einfŠllt, und die er dann einem Maler in Auftrag gibt; diese veraltete Technik, zu einem gleichgŸltigen Bild eine Unter-schrift zu finden, die ein Witz sein soll -: alles Das ist ganz und gar uninteressant. Ganz abgesehen von einem všllig amorphen Publikum, dessen einzelne Schichten gar keine ge-meinsamen Interessen mehr au§er den trivialsten haben, abgesehen von der Feigheit der Verleger, die Annoncen und Abonnenten, aber kein gutes Witzblatt haben wollen - ganz abgesehen davon ist auch die Technik dieser BlŠtter von vorvorgestern. Es gŠbe schon etwas Neues. Einen Grosz [15] findet man nicht alle Tage. Die kleinen Zeichner sind nicht Ÿbel - ob sie auf die Dauer ein Blatt fŸllen kšnnen, ist zweifelhaft. Es gibt aber ein sehr witziges, politisch unend-lich wirksames Kampfmittel - und das ist die Tendenzphotographie. Sie wird viel zu wenig angewandt. Die Phantasiearmut der sozialdemokratischen Parteiredakteure stattet ihre Bildbeilagen immer noch aus wie zu Gro§mutters Zeiten - ein tendenzišses Gegengewicht zu den angeblich objektiv berichtenden illustrierten Zeitschriften gibt es nicht. Warum eigentlich nicht - ? Warum macht sich von den Kommunisten Niemand daran, im Bunde mit der Photographie zu kŠmpfen ? (AnfŠnge sind in `Sichel und Hammer« [16] zu finden.) Die Photographie ist unwider-legbar. Sie ist gar nicht zu schlagen. Was allein mit photographischen GegenŸberstellungen zu machen ist, wei§ nur Der, ders einmal probiert hat. Die Wirkung ist unauslšschlich und durch keinen Leitartikel der Welt zu Ÿbertreffen. Eine knappe Zeile Unterschrift - und das einfachste Publikum ist gefangen. Ludendorff [17] in Zivil; das Automobil eines Bankiers, die Wohnung seines Portiers; Richtergesichter einer preu§ischen Strafkammer und ihr Opfer; Studenten auf der Kneipe; verhaftete Kommunisten vor und nach Feststellung ihrer Personalien; eine Konfrontation der Physiognomien Lenins [18] und Hindenburgs [19] ; eine Parade unter Wilhelm [20] und eine unter Seeckt [21] ; das sind Themen, die mit Worten gar nicht so treffend behandelt werden kšnnen, wie es die unretuschierte, wahrhaftige und einwandfreie Photographie tun kann. Die erst durch die Anordnung und die Textierung zum Tendenzbild wird. Sie ist eine ma§los gefŠhr-liche Waffe. Der Zeichner kann sich etwas ausdenken. Der Photograph nicht. Vom Kino zu schweigen. Da streiten sie sich Ÿber die orthodoxe Auslegung des Kommuni-stischen Manifests herum und sind noch nicht einmal dazu gekommen, das Kino, diese Bibel von heute, der Arbeiterschaft dienstbar zu machen. Vor lauter Organisation, Bedenken, Kom-petenzen und Beratungen kommen sie nicht dazu. Unterdessen haben und benutzen ihn die Anderen. Das mag wohl nicht von heute auf morgen zu Šndern sein. Die Photographien aber sind da, Dynamit und Sprengpatronen im Kampf der Seelen. Was uns fehlt, ist die tendenzphotograpisch illustrierte Kampfzeitung." Ignaz Wrobel (d.i. Kurt Tucholski): Die Tendenzphotographie in: WeltbŸhne 28.4.1925, S. 637 2. Preisausschreiben der A.I.Z. Die illustrierte Zeitung ist das Blatt der nŠchsten Zukunft. In den Vereinigten Staaten von Nordamerika, deren zeitungstechnische Entwicklung in den letzten Jahrzehnten vorbildlich fŸr die Entwicklung der europŠischen Zeitungen war, zeigt sich ein au§erordentliches An-schwellen der illustrierten BlŠtter auf der einen und ein RŸckgang der politischen Zeitungen auf der anderen Seite. Die Erscheinung erklŠrt sich aus der immer stŠrker werdenden Lese-mŸdigkeit des Publikums, die durch die †berarbeitung, durch die starke Inanspruchnahme der Nerven durch den Gro§stadtbetrieb, durch die Mechanisierung der Arbeit hervorgerufen wird. Die bŸrgerliche Presse hat sich bereits auf diese Entwicklung eingestellt, und die grš§eren bŸrgerlichen Verleger verkŸnden heute, da§ es in wenigen Monaten in ganz Deutschland keine Zeitung ohne Illustrationen mehr geben wird, da§ die illustrierten Zeitungen in ihrer Auflagenziffer schnell die heutigen Tageszeitungen einholen werden. - Ein ganzer Apparat von Photographen-PressebŸros ist bereits entstanden. Wie die kapitalistischen Nachrichten-bŸros die Tageszeitungen mit tendenzišsen Nachrichten Ÿber die Weltereignisse ŸberschŸtten, so schaffen die bŸrgerlichen Presse-PhotobŸros eine FŸlle von Bildern, die im kapitalistischen und bŸrgerlichen Sinne die Massen beinflussen sollen. Bilder aus dem Leben des Proletariats sind unbekannt und werden nicht hergestellt, weil ihre Verbreitung dem Interesse der kapitalistischen Auftraggeber nicht entspricht. Diese LŸcke mu§ ausgefŸllt werden. Das schaffende Volk mu§ auch hier rechtzeitig auf dem Plan sein und die Entwicklung erkennen. - Der gewaltige Aufschwung, den die "Arbeiter Illustrierte Zeitung" genommen hat, zeigt, da§ die Arbeiterschaft bereits erkannt hat, wie wichtig die Berichterstattung Ÿber das politische, soziale und kulturelle Leben auch im Bilde ist. Aber wir gestehen offen, da§ die "Arbeiter Illustrierte Zeitung" der Aufgabe, die sie sich selbst stellt, nicht immer gerecht werden konnte, weil es ihr unmšglich war, das dazu notwendige Bildmaterial zu beschaffen. - Der Neue Deutsche Verlag, der Herausgeber der "Arbeiter Illustrierten Zeitung", hat sich deshalb entschlossen, alle seine Leser, das gesamte schaffende Volk aufzurufen, ihm bei der ErfŸllung seiner Aufgaben behilflich zu sein. Er veranstaltet folgendes Preisausschreiben. FŸr die 50 besten photographischen Aufnahmen aus dem politische, wirtschaftlichen und sozialen Leben des Arbeiters werden vom Verlag 50 BŸcherpreise zur VerfŸgung gestellt. I. Preis: Eine Arbeiterbibliothek bestehend aus 50 BŠnden (nach Wahl des PreistrŠgers) II. Preis: Eine Arbeiterbibliothek bestehend aus 25 BŠnden (nach Wahl des PreistrŠgers) III. Preis: Eine Arbeiterbibliothek bestehend aus 10 BŠnden IV. und folgende Preise bestehen aus Werken von Lassalle, Marx, Engels, Liebknecht, Trotzki, Lenin etc. Au§erdem behŠlt sich der Verlag vor, die photographischen Aufnahmen fŸr den Nachdruck zu erwerben und auch sonst aus dem eingesandten Bildmaterial und den Artikeln auszuwŠhlen, was fŸr die Wiedergabe geeignet ist. FŸr die Auswahl der Bilder mŸssen folgende Gesichts-punkte ma§gebend sein: 1. Aufnahmen, die die revolutionŠre Bewegung der Arbeiterschaft kennzeichnen, 2. Aufnahmen, die die soziale Lage der Arbeiterschaft kennzeichnen, 3. Sogenannte Genreaufnahmen, die das tŠgliche Leben des Arbeiters in allen seinen Phasen gut zur Darstellung bringen, 4. Aufnahmen von der ArbeitsstŠtte, die die Arbeitsbedingungen deutlich erkennen lassen, 5. Aufnahmen, die die moderne Technik und ihre Arbeitsformen, die industrielle Bauten und Fabrikationsmethoden veranschaulichen. Die gestellte Aufgabe ist sicherlich nicht leicht und soll von niemandem unterschŠtzt werden. Es gilt, die Augen aufzumachen und zu sehen, was tŠglich allen als alt und uninteressant galt und doch fŸr Hunderttausende wissenswert ist. Es gilt, die Schšnheit der eigenen Arbeit und ArbeitsstŠtte, aber auch das Grauen des sozialen Elends mit freiem Mute zu erfassen. Unsere vier Bilder zeigen, was wir unter den gestellten Aufgaben verstanden wissen wollen. Darum frisch an die Arbeit! Wir werden in der nŠchsten Nummer weiteres Ÿber das Preis-ausschreiben mitteilen und hoffentlich schon die ersten Bilder und AufsŠtze veršffentlichen kšnnen." Aus: Arbeiter Illustrierte Zeitung, V. Jahrgang, 25.3.1926, S. 7 3. Zum Preisausschreiben der A.I.Z. †ber Erwarten zahlreiche Einsendung sind auf unser Preisausschreiben eingegangen. Die WerktŠtigen haben damit bewiesen, dass sie die Wichtigkeit der Photographie als Berichterstatter Ÿber das politische, soziale und kulturelle Leben erkannt haben. Schon heute ist zu Ÿbersehen, da§ die A.I.Z. durch das Material, das die Arbeiter-Photographen aus allen LŠndern bisher zur VerfŸgung stellten, einen weiteren Aufschwung nehmen wird. Denn jetzt wird es der Redaktion der A.I.Z. mšglich werden, die bŸrgerlichen Presse-Photo-Korrespondenten fast všllig auszuschalten und durch proletarische Aufnahmen, die das Leben des Proletariats wahrheitsgetreu wiedergeben, zu ersetzen. Nachdem wir in den letzten Nummern schon einige Arbeiten aus dem Photo-Wettbewerb veršffentlicht haben, bringen wir auf den beiden Mittelseiten der vorliegenden Nummer fŸnfzehn Bilder aus dem Preisausschreiben. Noch ist aber nicht genug geschehen, noch haben nicht alle Arbeiter-Photographen ihr Material eingesandt. Die bereits veršffentlichten Bilder werden jedem Ansporn sein, auch seine Phoptographien zur VerfŸgung zu stellen. Sie werden aber auch gezeigt haben, was wir wirklich benštigen. Die Bedingungen sind bekannt: FŸr die 50 besten photographischen Aufnahmen aus dem politischen, wirtschaftlichen und sozialen Leben des Arbeiters werden vom Verlag 50 BŸcherpreise zur VerfŸgung gestellt. I. Preis: Eine Arbeiterbibliothek bestehend aus 50 BŠnden (nach Wahl des PreistrŠgers. Siehe obiges Bild) II. Preis: Eine Arbeiterbibliothek bestehend aus 25 BŠnden (nach Wahl des PreistrŠgers) III. Preis: Eine Arbeiterbibliothek bestehend aus 10 BŠnden IV und folgende Preise bestehen aus Werken von Lassalle, Marx, Engels, Liebknecht, Trotzki, Lenin usw. Au§erdem behŠlt sich der Verlag vor, die photographischen Aufnahmen fŸr den Nachdruck zu erwerben und auch sonst aus dem eingesandten Bildmaterial und den Artikeln auszuwŠhlen, was fŸr die Wiedergabe geeignet ist. Das Preisrichterkollegium setzt sich aus den Herren Dr. Adolf Behne [22] , Genosse Grosz, Heinrich Zille [23] und den Redaktionsmitgliedern der A.I.Z. zusammen. Der Schlu§termin fŸr Einsendungen ist der 1. Juli 1926 abends 6 Uhr. Die Veršffentlichung der PreistrŠger erfolgt in einer der darauffolgenden Nummern. Berlin, im Mai 1926 Arbeiter Illustrierte Zeitung Redaktion" Aus: Arbeiter Illustrierte Zeitung 5. Jg. (1926) Nr. 8, S. 6 4. Das Auge des Arbeiters Das ist doch schon wieder so eine "bolschewistische" Uebertreibung, hšre ich einen Leser ausrufen; als ob das Auge nicht ein bei allen Menschen im Wesentlichen gleiches Naturorgan wŠre, das nur durch Krankheit oder Verletzung seine Struktur und Funktion Šndern kann. Es gibt wohl verschiedene Augen bei Spinnen, Bienen, Schlangen, Katzen, Elephanten und keine besonderen Augen fŸr Arbeiter einerseits, fŸr Fabrikanten, Bankiers, RechtsanwŠlte und Mi-nister andererseits. Auch die Marxisten und Leninisten sollten mit den FŸ§en ein wenig auf dem Boden der natŸrlichen Tatsachen bleiben. Gemach, lieber Kollege von der Kamera! Gerade mit deinem Beispiel von dem Fabrikanten, dem Bankier, dem Minister kšnnen wir dich des Irrtums ŸberfŸhren. Wenn der deutsche Fa-brikant eine Amerikareise macht, was meinst du, was sein leibliches Auge sieht? Die Ford-fabriken in Detroit, die SchlachthŠuser in Chikago, die PetroleumbohrtŸrme der Standard Oil, das Wei§e Haus des PrŠsidenten in Washington, die Fifth Avenue in New York - aber meinst du, sein Auge, das Auge dieses geschŠftstŸchtigen, satten, nach neuen Profiten hungernden deutschen Kapitalisten sieht die Hungergestalten der sechs Millionen Arbeitslosen, die aus-gepre§ten Ruinen der Fordarbeiter, die noch keine 10 Jahre zŠhlen, die winzigen, blutarmen Menschenkinder, die in den Textil- und Konservenfabriken dieses allerdemokratischsten und allerchristlichsten Staates mit sieben Jahren zugrunde gearbeitet werden, das materielle und geistige Elend in den Negerquartieren des berŸchtigten Lynchstaates Texas oder gar die bluti-gen BrutalitŠten der gekauften, bestochenen, auf streikende Arbeiter gehetzten Staats- und Werkpolizei? Und wenn er sie dreist im VorŸbergehen einmal sieht, denn er kann ja nicht im-mer an der Kehrseite all der amerikanischen "Freiheit" und "prosperity for ever" blind vorbei-fahren, dann sieht er sie doch nicht, weil hinter seiner Netzhaut die Verbindungswege zum Gehirn gesperrt sind; die Bilder, die seine natŸrliche Kopfkamera aufnimmt, werden also nicht entwickelt, werden dem Bewu§tsein nicht sichtbar. Und selbst wenn sie ausnahmsweise einmal ins Bewu§tsein dieses mit seinen Prozentrechnungen, Kalkulationen und Festessen vollkommen beschŠftigten tŸchtigen GeschŠftsmannes eindringen, dann sind sie weder scharf, noch richtig belichtet, bilden in der Bildersammlung seines Gehirns und seiner Kamera, wenn er eines oder eine bei sich hat, nur kleine Ausnahmen, kleine Schatten zur Hebung der lichten Stellen. Und selbst der bŸrgerliche Reporter, der mit der Absicht nach Amerika oder auch, um Kleines mit Gro§em zu vergleichen, nach dem Berliner Wedding [24] kommt, um "das Volk" zu filmen, wird mit seinen scharfen Augen die wahren "Zilletypen" gar nicht finden, oder wenn er sie findet, gar nicht wagen, sie unverfŠlscht auf die Platte zu bannen, gar nicht wissen, wie man sie ohne Schminke darauf bekommt. Auf die geistige Sehkraft kommt es also an, auf jenen Stab von Verbindungsoffizieren zwi-schen der Netzhaut des kšrperlichen Auges und dem Bild, das sich das geistige Auge von den Tatsachen drau§en macht. Wie wenig die meisten Menschen geschult sind, Tatsachen zu se-hen, kšnnen wir jeden Tag an uns selbst, an unseren Nachbarn feststellen. Kšnnen wir richtige Entfernungen schŠtzen? Schon das Wort "schŠtzen" zeigt an, da§ wir ganz unsicher sind. Sind wir imstande fŸnf Minuten nach Betrachtung einer bestimmten Hausfassade genau anzugeben, welche architektonische Einzelheiten an den einzelnen Stellen waren? Wir laufen tŠglich denselben Weg, aber keiner von uns hat gesehen, welch ausgezeichnetes, aufrŸttelndes Bildmotiv dieser kleine ZeitungsverkŠufer fŸr unsere proletarische Kamera ist, welche impertinente und aufreitzende Verbrecherphysiognomie jener HakenkreuzjŸngling zur Schau trŠgt, dem wir tŠglich begegnen und der vielleicht eines Tages unter freundlicher Duldung der demokratischen Polizei einen unserer besten Kollegen feig Ÿber den Haufen knallen wird. Es gehšrt eben das Augen eines bestimmten Berufs dazu, gewisse Einzelheiten in der Natur, in der Technik, in der Kleidung oder Lebensweise der Mitmenschen sofort zu sehen, es gehšrt das besondere Auge einer Klasse dazu, um der charakteristischen Merkmale der herrschenden sozialen Ver-hŠltnisse im inneren und Šu§eren Leben unserer Mitmenschen, im Bau und Aussehen der Wohnungen und Fabriken, in ihrer Inneneinrichtung wie im allgemeinen Stra§enbild, ja selbst in der Grš§e, in Einteilung und Anbau der Felder und Wiesen drau§en im "GrŸnen" zu erkennen. Und dieses "Klassenauge" mu§ trainiert werden. Millionen Proletarier besitzen es noch gar nicht. Ein Teil besitzt es erst unvollkommen. Nur ganz wenige haben die Uebung und Dis-ziplin, das Auge ihrer Klasse immer und Ÿberall, auch in den Ferien, auf Fahrt und Wochen-ende, bei Spiel und Unterhaltung mit sich zu fŸhren und anzuwenden. FŸr den proletarischen Kameramann mu§ die Regel gelten: Keine Kamera ohne proletarisches Klassenauge! Das Schlimmste freilich ist, da§ die Mehrzahl der heutigen Proletarier im direkten Gegensatz zu ihrer Klassenlage nicht nur ein sehr mangelhaftes Klassenauge oder gar keines besitzen, sondern mit ausgesprochen kleinbŸrgerlichen Augen herumlaufen. Die Bourgeoisie freut sich darŸber und sucht mit ihren "Kulturerrungenschaften" wie Kirche, Schule, Tagespresse, Fami-lienzeitschriften, "Illustrierte", Kinos, Reklameplakate planmЧig die Entwicklung proletari-scher Augen zu verhindern und dem Proletarier die kleinbŸrgerliche Brille auf die Nase zu setzen. Was ist aber typisch fŸr das Auge des KleinbŸrgers? Jedes Schaufenster, jeder Fotoladen, jede "Illustrierte", ob Berliner, Kšlner oder MŸnchener, jedes Kino, ob mit oder ohne Harry Peal und Lil Dagover [25] enthŸllt nicht nur das Auge, sondern auch die "Seele" des kleinen BŸrgers, jener "Seele", mit der Sehnsucht nach "Hšherem" und sei es auch nur in der Form einer Darstellung, wie die oberen Zehntausend sich amŸsieren oder sich "fein benehmen": mit ihrem gro§en Bedarf an "RŸhrung", denn die Welt ist "schlecht", aber schlie§lich wird doch noch das Gute belohnt; mit ihrem BedŸrfnis nach Helden, Gšttern und Filmstars, denn der BŸrger empfindet eine perverse Wollust, wenn er von irgend jemand oder etwas in den Staub knieen darf; mit ihrer Kritiklosigkeit, Sensationslust und Romantik. Die vom BŸrgertum ein-genebelten Proletarier und Proletarerinnen lassen sich tŠglich und stŸndlich diese Presse, diese illustrierten Zeitungen, diese Ullsteinliteratur [26] , diese Filme, diese Reklameplakate vor Augen und in die Gehirne zu fŸhren. Wir stellen hier nicht die Frage des Kitsches und der Geschmacklosigkeit. DarŸber kann man ja auch nur vom Klassenstandpunkt urteilen. Vom Standpunkt des KleinbŸrgers ist das alles eben kein Kitsch, keine Geschmacklosigkeit. Wir stellen die Frage vom Standpunkt des ge-sellschaftlichen Inhaltes. Der Inhalt ist unproletarisch, kontrerevolutionŠr, und Augen - von Erwachsenen, noch mehr von Kindern - die alle Tage und Jahre nichts anderes in sich auf-nehmen, werden blind fŸr die wirklichen, proletarisch gesehenen Tatsachen des Lebens. Oder ist es proletarische Augenkultur, wenn wir in neun Zehntel aller Arbeiterwohnungen Bilder, Fotografien und Nippes sehen, die dem kleinbŸrgerlichen Ideal der geleckten, romantischen, unwirklichen Schšnheit, der kleinbŸrgerlichen Sehnsucht nach "sŸ§em MŸ§iggang", der kleinbŸrgerlichen Verehrung "hšherer" menschlicher oder himmlischer Wesen, dem klein-bŸrgerlichen Familienstumpfsinn und nicht zuletzt jener kleinbŸrgerlichen Vorliebe fŸr Zoten und dreckige Witze entsprechen, die die Folge einer von Moral und Kirche unterdrŸckten und verkrŸppelten Sinnlichkeit ist ? Fast in allen Bildern des BŸrgertums, im Kitsch wie in der "Kunst" steckt der Kult des MŸ§iggangs. Der MŸ§iggang wird dargestellt: im Theater wie im Kino, in der "Illustrierten" wie im Roman, in der Zeitungsreportage, wie in der Handelsreklame, und wenn der Prolet einmal zum "Fotografen" geht, dann lЧt er sich und sein MŠdel genau so in der Pose des mehr oder weniger eleganten MŸ§iggangs kontrefeien wie der Prokurist bei Tietz [27] oder die Gattin des Generaldirektors bei Krupp [28] . Nur die AusfŸhrung ist je nach Geldbeutel und Schulbildung anders. Und wenn der Proletarier sich eine Kamera auf Abzahlung ersteht, dann fŠngt er in 9 von 10 FŠllen genau wie sein bŸrgerlicher Nachbar mit dem Knipsen irgend einer "schšnen Landschaft", einer "romantischen Ecke", einer Familienpartie, eines "hŸbschen MŠdels" an, holt sich also Motive mšglichst weit vom Klassenkampf entfernt, er will doch in seinem Album etwas zur "schšnen Erinnerung" haben, etwas, was ihn die Not und den Dreck des Alltags "vergessen" lЧt. Im besten Falle hat er den Ehrgeiz, Kunstfotografien zu machen: einen schšnen menschlichen Akt, eine kŸnstlerische gesehene Landschaft. Und schon glaubt er "revolutionŠre Kunst" geschaffen zu haben, wenn er einen nackten Kšrper, die rauchenden Essen eines Industriewerkes statt der Ÿblichen halb- oder viertelsbekleideten Jungfrauen, Ge-birgs- oder Wasserlandschaften aufgenommen hat. Aber gerade hier mu§ der proletarische Fotomann einsehen, da§ er nicht auf halbem Wege stehen bleiben darf. Wir sind alle weder Bildungs- noch Revolutionsphilister! Wir freuen uns Ÿber jedes hŸbsche MŠdchen auf oder ab der Platte, Ÿber die Naturgrš§e im Gebirge oder am Meer wie an der stillen Anmut eines Wiesentals. Warum nicht? Aber das ist fŸr uns nicht entscheidend. Ein schšner Mensch, ein schšner Baum, eine auf dem Felsen sich sonnende Eidechse - warum sollen sie nicht auch in eine proletarische Kamera eingehen ? NatŸrlich sollen sie das! Aber von dem gebildeten BŸr-gerlichen, der morgen vielleicht schon unsere Klassengenossen als Richter ins Zuchthaus spricht, als NazifŸhrer die Mordhetze gegen uns leitet, dessen ausgezeichnete Kamera und Šsthetische Bildung von unserem Schwei§e, durch die Tuberkulose unserer Kinder bezahlt ist. Hier ist der Graben, hier beginnt unsere Welt, hier tritt unser proletarisches Auge in Funktion. Und erst von hier ab haben wir ein Recht, uns Arbeiter - Fotografen zu nennen. Die Welt der Arbeiter wird von dem BŸrgertum nicht gesehen und leider auch nicht von der Mehrheit der Proletarier selbst. Wenn das BŸrgertum Proletarier darstellt, die Welt der Prole-tarierarbeit, die Welt des Proletarierelends, so nur, um einen Kontrast zu schaffen, einen dunklen Hintergrund zu bieten, auf dem sich die lichte Herrlichkeit der bŸrgerlichen "Kultur", "Menschlichkeit", "Kunst und Wissenschaft" um so strahlender abhebt, und der den RŸhr-seligen Gelegenheit bietet, das erhebende GefŸhl des Mitleids und der "Barmherzigkeit" oder des stolzen Bewu§tseins, da§ man selber doch ein besserer Mensch ist, auszukosten. Unsere Fotografen mŸssen diese Fassade herunterrei§en. wir mŸssen die proletarischen Tatsachen in die Welt schreien in ihrer ganzen HЧlichkeit, Ekelhaftigkeit, racheheischenden Anklage. Wir kennen keine Vertuschung, Verschleierung, kein €sthetisieren, wir belichten hart und zeigen ohne Retusche, wir knipsen dort, wo das proletarische Dasein am hŠrtesten, die Bourgeoisie am verfaultesten ist, wir steigern die Kampfkraft unserer Klasse, indem unsere Bilder Klas-senbewu§tsein, Massenbewu§tsein, Angriffsgeist, Rachegeist, SolidaritŠt, Disziplin vermit-teln. Foto ist Waffe, Technik ist Waffe, Kunst ist Waffe! Unsere Weltanschauung ist der kŠmpfende Marxismus, keine Schulstubenweisheit. Und unsere Arbeiter-Fotografen haben einen wichtigen Frontabschnitt. Wir sind das Auge unserer Klasse! Wir lehren unseren Klas-senbrŸdern die Augen gebrauchen." Edwin Hoernle: Das Auge des Arbeiters, in: Der Arbeiter-Fotograf, IV. Jg. Nr. 7 (Juli 1930), S. 151 - 154 5. Schulter an Schulter ÒDie Welt ist schšnÓ ... Jedenfalls versucht die moderne bŸrgerliche Fotografie mit einem riesigen Aufgebot in raffinierten technischen Mitteln, uns einzureden, da§ es auf dieser Erde recht beschaulich und harmonisch zugeht. Man hat den ÒGegenstandÓ entdeckt. Man ÒerlebtÓ Grammofonnadeln, Hohlspiegel, Steinhaufen, zerschnittene Kohlkšpfe und Schreibmaschi-nentastaturen ÒvisuellÓ und nennt das ÒNeue SachlichkeitÓ [29] . Den Menschen, den leidenden, unterdrŸckten, kŠmpfenden Menschen, haben diese ÒsachlichenÓ FotokŸnstler der Bourgeoisie leider vergessen. ÒVisuell reizvollÓ sind fŸr sie allenfalls schšn gepflegte DamenhŠnde, gymnastiktreibende BŸrgertšchter und zahlungsfŠhige Bankdirektoren. AbgehŠrmte Proleten interessieren weniger! Diese ÒNeue SachlichkeitÓ ist eine Flucht aus der RealitŠt in abstrakt-formale Spielerei, in eine Gegenstands-Idyllik, die in Wahrheit absolut unsachlich ist, weil sie einen winzigen, unwichtigen Ausschnitt aus dem Weltbild fŸr Òdas WeltbildÓ ausgibt. Durch Magazine und illustrierte Zeitungen mit Millionenauflagen ins ÒVolkÓ getragen, sollen die Erzeugnisse der bŸrgerlichen Fotografen versšhnlerisch wirken, vom Klassenkampf ablenken. Den Massen, die man an der Schšnheit dieser Welt nicht teilhaben lЧt, wirft man Bilder dieser Schšnheit als Surrogate hin, um sie damit zu beruhigen. - Nicht viel anders macht es die moderne bŸrgerliche Literatur. Nach der kurzen expressionistischen Episode des unverbindlichen Revolutionsgeschreis und der HЧlichkeit um jeden Preis, besingen die Lyriker der Bourgeoisie jetzt wieder aus voller Brust die Schšnheit dieser Welt. Auch sie haben die ÒNaturÓ entdeckt und die ÒBeseeltheit der DingeÓ. Nur kein Wort von sozialen KŠmpfen, von Politik oder kommendem Krieg! Vor so harten Worten flŸchten die bŸrgerlichen Literaten ins CafŽhaus, auf den ÒFršhlichen WeinbergÓ [30] oder, wenn sie ganz feine Leute sind, auf den ÒZauberbergÓ [31] . In erdenferner Hšhe lЧt sichs ungestšrt mit Worten klimpern, kann man getrost in Òseelischen BeziehungenÓ schwelgen. Weitaus gefŠhrlicher und schŠdlicher als die bŸrgerliche ÒSpitzenliteraturÓ sind jene rŸhrenden oder spannenden Geschichten, mit denen die Bourgeoisie durch Zeitung, Zeitschrift und Eine-Mark-BŠnde an gro§e Lesermassen herankommt. Sie sollen die Ausgebeuteten Ÿber ihre Lage hinwegtŠuschen und ihnen suggerieren, da§ es innerhalb der bestehenden Gesellschaftsordnung individuelle Aufstiegsmšglichkeiten zur ÒSchšnheit des LebensÓ gibt. - Die Literatur, die Fotografie und selbstverstŠndlich auch alle anderen ÒZweigeÓ der bŸrgerlichen Kultur dienen ausschlie§lich der antirevolutionŠren Propaganda. Mit Wort und Bild wird der Kampf gegen das revolutionŠre Proletariat gefŸhrt. BŸrgerliche Literatur und bŸrgerliche Fotografie arbeiten Hand in Hand an der Verdummung breiter proletarischer und kleinbŸrgerlicher Schichten. Ein hochentwickelter technischer Apparat zur Verbreitung des Bildes, wie des Wortes macht sie zu den wesentlichsten Faktoren der imperialistischen und kapitalistischen Agitation. - Das Proletariat stellt dieser Einheitsfront der LŸge sein klassenkŠmpferisches Wort und sein klassenkŠpferisches Bild gegenŸber. Proletarische Fotografie, proletarische Literatur (und ebenso das BŸhnenspiel, die Malerei, der Film) zeigen: Nein! Die Welt ist gar nicht so schšn. Sie ist hЧlich und widerwŠrtig, solange es BedrŸcker und UnterdrŸcker gibt. Erst wenn wir Sie vertrieben haben, scheint die Sonne ohne Unterla§! [32] Literatur und Fotografie sind Waffen im Klassenkampf. Weil wir wollen, da§ die Welt ÒschšnÓ wird, sagen wir, da§ sie heute noch ÒhЧlichÓ ist, rufen wir mit unseren kŸnstlerischen Mitteln auf, sie durch den revolutionŠren Kampf entscheidend zu verŠndern. Arbeiterfotografen und proletarische Schriftsteller haben dieses gemeinsame Ziel. Sie mŸssen und werden einander helfen, es zu erreichen. Die proletarisch-revolutionŠre Literaturbewegung und die Arbeiterfotografiebewegung sind ziemlich jung. In diesen beiden wichtigen Sparten des proletarischen Kulturkampfes wird noch an den Fundamenten gebaut: das hei§t, es wird um den Inhalt gekŠmpft. WŠhrend die bŸrgerlichen Literaten und Fotografen formale JonglierkunststŸckchen vorfŸhren, steht am Beginn der proletarischen Wort- und Lichtbildkunst die Frage: Was sollen wir erzŠhlen, was sollen wir fotografieren? Das proletarische Lichtbild und die proletarische Dichtung haben konkrete klassenkŠmpferische Aufgaben. Sie kšnnen ihnen nur gerecht werden, wenn die Wahl des Stoffes dem Zweck bedingungslos untergeordnet wird. Wenn ein revolutionŠrer Prolet hŸbsche Familienbildchen aufnimmt, so hat das ebensowenig mit proletarisch-revolutionŠrer Fotografie zu tun, wie eine ÒunpolitischeÓ Novelle, die ein Arbeiter verfa§t hat, mit proletarisch-revolutionŠrer Literatur. Da§ Arbeiter Ÿberhaupt schreiben und fotografieren, ist wichtig, aber es ist nur der allererste Schritt. Der zweite und entscheidendere fŸhrt zum revolutionŠren Inhalt, wobei wir unter ÒrevolutionŠrem InhaltÓ alles dasjenige verstehen, wo-raus sich starke klassenkŠmpferische Wort- und Bildwirkungen entwickeln lassen. In den meisten FŠllen wird das ÒProletarische MilieuÓ in seiner ganzen Breite (also Betrieb, Stempelstelle, Mietskaserne usw.) der geeignete ÒGegenstandÓ sein. Ohne Zweifel aber kann man anklŠgerische, aufrŸttelnde Wirkungen auch mit der Darstellung der ÒGegenseiteÓ erreichen, wenn sie durch ein revolutionŠres Bewu§tsein hindurch gesehen wird. ÒSoziale ReportageÓ ist die erste Aufgabe des Arbeiterfotografen wie des proletarischen Schriftstellers. So sieht es am Flie§band aus, so wohnen Landarbeiter in Mecklenburg, so prŸgelte die Polizei bei einer Demonstration, so war der Ruhrkampf, so ging es im Weltkriege wirklich zu: Eine kleine Auswahl nur aus der unerhšrten FŸlle der Themen. Sie mŸssen nŸchtern, klar und ohne MŠtzchen dargestellt werden. Ein Blick auf die schon recht stattliche Reihe proletarisch-revolutionŠrer BŸcher, in die Literaturbeilagen der proletarischen Tageszeitungen, oder eine der proletarischen Lichtbild-ausstellung zeigt uns, da§ die Frage des ÒStoffesÓ bereits in betrŠchtlichem Umfange geklŠrt ist. Der nŠchste Schritt wird nun sein, da§ das ÒWieÓ, das Problem der Form und der Gestal-tung mehr in den Vordergrund tritt. War es zunŠchst wichtig, soziale Wort- und Bilddoku-mente zu besitzen, gleichviel ob sie unter Verwendung bŸrgerlich-traditioneller Mittel her-gestellt wurden oder nicht, so wird jetzt die Frage akut, welche proletarisch-revolutionŠren Ausdrucksmittel sich aus dem revolutionŠren Inhalt entwickeln werden und sollen. Diese Frage mu§ auf allen Gebieten des Kulturkampfes gestellt werden, denn wir sind der Meinung, da§ eine eigene proletarische Kunst und Literatur noch vor der ÒMachtergreifungÓ mšglich ist. Soviel ist klar, da§ die Methode der proletarisch-revolutionŠren Literatur und Fotografie die dialektische ist. Die immer konsequentere Anwendung des dialektischen Prinzips dŸrfte in absehbarer Zeit zu neuen literarischen und bildnerischen Formen fŸhren, die bereits in den AnsŠtzen vorhanden sind. Auf literarischem Gebiet am deutlichsten im BŸhnentext, der kein ÒDramaÓ im alten Sinne mehr ist, sondern eine Szenenmontage, deren Dynamik aus der Dia-lektik des Stoffes resultiert. In der Fotografie spielt der Bildschnitt zwecks Hervorhebung des Wesentlichen eine immer grš§ere Rolle. Wichtiger noch scheint uns die Fotomontage, fŸr welche das einzelne Bild nur Rohmaterial bedeutet. Auch hier lassen sich dialektische Wirkungen von au§erordentlicher Kraft erzielen. Eine weitere Mšglichkeit ist die Montage aus Foto und Schrifttext. Man kann wohl mit ziemlicher Sicherheit voraussagen, da§ das Foto, welches sich bereits den Einband des proletarischen Buches erobert hat, mehr und mehr in das Buch selbst eindringen und zur Steigerung seiner revolutionŠren Wirkung beitragen wird. Erste AnfŠnge sind gemacht. In der Sowjetunion finden sich sogar schon so vollendete Beispiel dieser neuen Buchform wie das ÒKomsomolzenbuchÓ, das eine Art von Leitfaden fŸr Jungkommunisten ist. - Hier eršffnen sich Perspektiven fŸr eine kŸnftige, enge Zusammenarbeit zwischen proletarischem Schriftsteller und Arbeiterfotografen. Es wŠre schon aus diesem Grunde erstrebenswert, da§ beide Teile bald daran denken wŸrden, eine Basis fŸr das gemeinsame Wirken im Dienste der gleichen Aufgabe zu schaffen. Ein gegenseitiges VerstŠndnis tut dazu not. Es wird erreicht, indem der Eine die Arbeit und die speziellen Sorgen des Anderen kennen lernt, indem man Erfahrungen und Anregungen austauscht. Aus den Betrieben, aus den Arbeiterquartieren kommen die Schriftsteller des revolutionŠren Proletariats - Arbeiterkorrespondenzen, Zellenzeitungen, Wandzeitungen, kollektiv geschaf-fene Agitproptruppentexte [33] : die ersten Keime der proletarisch-revolutionŠren Literatur, die heute schon den Anfangsstadien entwachsen ist. Auch die Arbeiterfotografen kommen dort-her. Das proletarische Alltagserlebnis will Bild werden, Dokument von der UnterdrŸckung und dem Kampfeswillen des Proletariats. Beide sehen das Leben ihrer Klasse und halten das Geschehene fest fŸr ihre Klasse. Der gleiche Ursprung und das gleiche Ziel! Arbeiterfotografen und proletarische Schriftsteller marschieren Schulter an Schulter." Heinz Luedecke: Schulter an Schulter, in: Der Arbeiter-Fotograf, IV. Jg. Nr. 12 (Dez. 1930), S. 275 - 2785 6. An der Schwelle des 2. Jahrzehnts Die ungeheure Entwicklung der Bilderreportage ist fŸr die Wahrheit Ÿber die ZustŠnde, die auf der Welt herrschen, kaum ein Gewinn gewesen: die Photographie ist in den HŠnden der Bourgoisie zu einer furchtbaren Waffe gegen die Wahrheit geworden. Das riesige Bild-material, das tŠglich von den Druckerpressen ausgespien wird, und das doch den Charakter der Wahrheit zu haben scheint, dient in Wirklichkeit nur der Verdunkelung der TatbestŠnde. Der Photographenapparat kann ebenso lŸgen wie die Setzmaschine. Die Aufgabe der A.I.Z., hier der Wahrheit zu dienen und die wirklichen TatbestŠnde wieder herzustellen, ist von un-Ÿbersehbarer Wichtigkeit und wird, wie mir scheint, glŠnzend gelšst."
ãDie Dauer des AugenblicksÒ Ein foto-pŠdagogisches Handbuch P 1 Zielsetzungen politisch-kultureller Bildung und Medienerziehung P 2 Im Alltag Jugendlicher nimmt der Medienkonsum einen wachsenden Raum ein; dadurch entstehen radikal neue Aneignungsformen der Wirklichkeit. Der "rasende Stillstand" (P. Virilio) schafft stŠndig neue Reize, ohne die so entstehenden BedŸrfnisse je befriedigen zu kšnnen (und zu wollen!).Auf der Ebene des Konsums und der Massenkultur sind Jugendliche als Zielgruppe anerkannt, sie empfinden sich als gesellschaftlich akzeptiertes Subjekt. Jugendliche suchen nicht nach "pŠdagogisch geschŸtzten" Spielwiesen. Jugendarbeit, die ihre Zielgruppe erreichen will und in Konkurrenz zur Massenkultur tritt, muss Jugendliche als Subjekt akzeptieren und "lebensnahe" Erlebnis- und ErfahrungsrŠume bieten, in denen sie sich als Subjekt auseinandersetzen kšnnen. Jugendliche verweigern sich hŠufig erzieherischen Zugriffen, lehnen formelle Strukturen und etablierte Organisationsformen ab und finden sich in informellen Gruppen (Cliquen) zusammen. Bildungsarbeit sollte: a) solidarische LebenszusammenhŠnge ermšglichen bzw. fšrdern; b) IdentitŠtssuche ermšglichen und Ich-StŠrke fšrdern; c) neue Erlebnisfelder eršffnen (rŠumlich, emotional, kognitiv, praktisch handelnd); d) nicht rein kognitives Wissen oder nur praktisch-kulturelle Kompetenz vermitteln, sondern ganzheitliche Lern- und Sozialisationsprozesse anregen; e) einen Bezug zum Lebensalltag herstellen, was eine Vernetzung von Bildungsarbeit voraussetzt. Vor diesem Hintergrund ist der Abschied von der traditionellen Trennung von politischer und kultureller Bildung angebracht. Politische Bildung kann definiert werden als die Schaffung einer umfassenden Kompetenz, sich in sozialen Situationen angemessen verhalten zu kšnnen. Diese Kompetenz kann hei§en, politisch, sozial, medial, individuell handeln zu kšnnen. Die in Bildungsprozessen erworbene Kompetenz kann in geeigneten Situationen abgerufen und angewendet werden. Mit dieser Definition wird die eingeschrŠnkte Funktion der politischen Bildung aufgehoben. Wenn Individuen oder Gruppen in die Lage versetzt werden, in diesem Sinn handeln zu kšnnen, kann von demokratischer Bildung gesprochen werden. Wenn von einer Integration politischer und kultureller Bildung gesprochen wird, dann deswegen, weil sie eine Voraussetzung dieser umfassenden Kompetenz ist. Nach dieser Bestimmung ist politische Bildung "die besonders betonte Reflexion des politisch-gesellschaftlichen Anteils an Bildungsprozessen, die sich auf hochkomplexe Problemstellungen beziehen" (Harry Blunk); sie ist auf aktives Handeln orientiert. Angebote kultureller Bildung verfolgen oft sozialarbeiterische, kultur- oder freizeitpŠdagogische Ziele. Die InterdisziplinaritŠt von kulturellen Angeboten oder Projekten setzt eine spezifische Fachlichkeit voraus. Der/die PŠdagogIn muss nicht nur ein Konzept von KulturpŠdagogik haben, sondern es auch Šsthetisch erfahren und erprobt haben, um es in der Auseinandersetzung vermitteln zu kšnnen. Fortbildungsangebote fŸr kulturelle Bildung und Medienerziehung müssen sich vorwiegend an neben- und ehrenamtliche MultiplikatorInnen wenden, weil die Hauptamtlichen in der Jugendarbeit (JugendŠmter, offene Jugendarbeit, JugendverbŠnde) selbst keine kulturelle Jugendbildung durchfŸhren. Kulturarbeit bekommt eine neue, viel grš§ere Bedeutung; sie ist in der Lage, sinnstiftende AktivitŠten zu entwickeln und zu fšrdern. Sie kann eine eigene €sthetik entwickeln, die ihre gesellschaftliche Relevanz u.a. durch das Herstellen von …ffentlichkeit beweist. Gesellschaftliche Relevanz entsteht auch, wenn Kulturarbeit sich mit gesellschaftlichen Problemstellungen aktiv und eingreifend auseinandersetzt. Politisch - kulturelle Bildung dient hervorragend der IdentitŠtsbildung des Individuums oder von Kleingruppen. Sie ist eine spezifische Form der Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit, die handlungsorientiert ist, auf ein Produkt abzielt und im Herstellungsprozess Erkenntnisse Ÿber politische und soziale ZusammenhŠnge anstrebt. FŸr den individuellen Lebensentwurf ist Sinn-Bildung nicht durch Aneignung materieller Werte, ist nur ohne "Haben" mšglich. In der Arbeit werden die Sinne nicht nur genutzt, sondern auch vernutzt. Zugleich werden die Sinne aber auch durch den passiven Medienkonsum enteignet (Oskar Negt). Die durch Arbeit und Medien vernutzten Sinne mŸssen sensibilisiert und regeneriert werden. Es gibt das MissverstŠndnis, dass politische Bildung ausschlie§lich kognitiv und verbal ablaufen kšnne. TatsŠchlich ist das Gegenteil richtig. Ganzheitliche politische Bildung, die Sinn und Verstand, GefŸhle und Handlungsbereitschaft anspricht, hat viel eher Chancen, politisch bildend zu wirken. Begrifflich ist das nachzuvollziehen, wenn Kunst oder kulturelle TŠtigkeit als anderes Zeichensystem, als andere Sprache begriffen wird, die ebenso wie gesprochene oder geschriebene Sprache Inhalte vermittelt. Kulturelle Bildung ermšglicht einen vielschichtigen und differenzierenden Zugang zur Wirklichkeit und bietet dem Handelnden neue Sichtweisen sozialer ZusammenhŠnge ebenso wie Šsthetischer Probleme. Insofern ist aktive Medien- und Kulturarbeit zugleich die Voraussetzung zur Partizipation Jugendlicher: mit Medien kšnnen sie handelnd in gesellschaftliche und kulturelle Prozesse eingreifen. Die Verbindung von politischer und kultureller Bildung wirkt der Individualisierung entgegen und fšrdert Offenheit gegenŸber anderen "scenes" und neuen Inhalten. Sie macht auch den Bezug zu Lebenswelten eher mšglich. Kulturelle Bildung darf nicht zur Methode degenerieren. Der besondere politisch-pŠdagogische Wert der politisch-kulturellen Bildung liegt darin, dass die Teilnehmer/innen auf Handeln orientiert werden. Sie machen Erfahrungen mit einem politischen Problem. In der anschlie§enden Reflexionsphase, die mit der medialen Verarbeitung der Erkundungsergebnisse notwendig verbunden ist, werden diese neuen Erkenntnisse Ÿber den Gegenstand wie Ÿber das Medium bearbeitet; dies findet dann wieder seinen Niederschlag im Handeln, also in der weiteren Arbeit am Medium. Hinsichtlich des Medienkonsums Jugendlicher gilt das Stichwort der Medienkompetenz (Dieter Baacke), der fŸr Jugendliche die FŠhigkeit zum Konsum und zur Selektion postuliert. Unsere medienpŠdagogischen Bildungsangebote intendieren daher das bessere VerstŠndnis des Medienangebots (analytisch) und der Manipulations- wie der Produktionsmechanismen. Die Absicht, die wir verfolgen, ist eine differenzierte Auseinandersetzung mit Form und Inhalt der Medien. Dabei kommt es uns nicht darauf an, die Medien "auseinander zu pflŸcken" oder sie den Jugendlichen aus einer jugendschŸtzerischen Intention heraus madig zu machen. Vielmehr ist es unsere Absicht, ihnen ein besseres VerstŠndnis zu ermšglichen, ihre SensibilitŠt fŸr Bild-/Filmsprache und Inhalte zu erhšhen und ihnen ein analytisches Instrumentarium zur Beurteilung von Bildern und Filmen an die Hand zu geben. Eine kritischere, differenzierte Medienrezeption ist das Ziel. Die aktive Nutzung der Medien - z.B. in Video- oder Computerworkshops - ist zugleich die beste Methode zum kritischen Medienkonsum. Politische Jugendbildung soll: a) solidarische LebenszusammenhŠnge schaffen und fšrdern und den Bezug zum Lebensalltag herstellen; b) unterschiedliche Lebenslagen Jugendlicher, Gemeinsamkeiten und Benachteiligungen aufzeigen; b) IdentitŠtssuche ermšglichen, Ich-StŠrke und kommunikative Kompetenz fšrdern; insbesondere geschlechtsspezifische Aspekte berŸcksichtigen, Selbstbewusstsein und KonfliktfŠhigkeit stŠrken und zum gleichberechtigten VerhŠltnis zwischen den Geschlechtern beitragen. c) neue Erlebnisfelder šffnen, die Auseinandersetzung mit verŠnderten Lebensbedingungen und Handlungsmšglichkeit fšrdern d) die demokratische Teilhabe am šffentlichen Leben unterstŸtzen; e) die Kompetenz schaffen, sich in sozialen Situationen angemessen verhalten zu kšnnen; f) kognitives Wissen mit praktisch-kultureller Kompetenz vermitteln; g) ganzheitliche Lern- und Sozialisationsprozesse anregen. h) den Dialog der Generationen durch gemeinsames Lernen fšrdern Kulturelle Bildung / Medienerziehung soll: a) sich aktiv und eingreifend mit gesellschaftlichen Problemstellungen auseinandersetzen; b) Medienkompetenz durch die analytisch Auseinandersetzung mit Medien und Kulturtechniken wie durch aktives Medienhandeln und kulturelle TŠtigkeit herstellen; c) sinnstiftende AktivitŠten entwickeln und fšrdern; d) der IdentitŠtsbildung von Individuen und Kleingruppen dienen; e) jugendspezifische €sthetik entwickeln und …ffentlichkeit herstellen; f) die durch Arbeit und passiven Medienkonsum enteigneten Sinne sensibilisieren und regenerieren; g) Individualisierungstendenzen entgegenwirken und Offenheit gegenŸber anderen "scenes" und neuen Inhalten herstellen.
: Siegfried Becker / JŸrgen Fiege 2011 ãDie Dauer des AugenblicksÒ Ein foto-pŠdagogisches Handbuch P 2 VerhŠltnis von kultureller und politischer
: JŸrgen Fiege 2011 ãDie Dauer des AugenblicksÒ Ein foto-pŠdagogisches Handbuch Zwischen Hobby und Kunst Die sozialen Gebrauchsweisen der Fotografie und die Medienerziehung Die aktuelle pŠdagogische Diskussion um die Medienkompetenz bemŸht sich in erster Linie um die neuen, elektronischen Medien. Dabei wird hŠufig die Tatsache vernachlŠssigt, dass Jugendliche wie Erwachsene einem massiven Bildersturm durch Werbung, Zeitungen und Illustrierte ausgesetzt sind, die vor allem vom flŸchtigen Augenblick des Hinsehens leben, aber um so nachdrŸcklichere Wirkung im Unbewussten hinterlŠsst. Gleichzeitig bleibt im medienpŠdagogischen Diskurs der Fakt unberŸcksichtigt, dass die Fotografie eine massenhafte Verbreitung als aktiv genutztes Medium hat: kaum ein Haushalt ohne Fotoapparat, ohne Fotoalbum, ohne selbst gemachte Bilder an den WŠnden. FŸr die pŠdagogische Praxis scheint es mir daher sehr sinnvoll, die Fotografie als soziokulturelles PhŠnomen zu untersuchen, um auf diesem Weg zu didaktischen und methodischen †berlegungen fŸr die praktische Arbeit mit der Fotografie als Medium zu kommen. 1. Fotografie als Massenkultur Der Traum vom eigenen Bild ist Šlter als die Fotografie, aber die Fotografie war es, die diesen Traum fŸr alle wahr machte. Obwohl die technischen Voraussetzungen der Fotografie (Camera obscura / Lochkamera und lichtempfindliches Silbernitrat) lŠngst bekannt waren, machte erst das Interesse des škonomisch und politisch selbstbewussteren BŸrgertums und KleinbŸrgertums um 1800 die "Erfindung" der Fotografie historisch - gesellschaftlich "notwendig". Die Fotografin und Soziologin Gisle Freund gibt dafŸr die sozialhistorische ErklŠrung: "Mit dem um 1750 beginnenden Aufstieg bŸrgerlicher Mittelschichten und der Zunahme ihres Wohlstands vergrš§erte sich das BedŸrfnis nach ReprŠsentation erheblich. Eine Form der ReprŠsentation ist zweifellos das SelbstportrŠt, dessen funktionale Beziehungen eng mit dem eigenen SelbstverstŠndnis und der Entwicklung des Persšnlichkeitsbewusstseins verbunden sind. Die PortrŠtdarstellung, die in Frankreich (ebenso wie im Ÿbrigen Europa; J.F.) Jahrhunderte lang immer nur das Privileg einer kleinen Schicht gewesen war, unterlag zugleich mit der gesellschaftlichen Verschiebung einer Demokratisierung." (Freund: Photographie, S. 13; vgl. auch Anmerkung) [34] Noch immer ist die Mehrzahl aller von Amateuren gemachten Fotos PortrŠts von Personen des engeren Verwandten und Bekanntenkreises. Im und mit dem PortrŠt stellt sich der/die Abgebildete selbst dar, reprŠsentiert. Daher neigen auch die meisten Menschen dazu, in die Kamera zu posieren, um ein mšglichst vorteilhaftes, bestimmtes Image zu transportieren. Dem steht der "Schnappschuss" gegenŸber, der Menschen in Augenblicken festhŠlt, in denen sie sich unbeobachtet fŸhlen. Der Schnappschuss setzt aber eine bestimmte technische Ausstattung (kurze Belichtungszeit, empfindlichen Film bzw. Blitzlicht oder ausreichendes Licht, lichtstarkes Objektiv), eine gŸnstige Gelegenheit und einen aufmerksamen Fotografen voraus.
†ber das ReprŠsentationsinteresse hinaus dient das PortrŠt einem sozusagen "magischen" Bildgebrauch. Das Foto ist ein Schutz gegen die Zeit und das Vergessen, es beschwšrt die Erinnerung. Mit dem PortrŠt wird die immaterielle Existenz - auch Ÿber den Tod hinaus - beschworen. Das Foto der/des Geliebten, der Kinder im Portemonnaie sichert die stŠndige - immaterielle - PrŠsenz der/des Abgebildeten. Die Bedeutung bestimmter Personen kann hervorgehoben werden. Soziale ZusammenhŠnge - im Familien-, Freundes-, Bekanntenkreis, bei der Arbeit und im Urlaub - werden dokumentiert, sollen aber zugleich durch das Fixieren bestimmter sozialer Situationen "verewigt" werden. Der rechtliche Ausdruck dieses Zusammenhangs ist das "Recht am eigenen Bild", das den Missbrauch des Bildes gegen die Interessen des/der Dargestellten verhindern soll. Im Familienalbum wird das Einzel- oder GruppenportrŠt in einen historischen Zusammenhang gebracht, zur Familienchronik verdichtet, die allerdings selten ohne geschriebenen oder - in ErzŠhlform - gesprochenen Kommentar auskommt. Das Anlegen eines Albums als Familienchronik ist Instrument und Ausdruck des Zusammenhalts der Familie. [35] Im gŸnstigsten Fall rekonstruieren sich die Familie und die Familientradition durch das gemeinsame Ansehen der Fotos und die Kommentare der Beteiligten in einer sozialen Situation. Das Foto ist also eine Hilfe zur Kommunikation und zur Rekonstruktion einer vergangenen Situation. Die Fotografie soll erlebte Situationen genau darstellen, um ein Wiedererkennen zu ermšglichen. Dabei kommt es weniger auf die gestalterische Schšnheit, als auf den dokumentarischen Wert des Bildes an. Bei Familienfeiern (Konfirmation, Hochzeit, Taufe etc.) erfŸllt die Fotografie eine Funktion als Symbol des gesellschaftlichen Erfolgs. Die Fotografie als "Technik der Wiederholung des Festes" muss dazu dienen, die au§erordentliche Hochstimmung des Augenblicks festzuhalten und ggf. beliebig oft zu wiederholen. Daher ist seit der massenhaften Verbreitung der Farbfotografie das Schwarz-Wei§-Bild verpšnt. So wie man im festlichen Kleid und nicht ohne Krawatte zur Taufe geht, so muss ein besonderes Familienereignis auch mit der "modernsten, schšnsten" Technik, also farbig und darf nicht schwarz-wei§ fotografiert werden. Konsequenterweise setzt sich inzwischen das Video statt des Fotos als "modernstes, schšnstes" Medium fŸr diese Gelegenheiten durch. Die Fotografie nimmt die Funktion wahr, "die hohen Zeitpunkte des kollektiven Lebens einzufangen und auf Dauerhaftigkeit zu stellen." (Bourdieu, S. 31) Einen Sonderfall des Familienalbums stellt das Foto als Urlaubsdokument dar. Das Urlaubsfoto dient der eigenen Erinnerung, als Beleg fŸr Verwandte und Freunde, dass man wirklich dort war und wie schšn, exotisch, abenteuerlich etc. es dort war. Es ist auch ein Beleg fŸr ein spezifisches Konsumverhalten, "was man sich alles leisten kann". Auch das Urlaubsfoto kommt in der Regel nicht ohne Kommentar aus: die Fotos der Urlaubschronik werden beschriftet, mit Zeichnungen, Eintrittskarten, gepressten Pflanzen etc. kombiniert. Die moderne Variante ist der Diavortrag oder zugespitzt die Ton-Dia-Schau. (†brigens sind die meisten Amateurvideos auch nichts anderes als Familien- oder Urlaubsalben!) FŸr viele Amateur- und Hobbyfotografen ist die im Urlaub mšgliche Mu§e ein wesentliches Element; zugleich kann man durch das Vorzeigen der Urlaubsfotos zeigen, dass man Mu§e hatte und sie sich leisten kann: das Urlaubsfoto ist also in gewisser Weise eine vorzeigbare TrophŠe. €hnlich wie Feste und Familienfeiern zŠhlt der Urlaub zu den "hohen Zeiten" (Werbeslogan: "die wichtigsten Tage des Jahres"), die wie die anderen Hšhepunkte festgehalten werden mŸssen. Umgekehrt ist der Fotoapparat in dieser Gebrauchsweise auch kein alltŠglicher Gebrauchsgegenstand. "Was man tŠglich vor Augen hat, photographiert man nicht." (Bourdieu, S. 45) Daher rŸhrt auch das Erstaunen der Einheimischen in fŸr uns exotischen LŠndern, wenn wir Stra§enszenen oder MŠrkte, also den Alltag der Menschen fotografieren. Umgekehrt fŸhrt es auch bei uns zu unglŠubigem Staunen, wenn ein Japaner eine Stra§enbahn fotografiert. Der Gebrauchswert von Fotos der beschriebenen Kategorien fŸr den Fotoamateur bzw. den durchschnittlichen Betrachter setzt vier Dinge voraus: die Fotos sollen einen Zweck haben: z.B. ein Familienfest, ein Ereignis, eine Situation dokumentieren, um sich daran erinnern zu kšnnen und eine neue soziale Situation beim Wiederanschauen herstellen zu kšnnen (Katalysatorfunktion). die Fotos sollen verstŠndlich sein; dieses VerstŠndnis kann ggf. durch einen geschriebenen oder gesprochenen Text erleichtert oder hergestellt werden. die Fotos sollen leicht lesbar sein, d.h. sich an den durchschnittlichen Sehgewohnheiten der Betrachter orientieren; Allegorisches, Symbolisches, Abstraktes, Formalistisches hat daher hier keinen Platz. [36] FŸr den Amateurfotografen, mehr noch den Hobbyfotografen ist das Fotografieren ein Mittel zur Selbstverwirklichung. Jedes Foto ist eine "Neuanschaffung" des abgebildeten Gegenstands, ein kŸnstlerischer Ausdruck und Beleg technischen Kšnnens.
Im Gegensatz dazu gibt es den Hobbyfotografen (bei Bourdieu hei§t dieser "engagierter" oder "ambitionierter Amateurphotograph"), der in der Regel eine umfangreichere KameraausrŸstung besitzt, nicht nur bei besonderen AnlŠssen fotografiert (dies sogar eher ablehnt) und anspruchsvollere Bilder vom Šsthetischen Gesichtspunkt her anfertigt. Bourdieu (S. 52) stellt dazu fest, "dass die Saisonkonformisten zwei statistische Gruppen mit gŠnzlich entgegengesetzten Merkmalen bilden: Engagierte Photographen finden sich hŠufig unter den Unverheirateten, in kinderlosen Familien und bei den JŸngeren" (...) bei "denen die Gelegenheitsphotographen am schwŠchsten reprŠsentiert sind, so als ob diese Passion ein um so gŸnstiges Terrain hŠtte, je weniger sich der Druck der traditionellen Funktionen bemerkbar macht." 2. Fotografie als Kunstgattung Insofern unterscheidet sich das bisher Beschriebene grundsŠtzlich von der Kunstfotografie. Historisch entwickelte sich die Fotografie erst relativ spŠt zur eigenstŠndigen Kunstgattung. ZunŠchst imitierten die Fotografen die PortrŠtmalerei, um dann erst ihre dokumentarischen Mšglichkeiten in der Sachfotografie (StŠdte, Landschaften, Ereignisse) zu entdecken. Im nŠchsten Schritt imitierten die Fotografen dann wieder die Malerei (Romantik, Impressionismus, akademische Malerei, Expressionismus). Angeregt durch die Kollagen der Dadaisten und in Wechselwirkung mit diesen sowie den Komplexbildern (z.B. Heinrich Vogelers) entdeckten Fotografen die erweiterten Mšglichkeiten der fotografischen Nachbearbeitung und erschlossen sich die der Fotografie eigenen technischen und kŸnstlerischen Mšglichkeiten (Zeit nach dem 1. Weltkrieg). Aber auch die Motive Šnderten sich: der fotografische Blick auf Details, Strukturen, fŸr arrangierte Motive, Licht und Schatten etc. entwickelte sich. In den 20er Jahren wurde eine leidenschaftliche Diskussion Ÿber die besonderen kŸnstlerischen Mšglichkeiten der "schwarzen Kunst" gefŸhrt. Ein Medienkritiker wie Siegfried Kracauer z.B. unterlag dem Irrtum, dass Fotografie nur "naturgetreu" ablichte, wŠhrend die Malerei schšpferisch wirke. [37] Gisle Freund - Soziologin und Fotografin - hŠlt dagegen: "Nachdem man ein Jahrhundert lang Ÿber die Frage diskutiert hat, ob die Photographie eine Kunst sei, weist ihr Maholy (Fotograf am Bauhaus; J.F.) (1929) den ihr angemessenen Platz zu. Der alte Streit zwischen KŸnstlern und Photographen, bei dem es darum ging zu entscheiden, ob die Photographie eine Kunst sei, stellt die falsche Frage. Das Problem besteht nicht darin, die Malerei durch die Photographie zu ersetzen, sondern die Beziehungen zwischen der Photographie und der heutigen Malerei zu klŠren und zu zeigen, da§ die aus der industriellen Revolution hervorgegangene Entwicklung der technischen Mittel ganz konkret zur Entstehung neuer Formen optischer Gestaltung beigetragen hat." (Freund: Photographie, S. 210) Die kŸnstlerische Fotografie fristete lange Zeit eine Schattenexistenz: von der Masse der Amateurfotografen wird sie schlicht ignoriert, allenfalls abgelehnt. Lange Zeit haftete ihr fŸr die offizielle Kunstszene und Kulturpolitik ein zweifelhaftes Odium an (was sich u.a. in der Nichtexistenz von Fotogalerien in den meisten deutschen StŠdten gegenŸber dem mit MillionenbetrŠgen subventionierten aber hŠufig drittklassigen Kunstmuseum dokumentierte). Mit dem – vorŸbergehenden Abschied von der analogen Fotografie und dem Vordringen der digitalen Fotografie gab es hier eine Neuorientierung. Kunstmuseen (z.B. Gropiusbau in Berlin) šffneten sich der Fotografie. Eigene Fotomuseen (z.B. Deichtorhallen in Hamburg) wurden eršffnet. Die Fotografie brachte und bringt hervorragende Kunstwerke hervor. Aber kaum ein/e Kunstfotograf/in kann oder konnte davon leben, wenn er/sie sich nicht gleichzeitig der Auftragsproduktion (PortrŠt, Journalismus, Werbung) widmet. Interessant ist auch, dass professionelle Fotostudios fŸr PortrŠt-, kŸnstlerische und dokumentarische Fotografie (Hochzeiten u.a.) wieder eine grš§ere Verbreitung finden. 3. Fotojournalismus und Sozialfotografie Ganz anders ist es um die dokumentarische Fotografie und den Fotojournalismus bestellt. Zwar kennt auch hier kaum jemand die Namen der Fotograf/innen, aber der Bekanntheitsgrad der Bilder ist enorm. Bilder gehen um die Welt und machen Geschichte. Erheblich z.B. war der Anteil der Fotojournalisten an der Niederlage der USA in Vietnam. Die Horrorfotos vom "schmutzigen Krieg" erschŸtterten die Amerikaner ebenso wie die Berichte der Soldaten und entzogen dem MilitŠr die moralische Basis. [38] Interessant ist in diesem Zusammenhang die Rolle der digitalen und Handy-Fotografie. Ihre Ergebnisse werden als Beweismittel z.B. fŸr polizeiliche †bergriffe bei Demonstrationen genutzt. Die ubiquitŠre VerfŸgbarkeit des Foto-Handys ermšglicht das. Sehr bedeutsam ist dabei das Internet, wie die Erfahrungen des ãarabischen FrŸhlingsÒ 2011 beweisen. Fotografische und Video-Aufnahmen wurden so weltweit verfŸgbar, dienten der Information und gegenseitigen VerstŠndigung. Leider oft von den ãoffiziellenÒ Medien nicht so recht ernst genommen. RegelmЧig wurden solche Aufnahmen in Zeitungen und im Fernsehen dadurch kommentiert, dass eine ãBestŠtigungÒ (sollte wohl hei§en durch Journalisten) nicht verfŸgbar sei. Das unterstellt, dass journalistische Recherche serišs, Amateuraufnahmen dagegen fragwŸrdig sind. Als ob Journalisten immer Recht haben und Ÿber jeden Zweifel erhaben sind. [39] Eher unspektakulŠr, aber nicht weniger wirkungsvoll ist die Mehrzahl der Fotos in Zeitungen und Illustrierten. Die Bilderflut, die durch diese Medien auf uns eindringt, muss immer spektakulŠrere Motive liefern, immer raffiniertere Tricks der Recherche (bis zur IllegalitŠt, wie die Bilder des toten Uwe Barschel in der Badewanne belegen), der Aufmachung und PrŠsentation benutzen, um Ÿberhaupt noch unsere Aufmerksamkeit zu erregen. Gerade in diesem Bereich bedienen sich Fotograf/innen und Layouter/innen gestalterischer Kenntnisse, um ihre "message" zu transportieren, um uns zu manipulieren. Daher ist es so notwendig, die Machart dieser Bilder kennen zu lernen und zu durchschauen. Die Kunst des/der Fotojournalisten/in ist - neben einer perfekten technischen Ausstattung und umfassender Kenntnisse darŸber -, zur rich
tigen Zeit, am richtigen Ort zu sein und - ggf. auch skrupellos ohne RŸcksicht auf GefŸhle und Regeln - den Auslšser zu betŠtigen. Das Geheimnis des Erfolgs ist weiterhin die gro§e Zahl der Bilder (mit Motorkamera und schon gar mit der digitalen Fotografie [40] kein Problem), aus der man dann auswŠhlen kann. Der Fotojournalist ist also zunŠchst Journalist und Techniker. Alles andere ist nachrangig. Eine besondere Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Sozialfotografie, die zunŠchst von Berufsfotografen entwickelt wurde, spŠter im Zusammenhang mit den unterschiedlichen sozialen Bewegungen Ÿberwiegend von Amateur- und Hobbyfotografen ausgeŸbt wurde und wird. Ich verstehe unter Sozialfotografie eine Bewegung und deren Resultate, die sich die Aufgabe setzt, soziale Bewegungen, soziale MissstŠnde zu dokumentieren und u.U. politisch eingreifend tŠtig zu werden. Die Themenvielfalt ist keineswegs auf den betrieblichen Bereich eingeschrŠnkt, sondern umfasst auch z.B. Fragen des Wohnens, der …kologie, MilitŠr und Friedensbewegung, staatliche Repression usw. Dabei ist es zunŠchst unerheblich, ob sie von Amateuren oder Professionellen ausgeŸbt wird. Die Sozialfotografie bedient sich besonderer gestalterischer Mittel, die hier nur stichwortartig erwŠhnt werden kšnnen: Augenhšhe als vorherrschende Perspektive, kurze Brennweiten und Fotomontage zur Verfremdung. Entstanden ist die Sozialfotografie im 19. Jahrhundert in Amerika und England. Auslšser war die Empšrung bŸrgerlich-mittelstŠndischer Fotografen Ÿber soziales Elend in den industriellen Ballungszentren. Auch in Deutschland war zu Beginn des 20. Jahrhunderts der karitative Ansatz Auslšser fŸr diese Fotografie. In den 20er Jahren entdeckten aber auch die Organisationen der Arbeiterbewegung sowohl in Deutschland als auch sehr entwickelt in der Sowjetunion die Fotografie als Ausdrucks- und Propagandamittel. Es gab eine eigene Zeitschrift "Der Arbeiterfotograf", in der Gruppen der Arbeiterfotografie sich austauschen, vor allem aber ihre Bilder veršffentlichen konnten. WŠhrend in Amerika z.B. die Sozialfotografie eine KontinuitŠt behielt und teilweise sogar noch staatlich unterstŸtzt wurde, wurde zusammen mit der Arbeiterbewegung auch die Arbeiterfotografie von den Nationalsozialisten zerschlagen. Nach dem zweiten Weltkrieg erholte sich die Sozialfotografie nur zšgernd. Sie erreichte erst in den 70er Jahren im Zusammenhang mit den unterschiedlichen sozialen Bewegungen (Studenten-, Lehrlings- und SchŸlerbewegung, škologische und Friedensbewegung usw.) neue Bedeutung und entwickelte sich selbst zu einer neuen Bewegung, die teilweise auch von Fotojournalisten wie GŸnter Zint und seiner Agentur Pan-Foto und Hochschulen unterstŸtzt und weiterentwickelt wird. Im Unterschied zur Werbefotografie ist die Sozialfotografie an der genauen und umfassenden Information interessiert, appelliert an die Vernunft und transportiert einen ausgewiesenen Inhalt. 4. Fotografie als Werbemittel Auch die Werbung bedient sich der Fotografie und ŸberschŸttet uns mit Bildern. Ganz anders aber als Kunstfotograf und Fotojournalist nutzt die Werbung das Foto primŠr, um eine bestimmte "message", hier das Produkt zu propagieren und die Bildmittel so leicht lesbar zu machen, dass jeder, der dadurch angesprochen werden soll, sie versteht. NatŸrlich werden die Regeln der Bildgestaltung bzw. Bildsprache perfekt eingesetzt. Dabei wird aber kaum an den Verstand appelliert (allenfalls beim Preis), angesprochen werden vor allem das Unterbewusste und die GefŸhle. Und das wird durch verschlŸsselte Bildbotschaften, Symbole, gestalterische Tricks und raffinierte PrŠsentation erreicht. €sthetisch ist die Werbefotografie plakativ und effektvoll. Indem wir die Bildsprache der Werbung lesbar machen, werden wir immun gegen Manipulation. Die Werbefotografie tritt uns entgegen auf Plakaten an šffentlichen PlŠtzen, in Zeitungen und Illustrierten, auf Handzetteln und in Schaufensterdekorationen. Wir kšnnen ihr gar nicht ausweichen, sondern mŸssen uns ihr stellen, wenn wir ihr nicht erliegen wollen. Die Mittel der Werbefotografie sind vielfŠltig. Sie bedient sich der dokumentarischen Fotografie (z.B. die hšchst fragwŸrdige Beneton-Werbung), der PortrŠt- und bevorzugt der Aktfotografie, der Landschaftsfotografie (Tabak- und Alkoholwerbung), der arrangierten Fotografie usw. und kombiniert alles mit allem, wenn es nur die gewŸnschte Wirkung verspricht. Sie plŸndert rigoros die Fotografiegeschichte, immer auf der Suche nach neuen Sensationen. Die Werbefotografie ist Šu§erst kŸnstlich. In der Regel bedient sie sich bereits vorhandener Fotos, die sie nach Belieben bearbeitet, verfremdet und kombiniert. Hier kommt ihr die digitale Fotografie sehr entgegen. Oder sie schafft in Atelieraufnahmen fiktive Situationen. Fotomodelle und Produkte werden in kŸnstlichen Arrangements vor kŸnstlichen HintergrŸnden zusammengestellt und fotografiert. Die Bademode aus der portugiesischen Textilfabrik, prŠsentiert von einem Model aus Mailand vor der Fotokulisse einer Karibiklandschaft in einem Frankfurter Werbeatelier wird von einem DŸsseldorfer Starfotografen aufgenommen: alles Illusion.
Als Sonderform der Werbefotografie kann die Propagandafotografie gelten. Sie bedient sich hŠufig derselben Mittel, propagiert aber ein anderes Produkt: Ideologie, eine Partei etc. Dabei ist das Mittel nicht beliebig und nicht unabhŠngig von der Ideologie und darin unterscheidet sie sich weitgehend von der Werbefotografie. Eine manipulative €sthetik kann nicht einem emanzipatorischen, also aufklŠrerischen Inhalt dienen. Eine Partei, die sich faschistoider Ausdrucksmittel bedient, kann nicht als demokratisch gelten. 4. Konsequenzen fŸr die Medienerziehung Nach dieser Analyse lassen sich die sozialen Gebrauchsweisen der Fotografie durch die folgenden Kategorien kennzeichnen: PortrŠtfotografie Familienalbum Urlaubsfotografie KŸnstlerische Fotografie Dokumentarische Fotografie (Fotojournalismus, Sozialfotografie) Werbefotografie. FŸr die MedienpŠdagogik ergibt sich aus den sozialen Gebrauchsweisen der Fotografie, dass sie sich in ihren Angeboten darauf beziehen sollte. Wenn nŠmlich die tradierten Gebrauchsweisen plausibel fŸr die "Nutzer" von Bildern sind, dann ist es sinnvoll, die TeilnehmerInnen an Bildungsveranstaltungen in ihrem Verhalten gegenŸber Bildern ernst zu nehmen, um ihnen den Start fŸr eine weitergehende und differenziertere Auseinandersetzung mit dem Medium zu ermšglichen. PortrŠts werden von Amateurfotografen sehr hŠufig gemacht, nicht immer jedoch mit dem erhofften Ergebnis. Weil Amateurfotografen zuwenig Ÿber Licht, Film- und PapierqualitŠt wissen und ihre BeobachtungsfŠhigkeit sich nicht auf den Ausschnitt des PortrŠts konzentriert, ist die EnttŠuschung bei Betrachtung der Ergebnisse oft gro§. "Das ist nichts geworden." ist der entschuldigende Standartsatz. Hier kann die Medienerziehung einsetzen und fragen, warum das Foto "nichts geworden" ist. Dies kšnnte der Ausgangspunkt Ÿber die Reflexion sein, wie PortrŠts besser werden kšnnen. Es ist also sinnvoll, die TeilnehmerInnen PortrŠtfotos mitbringen und ihre Kritik daran Šu§ern zu lassen, um dann gemeinsam darŸber nachzudenken, wie man zu besseren Ergebnissen kommen kann und das dann auszuprobieren. Dies ist eine Voraussetzung zur Weiterentwicklung der PortrŠtfotografie zu einer anspruchsvollen Kunstgattung. €hnliches gilt fŸr die Familien- und Urlaubsfotografie. Der beschriebene Mangel - dass nŠmlich diese Bilder regelmЧig nicht ohne Kommentar auskommen - besteht darin, dass bei der Aufnahme nicht berŸcksichtigt wurde, dass ein Foto immer nur einen isolierten Ausschnitt einer komplexen Situation wiedergeben kann. Wenn acht Familienmitglieder mit alkoholglŠnzenden Augen und erhobenem Weinglas in die Kamera posieren, kann vielleicht die gute Stimmung des Festes wiedergeben, nicht aber z.B. der Anlass des Festes vermittelt werden. Also gilt es aus der Kritik vorhandener Bilder heraus Kriterien fŸr bessere Familien- und Urlaubsfotos zu entwickeln, die ohne Kommentar fŸr sich sprechen. Dies kann z.B. die Voraussetzung dafŸr sein, die AktivitŠten einer Jugendgruppe so zu dokumentieren, dass aussagestarke Bilder dabei herauskommen. Da kommt auch der PrŠsentationsform eine wesentliche Bedeutung zu. Es gilt vorher zu Ÿberlegen, wie die Bilder prŠsentiert werden sollen: Als Gruppenchronik in Albumform, als Diaserie oder Ton-Dia-Schau oder als Ausstellung. In diesem Zusammenhang muss auch darauf hingewiesen werden, dass in dieser Form die Fotografie zum sozialen Handeln wird. Einerseits setzen solche Formen einen sozialen Prozess in der Gruppe voraus, andererseits zielen sie auf …ffentlichkeit und damit auf soziale Auseinandersetzung. Wenn Bourdieu Recht hat mit seiner Feststellung, dass zu den sozialen Gebrauchsformen der Fotografie die Selbstverwirklichung gehšrt (Bourdieu, S. 25 ff.), dann ist der Schritt zur Hobbyfotografie nahe liegend. Diese wird sich meist nicht mit Gelegenheitsbildern (Familien-/Betriebsfeiern, Urlaub etc.) begnŸgen, sondern sich zur Kunstfotografie oder zur dokumentarischen Fotografie orientieren. Die Medienerziehung sollte daher Angebote dieser beiden Gebrauchsweisen bereithalten, um Ÿber die Kritik des Tradierten hinauszukommen und die kreative Nutzung des Mediums zu fšrdern. Alle bisher beschriebenen pŠdagogischen Wege sind zugleich wichtige Voraussetzungen der Kritik der Werbefotografie. Zwar gehšrt die "Entlarvung" der Werbung zu den Standartthemen der Kunsterziehung, zumindest Jugendliche reagieren in ihrem Medienkonsum kaum darauf. Sie haben das GefŸhl, dass der PŠdagoge ihnen etwas wegnehmen oder vorenthalten will, was sie sich gerade anzueignen begonnen haben. Ich denke, dass der Einfluss der Bilder gegenŸber dem der AV-Medien (Video, TV, Kino, Computer) vernachlŠssigt wird. Bilder sind allgegenwŠrtig und unausweichlich. Die blo§e Kritik der Werbung bewirkt aber wenig. Sie kann sinnvoll ergŠnzt werden durch eigene Erfahrungen mit dem Medium, d.h. durch aktives, bewusstes Fotografieren. So kšnnen die Mittel moderner Bildgestaltung durchschaubar gemacht werden. Zugleich - und das ist nicht weniger wichtig - werden Mšglichkeiten eigenen kreativen und sozialen Handelns erschlossen.
JŸrgen Fiege 2011 ãDie Dauer des AugenblicksÒ Ein foto-pŠdagogisches Handbuch P 4 Foto-Seminare mit jungen Behinderten T 7, P 5 "Dass die das kšnnen!" Seminare zur Sozialfotografie mit jungen Behinderten "Was die Hand geschaffen hat, begreift der Kopf um so leichter." (Adolf Reichwein) 1. Fachdiskussion: Behindertenbildung als Normalisierungsfaktor 7 - 10 % der Bevšlkerung sind Behinderte, je nach Definition von Behinderung. In der pŠdagogischen Fachdiskussion Ÿber au§erschulische Bildung, schon gar in der Praxis sind Behinderte dennoch všllig unterreprŠsentiert. Zwar wurde bereits in den 50er Jahren in den skandinavischen LŠndern das Prinzip der "Normalisierung" [41] entwickelt, fŸr den deutschen Alltag kann jedoch davon keine Rede sein. Bei der Herausbildung der modernen Industriegesellschaften wurde der Lebenszusammenhang der Menschen in Segmente - Arbeit, Wohnen, Konsum, Dienstleistungen, Freizeit etc. - zerlegt. Diese Segmentierung fŸhrte zur gesellschaftlichen Ausgrenzung von Behinderten (wie anderer Minderheiten), deren radikale Zuspitzung die im 19. Jahrhundert gegrŸndeten, bis heute existenten Gro§einrichtungen waren. Gerade die gegenwŠrtig nach Berichten Behinderter und ihrer Betreuer zunehmenden verbalen oder tŠtlichen Aggressionen gegen Behinderte "aus der Mitte der Gesellschaft" wie von ihrem rechtsextremen Rand machen die Stabilisierung des SelbstwertgefŸhls Behinderter immer notwendiger. Ihre Marginalisierung im Beruf - durch "BeschŠftigung" in speziellen WerkstŠtten - legt die aktive Auseinandersetzung gerade mit dem Thema "Arbeitsplatz" nahe. Au§erschulische politische oder kulturelle Bildungsarbeit mit jungen Behinderten wurde trotz der bildungspolitischen Hochkonjunktur der 70er Jahre vernachlŠssigt. Wenn Bildung fŸr behinderte Jugendliche thematisiert wurde, dann ausschlie§lich in den Bereichen Schule und Berufsbildung. Zwar gab es seit den 80er Jahren auch in der Bundesrepublik eine zunehmende Fachdiskussion zur Erwachsenenbildung mit Behinderten und gelegentliche praktische Angebote an Volkshochschulen, dieser neue Wind hat die au§erschulische Jugendbildung
2. Politisch-kulturelle Bildung Wenn Normalisierung u.a. die Herstellung grš§tmšglicher Gemeinsamkeit von Behinderten und Nichtbehinderten bewirken soll, dann liegt es nahe, vorhandene Jugendbildungskonzepte mit Behinderten zu versuchen, wobei spezifische Methoden entsprechend der Art und dem Grad der Behinderung entwickelt werden mŸssen. Im Jugendhof Steinkimmen - eine BildungsstŠtte im Nordwesten Niedersachsens – hatten wir schon seit langem ein Konzept zur Verbindung von kultureller und politischer Jugendbildung entwickelt. Die Besonderheit dieses Konzepts besteht darin, dass kulturelle Medien (Theater, Video, Fotografie, Musik, Radio) nicht als Vehikel oder pŠdagogische Methode, dass andererseits Inhalte nicht als Staffage fŸr kŸnstlerische Formexperimente benutzt werden. Vielmehr sind Thema und Medium gleichwertige Bestandteile des Konzepts. Das Thema wird medial bearbeitet, das Medium und seine GesetzmЧigkeiten werden ebenfalls thematisiert. Entsprechend diesem Konzept wurden Seminartypen entwickelt, in denen mit fotografischen Mitteln an sozialpolitischen Themen gearbeitet wird [42] . Dieses Konzept scheint uns hervorragend fŸr die Bildungsarbeit mit Behinderten geeignet, da sie einerseits nicht durch rein kognitive Lernprozesse Ÿberfordert werden, andererseits aber ein Zugang zu thematischen ZusammenhŠngen Ÿber das praktische Tun erreicht werden kann. DarŸber hinaus bieten Fotografie und Laborarbeit den Teilnehmenden (TN) die Mšglichkeit sinnlicher Erfahrung, zur aktiven Auseinandersetzung mit ihrer sozialen Umgebung. Schlie§lich kšnnen sie durch die Veršffentlichung der Arbeitsergebnisse in Ausstellungen Anerkennung, Selbstvertrauen und Ich-StŠrke gewinnen. So wird ihnen die Mšglichkeit zur Persšnlichkeitsentwicklung geboten. 3. Politisch-kulturelle Bildung mit jungen Behinderten Zielgruppe unserer Seminare waren junge kšrperlich und/oder geistig Behinderte und psychisch Kranke im Alter zwischen 18 und 26 Jahren, wobei der eine oder die andere auch mal Šlter war. Da der Kontakt Ÿber Behinderteneinrichtungen (Ÿberwiegend WerkstŠtten) hergestellt wird, schien uns eine strikte Altersbegrenzung nach oben entsprechend den gesetzlichen Vorgaben nicht sinnvoll, da in den WerkstŠtten diese Begrenzung irrelevant ist. Die TN haben unterschiedliche Erfahrungen mit Arbeit, wobei die Bandbreite von industrieller Massenfertigung Ÿber handwerkliche TŠtigkeiten bis zur BeschŠftigungstherapie reicht. Entsprechend unserer Konzeption des sozialfotografischen Ansatzes sollte das Seminarthema einen direkten lebenspraktischen Bezug zur Alltagserfahrung der TN haben. Das Naheliegendste war daher, den Arbeitsplatz der TN zu thematisieren, wobei nicht ausgeschlossen wurde, auch andere Themen zu einem spŠteren Zeitpunkt aufzugreifen. Das Thema Arbeitsplatz versprach eine sozialpolitische Bearbeitung, lie§ eine individuelle Auseinandersetzung zu, ist mit den Mitteln der Sozialfotografie gut zu visualisieren und lag angesichts des Umfeldes, in dem die TN angesprochen wurden, nahe.
4. Seminarverlauf 4.1 Die Seminare dauerten jeweils von Montag Vormittag bis Freitag Mittag. Nach der BegrŸ§ung durch das Team stellten sich TN und Team gegenseitig vor. Hierbei wurden zunŠchst Methoden aus der herkšmmlichen Jugendbildungsarbeit (Partnerinterviews mit gegenseitiger Vorstellung, zufŠllige Partnerfindung durch ein Spiel), die sich jedoch aus verschiedenen GrŸnden als unpraktikabel erwiesen. Wir bevorzugten daher spŠter die direkte verbale Vorstellung. 4.2 Gleich anschlie§end wurde mit einer KameraeinfŸhrung begonnen: Blende, Zeitverschluss und Entfernung/SchŠrfe sowie deren Funktionen wurden erklŠrt. Auch hierbei wurden zunŠchst besondere methodische Anstrengungen unternommen. so wurde das Prinzip der Blende durch Wasser, das durch einen gro§en bzw. kleinen Trichter lŠuft, erklŠrt. Es stellte sich jedoch heraus, dass diese Methode zu abstrakt (die analoge †bertragung Wasser / Licht, Trichter / Blende konnte nicht nachvollzogen werden) und zu umstŠndlich war. Wir verzichteten daher in den Folgeseminaren darauf. Bei der KameraeinfŸhrung konnte das Team bereits feststellen, welche technischen und praktisch-handwerklichen FŠhigkeiten die einzelnen TN haben. Hiervon war abhŠngig, welche technischen Hilfsmittel entsprechend den unterschiedlichen Behinderungen zur VerfŸgung gestellt werden mŸssen (Stativ, Drahtauslšser, ggf. einfache Kameras mit Autofokus und Belichtungsautomatik). GrundsŠtzlich sind wir aber davon ausgegangen, dass die TN mšglichst auch Spiegelreflexkameras benutzen sollten, mit denen Entfernung, Blende und Zeit einstellbar sind, um auch besondere fotografische Gestaltungsmšglichkeiten auszunutzen. 4.3 Anschlie§end wurde eine erste Fotoexkursion gemacht, damit die TN anhand einfacher Themen - Detail / Strukturen - den Umgang mit der Kamera unter Anleitung des Teams Ÿben konnten. Um die belichteten Filme den jeweiligen Fotografen spŠter zuordnen zu kšnnen, wurde pro Film ein PortrŠt gemacht. Hierbei konnte das Team auch feststellen, welche spezifischen FŠhigkeiten, welche Seh- und Wahrnehmungsdefizite und kšrperlichen BeeintrŠchtigungen die TN haben. Diese Kenntnis war fŸr den weiteren Seminarverlauf wichtig, um gezielt Hilfestellungen geben zu kšnnen. Die so entstandenen Schwarzwei§filme wurden noch am selben Tag gemeinsam entwickelt. Das Team machte am Abend AbzŸge von ausgewŠhlten Negativen. 4.4 Am zweiten Tag wurden diese Negative sowie deren Vergrš§erungen (20 x 30 cm) gemeinsam besprochen. Mit Hilfe eines Diaprojektors wurden die Negative an die Leinwand projiziert und mit den entsprechenden Positiven verglichen. Hierbei kam es darauf an, das Motiv auf Negativ und Positiv sehen zu lernen, SchŠrfe / UnschŠrfe (Entfernungseinstellung, BewegungsunschŠrfe) zu erkennen und ggf. vermeiden zu lernen, das VerhŠltnis von Vergrš§erungsma§stab, Entfernung Projektor/Projektionsebene und SchŠrfe zu beurteilen, hell und dunkel bzw. †ber-/Unterbelichtung zu unterscheiden. Gelegentlich wurden auch gestalterische Elemente wie z.B. Perspektive erlŠutert. Diese Phase stellte sich als wichtig und nŸtzlich heraus, weil sie eine gute Voraussetzung fŸr die weitere Aufnahmepraxis wie fŸr die Laborarbeit darstellte. 4.5 Nach diesen praktischen EinfŸhrungsphasen wurde eine Diskussionsphase eingelegt, in der Ÿber die Situation am Arbeitsplatz diskutiert wurde: Bezahlung / Lohngruppen, Arbeitsbelastung, VerhŠltnis zu Vorgesetzten und Kollegen, Mitbestimmung, Inhalt der Arbeit, Alternativen zur Arbeit in der Behindertenwerkstatt, Betreuung am Arbeitsplatz etc. Diese Phase war unterschiedlich intensiv, je nach Abstraktions-, Verbalisierungs- und Konzentrationsvermšgen der TN. AusfŸhrlich wurde regelmЧig Ÿber das VerhŠltnis zu Kollegen und Vorgesetzten sowie Ÿber die eigentliche Arbeit berichtet und diskutiert. Es wurde deutlich, wie stark die TN sich Ÿber die Arbeit und Ÿber soziale BezŸge definieren. Zu anderen Themen wurden Informationen vermittelt: z.B. Mitbestimmungsmšglichkeiten und sozialpŠdagogische Betreuung. HŠufig war ein gro§es MitteilungsbedŸrfnis spŸrbar, was wir darauf zurŸckfŸhren, dass "Arbeit" kein hŠufiges GesprŠchsthema ist. 4.6 An die thematische Diskussion schloss sich eine Reflexion darŸber an, wie die einzelnen Probleme fotografisch umgesetzt werden kšnnen. Ergebnis war eine Sammlung mšglicher Motive, auf die die TN bei der folgenden Fotoexkursion in die WerkstŠtten achten sollten. 4.7 Bei den Exkursionen in die WerkstŠtten wurde mšglichst darauf geachtet, dass die TN ihre eigenen ArbeitsplŠtze besuchten. Jeweils 3 - 4 TN bildeten eine Kleingruppe, die von einem/r Teamer/in begleitet wurde. Die Teamer/innen erinnerten die TN wŠhrend der Betriebsbesichtigung an die Motivsammlung und achteten auf die technisch richtige Handhabung der Kamera. Diese Exkursionen versetzten die TN in eine spannende Situation: aus der Distanz des "Au§enstehenden" beobachteten und dokumentierten sie die ihnen aus der NŠhe vertrauten VerhŠltnisse. Die Kamera versetzt sie gegenŸber ihren Kolleg/innen in eine besondere Lage. Sie mŸssen ihr Handeln erklŠren, dadurch wird ihr Ansehen aufgewertet. Hier waren sie erstmalig in der Lage, sich mit ihrem Arbeitsplatz anders als gewohnt auseinander zu setzen. Dies wird zu einem spŠteren Zeitpunkt - Auswahl und Vergrš§erung der Bilder, Vorbereitung der Ausstellung - wieder aufgenommen und verstŠrkt. 4.8 Nach der RŸckkehr in die BildungsstŠtte wird die Negativentwicklung ausfŸhrlich erklŠrt und gemeinsam durchgefŸhrt, wobei je nach individueller Mšglichkeit jede/r TN den eigenen Film in die Entwicklerdose einlegt. 4.9 Die EinfŸhrung in die Positivlaborarbeit am vierten Tag erfolgte zunŠchst Ÿber einfache praktische †bungen wie Chemogramm, Fotobatik und Fotogramm, um das VerhŠltnis von Belichtung und Entwicklung zunŠchst bei Tageslicht, dann in der Dunkelkammer zu erfahren. Die Vergrš§erungstechnik wurde ebenfalls zunŠchst im Tageslichtraum demonstriert. Dann Ÿbten die TN die Herstellung eigener Bilder. Hierbei ist wegen der komplexen technischen Arbeitsprozesse, PrŠzision der Arbeit unter den Bedingungen der Dunkelkammer eine sehr intensive Betreuung durch das Team notwendig. Bereits von Anfang an wurden die TN allmŠhlich auf die Schlussproduktion und die geplante Ausstellung orientiert. Sie wurden aufgefordert, in ihrer Kleingruppe aussagefŠhige Bilder Ÿber ihre Arbeit auszuwŠhlen und einander zuzuordnen. Dies setzte einen teilweise intensiven Diskussionsprozess der Kleingruppen Ÿber Motivauswahl, Bildgrš§e, PrŠsentationsform, ggf. Beschriftung entsprechend den inhaltlichen Absichten voraus. Die so ausgewŠhlten Bilder wurden vergrš§ert und auf Karton aufgezogen, ggf. gerahmt. 4.10 Schluss- und Hšhepunkt war die Ausstellung der Bilder (siehe P 16). Die PrŠsentationsform war den TN prinzipiell freigestellt, was zunŠchst dazu fŸhrte, dass Ÿbergro§e Tableaux oder Kollagen hergestellt wurden, die schwer auszustellen sind. Das Team hat daher bei spŠteren Seminaren eher auf Einzelbilder bzw. kleine Tableaux (70 x 90 cm) hingearbeitet. Zur Ausstellungseršffnung wurde ein dazu geeigneter Seminarraum vorbereitet. Neben den Dokumentarfotos wurden auch z.B. Fotobatiken (siehe P 8) von den HŠnden der TN ausgestellt. Eingeladen wurden die parallel im Jugendhof anwesenden Gastgruppen. Gelegentlich wurde wie bei einer Vernissage Orangensaft in SektglŠsern ausgeschenkt. Die šffentliche PrŠsentation wurde meist von den Besuchern aufmerksam und interessiert, teilweise begeistert aufgenommen. Es entstand regelmЧig eine lebhafte Diskussion aller Beteiligten, wobei unsere TN Mittelpunkt des Geschehens waren. 4.11
4.12 AuffŠllig war das hŠufig gut entwickelte Sozialverhalten der TN, das sich z.B. im gegenseitigen Helfen, RŸcksicht u.a. zeigt. Teilweise wurde das auch zu weit getrieben: so kontrollierte eine TN eine andere, die Diabetikerin ist, hinsichtlich ihres Essverhaltens so streng, dass dieser beinahe der Appetit verging, sie sich schlie§lich wehrte und an einen anderen Tisch umzog. Das Zusammenleben war nicht konfliktfrei. Wie wir alle haben diese TN ihre "Macken", nur dass sie oft ausgeprŠgter sind oder ihre Selbstwahrnehmung und -kontrolle weniger ausgebildet ist. Dies fŸhrte gelegentlich zu explosiven AusbrŸchen. Problematisch war auch der Status, den die TN sich selbst zuwiesen. WŠhrend einer lŠngeren Diskussion Ÿber "Behinderung" kam heraus, dass die TN den Begriff "Behinderte" fŸr diffamierend halten. Unsere Frage, wie sie sich selbst denn bezeichnen wŸrden, konnten sie nicht beantworten. Sie machten nur klar, dass sie einerseits von ihrem Anderssein wissen, es andererseits aber nicht stŠndig vorgehalten bekommen wollen. Ihre Stigmatisierung als Behinderte erinnert sie aber immer wieder an ihre Sonderrolle. WŠhrend einer Frotzelei unter den TN platzte dem TN, der Opfer der Frotzelei war, die Geduld: "So kann man doch nicht mit Behinderten umgehen!" In diesem Fall wurde der Status des Behinderten als Selbstschutz in Anspruch genommen. 5. Integration und Gegenšffentlichkeit Normalisierung hei§t auch, dass Behinderte in der Alltagsšffentlichkeit ihren angemessenen Platz haben, dass sie die manifesten und heimlichen Gettos von Bewahranstalten und Scham verlassen und mit einem normalen Selbstbewusstsein auftreten; das hei§t aber auch, dass die "nicht behinderte" …ffentlichkeit ihnen den dazu notwendigen Raum gibt und auch die damit verbundenen Verunsicherungen und Konflikte aushŠlt. Die BildungsstŠtte erwies sich als idealer Ort fŸr das gegenseitige Kennen lernen und die aktive Auseinandersetzung miteinander im tŠglichen Umgang: bei den Mahlzeiten, in der Freizeit, bei Begegnungen auf dem GelŠnde, wŠhrend der PrŠsentation der Produkte. Gerade den Behinderten ist es sehr wichtig, nicht wieder gettoisiert zu werden wie in speziellen Heimen, BehindertenwerkstŠtten etc., sondern die Mšglichkeit zu unverkrampfter Kontaktaufnahme mit Nichtbehinderten zu haben. Als wŠhrend eines Seminars am ersten Vormittag noch keine Parallelgruppe im Haus war, fragte eine TN besorgt, was die noch zu Erwartenden fŸr Leute seien; sie befŸrchtete, wieder nur mit Behinderten zusammen zu sein. Umgekehrt ist fŸr viele der nichtbehinderten TN und GŠste der BildungsstŠtte die Begegnung mit Behinderten wŠhrend einer Woche im alltŠglichen Umgang eine neue und wichtige Erfahrung. Insbesondere die Ausstellung der Produkte und die Diskussion darŸber schaffen neue Erkenntnisse. Indem die TN sich mit einem Ausschnitt ihrer Alltagserfahrung, dem Arbeitsplatz kritisch und handelnd, auch eingreifend auseinandersetzen, werden ihnen Mšglichkeiten der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben und der †bernahme von Verantwortung eršffnet. Dies betraf auch die Verbindung von kulturellem und gesellschaftlichem Handeln. Schon durch die Ausstellung gewannen die TN soziale Kompetenz. Sie erfuhren real, dass ihre Produktionen fŸr andere Behinderte wie Nichtbehinderte interessant sind. Dies dokumentierte sich einmal durch die Ausstellungen wŠhrend der Seminare, zweitens wurden die Produktionen anschlie§end in den WerkstŠtten ausgestellt. Schlie§lich mussten sie sich mit ihren Alltagserfahrungen kritisch, handelnd und eingreifend auseinandersetzen. Hierdurch erfuhren sie in einem Teilbereich Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Die Erfahrungen mit den nichtbehinderten Gastgruppen des Jugendhofs waren sehr unterschiedlich. In einem Fall z.B. fand eine Tagung von KulturpŠdagogen statt, deren TN vor allem an den Produkten gro§es Interesse zeigten und in eine intensive Diskussion mit unseren TN einstiegen. VerblŸffter Ausruf eines TN dieser Gruppe: "Dass die das kšnnen!" Im Fall einer Gewerkschaftsgruppe ergaben sich teilweise sehr intensive Kontakte vor allem in der Freizeit beim Sport, Tanzen, Klšnen bis zum gemeinsam verbrachten Abschlussabend. In diesen intensiven Kontakten lernten die Nichtbehinderten, dass Behinderte eine eigene Persšnlichkeit, GefŸhle, BedŸrfnisse, auch AnsprŸche haben. In einem dritten Fall - eine Schulklasse - verlief der Kontakt eher konflikthaft. Die AnsprŸche und Erwartungen der behinderten TN Ÿberforderten die SchŸler/innen, sie reagierten Šngstlich, statt den Behinderten auch ihre Grenzen - z.B. das eigene GŠstehaus - aufzuzeigen. Die Erwartung der Teamer der Schulklasse an unser Team, unsere TN von ihren SchŸler/innen fernzuhalten, wurde von uns zurŸckgewiesen: dies wŠre auf Wegschlie§en, erneute Gettoisierung hinausgelaufen. Wir haben dagegengehalten, dass wir den Konflikt nicht vermeiden, sondern austragen wollten, dass auch die Nichtbehinderten lernen mŸssen, mit Behinderten umzugehen. 6. Team Angesichts der besonderen Schwierigkeiten Behinderter ist ein hoher Betreuungsaufwand nštig. Insbesondere wŠhrend der praktischen Phasen (KameraeinfŸhrung, Fotoexkursionen, Laborarbeit) sowie in der Freizeit ist eine intensive Betreuung notwendig, die mit dem im "normalen Betrieb" in der BildungsstŠtte Ÿblichen SchlŸssel von 1 : 10 nicht zu leisten ist. Aufgrund unserer Erfahrungen halten wir ein VerhŠltnis von 1 : 3 fŸr sinnvoll und praktikabel. Zugleich bedarf es einer spezifischen Qualifikation des Teams: es muss Kenntnisse und FŠhigkeiten in politischer und kultureller Bildung, praktische FŠhigkeiten in Fotografie und Laborarbeit und behindertenpŠdagogische Kompetenz miteinander verbinden. Diese Voraussetzungen waren in unserem Team gegeben. Sowohl die baulichen Gegebenheiten der BildungsstŠtte als auch die Kompetenzen des Teams schrŠnkten den TN-Kreis ein. Die BildungsstŠtte ist nicht in allen Teilen rollstuhlgerecht, insbesondere die Arbeit im Fotolabor setzt ein Mindestma§ an eigener Beweglichkeit voraus. Sowohl Grš§e wie Kompetenz des Teams machten es unmšglich, eine pflegerische Versorgung der TN zu gewŠhrleisten, die Ÿber gelegentliche Hilfen beim Duschen oder Anziehen und das Verabreichen von Medikamenten hinausgeht. Soll das geleistet werden, wŠre zusŠtzliches und pflegerisch qualifiziertes Personal notwendig. SpŠter wurde eins der GŠstehŠuser behindertengerecht ausgebaut. Im Vergleich zu Seminaren zu gleichen oder Šhnlichen Themen waren die inhaltlichen und fotografisch-technischen bzw. gestalterischen Anforderungen an das Team geringer. Andererseits erfordert die Arbeit mit dieser Zielgruppe eine sehr hohe PrŠsenz. Jede Minute und jeder TN verlangt erhšhte Aufmerksamkeit. Kleine methodische Fehler, Achtlosigkeiten, die im Regelfall nicht einmal auffallen, kšnnen Konflikte hervorrufen. Nicht nur deshalb war es vor allem im Anfangsstadium wichtig, im Team zwei ausgebildete BehindertenpŠdagogen zu haben, die die anderen Teammitglieder mit ihrer fachlichen Kompetenz und Erfahrung unterstŸtzten. 7. Schlussfolgerungen Die Veršffentlichung unseres Ansatzes von politisch-kultureller Bildung mit jungen Behinderten schien uns deswegen notwendig, weil Behinderung und au§erschulische Bildung sich fŸr die meisten TrŠger der Jugendarbeit nach wie vor auszuschlie§en scheinen. Diesen Schluss muss man ziehen, wenn man berŸcksichtigt, wie dieses Problem in der Fachpresse nicht behandelt wird und in der Bildungspraxis nur ansatzweise vorkommt. Andererseits haben wir festgestellt, dass eine Reihe von TrŠgern von Behindertenarbeit inzwischen Interesse an unserem Konzept geŠu§ert hat und bereits konkrete Schritte zur Ausweitung des Angebots auch mit anderen TrŠgern gemacht wurden. Dabei wird z.Zt. auch Ÿberlegt, von reinen Fotoseminaren Ÿberzugehen auf Seminare mit mehreren Medien (z.B. Video und Radio) und auch neue Themen aufzugreifen (z.B. Wohnsituation, Freizeit Freundschaft, usw.).
JŸrgen Fiege 2011 ãDie Dauer des AugenblicksÒ Ein foto-pŠdagogisches Handbuch P 5 Das Licht der Erkenntnis A 21/22, T 7/8, D 3 Sozialfotografie in der Bildungsarbeit Bei der Konzipierung unserer Seminare zur Sozialfotografie lie§en wir uns von der Fragestellung leiten: Wie kšnnen sich Teilnehmende einem hŠufig fremden, manchmal vertrauten Gegenstand nŠhern und damit zugleich in eine Auseinandersetzung mit dem Thema einsteigen? VerhŠltnis von Distanz und NŠheVordergrŸndig betrachtet scheint die Fotokamera zunŠchst zwischen Betrachter und Objekt als Hindernis zu stehen. Aber die Kamera ist nicht nur Barrire, sondern auch BrŸcke zum Objekt. Sie bietet die Mšglichkeit, Abstand und kritische Distanz zum Objekt zu halten, die von allzu gro§er NŠhe aufgehoben zu werden droht. Durch die Fokussierung auf Ausschnitte, den Zwang zur Auswahl des Objekts, zur Auswahl von Bildern, den bewussten Einsatz bildsprachlicher Mittel wie Perspektive, Komposition, TiefenschŠrfe etc. muss der Fotograf sich mit dem Bildmaterial ebenso auseinander setzen wie mit dem Objekt. Distanz und NŠhe werden so in ein dialektisches VerhŠltnis gebracht, statt sich auszuschlie§en. DarŸber hinaus weisen wir die Seminarteilnehmer auf die klassischen Mittel der fotografischen Sozialdokumentation hin: kurze Brennweiten, Augenhšhe, als Ÿberwiegende Perspektive, Montage. Lange Brennweiten oder extreme Perspektiven werden ausnahmsweise zur Charakterisierung von "Oben" und "Unten" benutzt. WŠhrend des Fotografierens soll mit den Menschen gesprochen werden. Kurze Brennweiten zwingen zur Auseinandersetzung mit den Menschen, setzen ihr EinverstŠndnis voraus und vermeiden die Indiskretion und den Voyeurismus des Teleobjektivs. Politisch-pŠdagogisch auf den Begriff gebracht hei§t das: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind auf Handeln orientiert. Sie machen Erfahrungen mit einem sozialen oder politischen Problem. In der anschlie§enden Reflexionsphase werden diese neuen Erkenntnisse Ÿber den Gegenstand wie Ÿber das Medium bearbeitet, die dann wiederum ihren Niederschlag im Handeln, also in der weiteren Arbeit am Bild finden. In den an die Aufnahmepraxis anschlie§enden Phasen von Materialsichtung und - Auswahl, konzeptioneller Auseinandersetzung und Entscheidung Ÿber die weitere Bearbeitung entsteht umgekehrt kritische Distanz, die es mšglich macht, die unmittelbaren EindrŸcke zu reflektieren, um dann mit neuen Erkenntnissen die Bilder weiter zu bearbeiten, also die aktive Auseinandersetzung mit Gegenstand und Medium aufzunehmen. VerhŠltnis von Kamera und Objekt Die Fotokamera bewirkt also eine Distanzierung zwischen Subjekt und fotografiertem Objekt. Andererseits bewirken unsere sozialfotografischen Seminare, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sich dem Gegenstand kritisch nŠhern. Sie mŸssen die Dinge, Menschen und VerhŠltnisse "mit anderen Augen sehen". In einem Seminar berichtete ein Teilnehmer z.B., dass er den Hauptbahnhof, auf dem er als Pendler tŠglich ankommt und abfŠhrt, aus der Distanz des Bildungsurlaubs und mit dem Mittel der Kamera všllig neu erfahren habe. Er habe sich Ÿber das jetzt neu Gesehene gewundert, also mit einem vertrauten Gegenstand neue Erfahrungen gemacht. Die Kamera ist nicht nur ein DokumentationsgerŠt fŸr soziale Wirklichkeit, sondern sie schafft auch eine neue RealitŠt und setzt in Verbindung mit Dunkelkammertechniken [43] KreativitŠt und Phantasie frei, zwingt den Fotografen zur aktiven Auseinandersetzung mit dem Gegenstand. Immer wieder berichten unsere Teilnehmenden, dass sie beim Fotografieren mit den Menschen aus den Stadtteilen und Betrieben ins GesprŠch kommen, dass sie auch Ÿberlegen, welche Bedeutung diese fotografischen und GesprŠchserfahrungen fŸr ihre Produktion und darŸber hinaus fŸr ihren Alltag haben. Die Distanzierung vom Gegenstand ist eine Voraussetzung analytischen Denkens. WŸrde diese Distanz des Fotografen aber zum Dauerzustand, verkŠme sie zum Voyeurismus, das Denken geriete in die NŠhe des Zynismus. Die in unserem Konzept vorgesehene AnnŠherung an das Objekt ist die Voraussetzung der handelnden Intervention. Distanz und NŠhe sind also dialektisch verbunden. Die Wirklichkeit tritt den Menschen, insbesondere den Jugendlichen, hŠufig nur noch vermittelt Ÿber Medien - und hier insbesondere durch Bilder - gegenŸber. Bilder begegnen dem modernen Menschen als Werbung und in Zeitungen. Wenn wir mit unseren sozialfotografischen Seminaren den Teilnehmenden einen anderen, ihnen ungewohnten Umgang mit Bildern nahe bringen, wird die Fiktion von Wirklichkeit, wie sie durch die Konfektionsware von Werbung und Illustrierten vermittelt wird, durchschaubar gemacht. Dies ist einerseits die Voraussetzung fŸr eine wirkliche Auseinandersetzung mit der RealitŠt, andererseits ein medienpŠdagogischer Schritt zur kritischen BeschŠftigung mit der fiktiven Darstellung der Wirklichkeit. Beides zusammen ist die (Wieder-) AnnŠherung an die RealitŠt. [44] UnabhŠngig von den bisher beschriebenen Lernzielen werden durch unser Konzept allgemeinere Fertigkeiten entwickelt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mŸssen Ÿberwiegend selbstŠndig und kreativ arbeiten. Sie mŸssen untereinander und mit den Menschen im Stadtteil und Betrieb Beziehungen eingehen, mŸssen sich mit Natur und Gesellschaft kritisch auseinandersetzen, und sie entwickeln technische SensibilitŠt im Umgang mit GerŠten und Material. Schlie§lich bekommen sie konkret Fertigkeiten und Kenntnisse vermittelt, die sie in ihrem Alltag weiter verwenden kšnnen, als Hobby, in ihrem Beruf oder in einem politischen Zusammenhang. Seminarverlauf 1: SozialfotografieDa unsere Seminarteilnehmer unterschiedliche Interessen haben, wurden von uns zwei Seminartypen entwickelt. Im einen Fall steht das Interesse der Teilnehmenden an der Fotografie als Gegenstand, im anderen Fall an einem bestimmten Thema im Vordergrund. FŸr den ersten Fall konzentrieren wir uns auf die Sozialfotografie. Wir gehen davon aus, dass alle etwas Ÿber Fotografie erfahren wollen, besonders Ÿber technische und gestalterische Probleme, aber gleichzeitig inhaltlich motiviert sind, sich mit einer kritischen Fragestellung auseinander zu setzen. Wir verfolgen damit ein integratives Konzept von kultureller und politischer Bildung und nehmen das Medium ebenso ernst wie die aktive Auseinandersetzung mit sozial-politischen Fragestellungen. Das Seminar zur Sozialfotografie beginnt mit einer historischen EinfŸhrung. Anhand von Bildbeispielen (Dias) werden die AnfŠnge der bŸrgerlichen Sozialfotografie in England (Thomson), den USA (Brady, Riis, Hine u.a.) und Deutschland (Zille) erlŠutert. DemgegenŸber gestellt werden Beispiele der proletarischen Arbeiterfotografie in der Sowjetunion und in Deutschland. Beispiele antiemanzipatorischer Fotografie aus der Zeit des Faschismus und die Wiederentdeckung der dokumentarischen Fotografie durch die sozialen Bewegungen in der Bundesrepublik (Ruetz, Zint, Arbeiterfotografie, taz-Fotografen u.a.). Hierbei muss auch auf die Voraussetzungen fŸr die Entwicklung der Sozialfotografie bzw. ihr Fortbestehen und einige technische und gesellschaftliche Voraussetzungen hingewiesen werden. ZunŠchst mŸssen Sozialfotografen Ÿber lichtstarke Objektive und ãschnelleÒ Kameras verfŸgen (kurze Belichtungszeiten, Filmtransport), um sich auf wechselnde Situationen einstellen zu kšnnen. Die gesellschaftlichen Voraussetzungen sind aber noch wichtiger. Es mŸssen soziale MissstŠnde existieren, die von sozialen und/oder politischen Bewegungen skandalisiert werden. Und schlie§lich sind fehlende …ffentlichkeit, mangelnder Zugang zur Presse und fehlender kritischer (Foto-) Journalismus konstituierende Momente. Im zweiten Arbeitsgang werden Formen und Prinzipien der Bildgestaltung vorgetragen. Es kommt uns darauf an, den Teilnehmenden nicht nur die formalen Begriffe zu vermitteln, sondern wir weisen vor allem auf den Aussagewert und die bewusste Nutzung gestalterischer Mittel fŸr die inhaltliche Bildaussage hin. Dies tun wir vor allem mit Blick auf die Fotoreportage, so dass die fotografisch-bildgestalterischen Mittel bewusst eingesetzt werden kšnnen. Zur konkreten Arbeit mit der Kamera erlŠutern wir die Elemente Blende, Verschluss, Objektiv, Entfernung, Brennweite und Filmempfindlichkeit. FŸr die Reportage bekommen alle Gruppen Ausschnitte vom Stadtplan bestimmter Stadtteile, die jeweils mit einem Motto versehen sind. Z.B. ist der Kartenausschnitt einer Trabantenstadt kommentiert durch das Motto: "Man kann einen Menschen mit einer Wohnung erschlagen wie mit einer Axt." (Zille) Die Teilnehmenden kšnnen sich dann den Stadtteil aussuchen, in dem sie fotografieren wollen. Wir weisen nochmals darauf hin, dass es uns vor allem darauf ankommt, Fotos mit Aussagen Ÿber die sozialen, politischen und škonomischen VerhŠltnisse im Stadtteil zu machen. Dann gehen Gruppen von zwei bis vier Leuten auf Erkundung und Motivsuche. An diese Exkursion schlie§t sich die EinfŸhrung in die Negativentwicklung und das Entwickeln der Filme an. Am folgenden Morgen wird das Vergrš§ern erklŠrt und ausprobiert. Anschlie§end wird einzeln oder in Kleingruppen Inhalt und Form der Produktion beschlossen, die zunŠchst mit KontaktabzŸgen konzipiert wird. Der Produktion messen wir gro§e Bedeutung zu. Wir weisen darauf hin, dass Bilder, in Beziehung zueinander gesetzt, einen neuen Aussagewert bekommen, dass es Methoden fotografischer Verfremdung, die Mšglichkeit der Verbindung von Text und Bild und unterschiedliche Formen der PrŠsentation gibt. Wenn das Konzept der Produktion steht, zeigen wir fotografische Tricks wie Doppelbelichtung, Montage, Tšnen etc. Bis zum Ende des Seminars wird dann einzeln oder in Kleingruppen die Produktion ausgearbeitet, wobei wir mit Beratung, Hilfe, kritischen Fragen und Anregungen zur VerfŸgung stehen. Seminarverlauf 2: Automobil als ThemaDer zweite Seminartypus geht davon aus, dass die Teilnehmenden nicht nur fotografieren, sondern sich mit einem bestimmten Thema auseinandersetzen wollen. Ohne dass die Fotografie zur pŠdagogischen Methode degradiert wird, tritt sie gleichberechtigt neben die Bearbeitung des Themas. Das Medium Fotografie ist einerseits KommunikationstrŠger (vergleichbar mit Sprache, Text, Film u.a.), wird aber gleichzeitig thematisiert. Wir kommunizieren daher nicht nur in Bildern, sondern zugleich Ÿber Bilder, indem wir die spezifische Bildsprache, ihre Zeichen und Grammatik zum Gegenstand der Auseinandersetzung machen. Die Fragestellung ist also: Wie lassen sich Probleme fotografisch visualisieren? Welche BeschrŠnkungen, welche Erweiterungen des Ausdrucks ergeben sich durch das Medium? Kann man, wenn ja wie das spezifische Thema adŠquat abbilden? Gute Erfahrungen haben wir hierfŸr mit dem Thema "Auto" gemacht. Einerseits ist bei vielen, vor allem mŠnnlichen Teilnehmern ein thematisches Interesse vorauszusetzen, andererseits ist das Auto im Alltag stŠndig so prŠsent und hervorragend visualisierbar (siehe Williams: Autogeddon"; Bode u.a.: "Alptraum Auto"). FŸr den thematischen Einstieg haben wir die Methode des Partner-Interviews gewŠhlt, um die Einstellung zum Auto kennen zu lernen: Es ist fŸr uns wichtig zu wissen, ob wir es mit "Autonarren" oder "Fahrrad-…kos" zu tun haben. In der gemeinsamen Auswertung dieser Interviews kšnnen wir bereits feststellen, wo die thematischen Schwerpunkte des Seminars liegen werden. Anschlie§end werden Kleingruppen gebildet, die zunŠchst die Aufgabe bekommen, durch Brainstorming Material fŸr die folgenden Fragen zu sammeln: 1. Welche UmweltschŠden und 2. welche sozialen Folgekosten verursacht der motorisierte Stra§enverkehr? Die Ergebnisse dieser Kleingruppenarbeit werden im Plenum ausgetauscht. Anschlie§end bekommen die Gruppen Texte zu ihrer jeweiligen Fragestellung, die das vorher Erarbeitet vertiefen. Wieder schlie§t sich der Austausch im Plenum an. Nach diesem EinfŸhrungsblock, der einerseits ein Heranarbeiten an unseren inhaltlichen Schwerpunkt, andererseits eine punktuelle thematische Vertiefung leistet, bieten wir am zweiten Tag ein Set von Informationsblšcken zu unterschiedlichen Themenschwerpunkten an: Waldsterben und saurer Regen, Ozonloch, Treibhauseffekt und Sommersmog, alternative Verkehrskonzepte, UnfŠlle, Geschichte des Autoverkehrs in Deutschland, Auto als Wirtschafts- und Arbeitsplatzfaktor. Hieraus kšnnen die Teilnehmenden entsprechend ihrem spezifischen Interesse auswŠhlen. Durchschnittlich drei Themen werden gewŠhlt; die Menge der Themen ist abhŠngig vom Diskussionseifer. Diese Informationsblšcke mit Referaten, Filmen und Demonstrationen sind so angelegt, dass WidersprŸche entwickelt werden kšnnen: škologische Bedenken gegen Arbeitsplatzargumente, Autofaszination gegen Sicherheitsbedenken, individuelle Auto-"Freiheit" gegen RationalitŠt des šffentlichen Personen- und GŸterverkehrs. Die Herausarbeitung dieser WidersprŸche ist fŸr die spŠtere mediale Bearbeitung des Themas wichtig. Vor allem schafft sie aber erst die Voraussetzung fŸr eine kontroverse Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Positionen der Teilnehmenden. Der nŠchste Schritt ist die EinfŸhrung in die Fotografie, wobei wir uns auf die wichtigsten technischen Informationen und bildgestalterischen Prinzipien beschrŠnken. Dieser Teil fŠllt kŸrzer aus als im ersten Seminartyp. AusfŸhrlicher diskutieren wir Ÿber die Fotoreportage. Da wir uns auf ein Thema konzentrieren, mŸssen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gezielt nach Motiven suchen. Wir entwickeln mit ihnen daher vorher einen Katalog von Fragen bzw. Problemen, die fotografisch visualisiert werden kšnnen. Dabei betonen wir aber, dass spontane Ideen, Fotos, SchnappschŸsse, Beobachtungen und GesprŠche auch wichtig sind. Dieser dritte Schritt einer AnnŠherung an das Thema mit Hilfe des Fotoapparates zwingt zu kritischer Distanz, zur aktiven Auseinandersetzung mit dem Thema: Es mŸssen abstrakte Inhalte, wie sie in den ersten Schritten entwickelt wurden, praktisch visualisiert werden. Gleichzeitig setzen sich die Teilnehmenden mit einem Bildmedium auseinander, das sie sonst nur - in Werbung und Zeitschriften - passiv wahrnehmen kšnnen. So setzen sie sich auf einer neuen, konkreten Ebene zugleich mit einem gesellschaftlich relevanten Gegenstand (dem Stra§enverkehr), einem Massenmedium (dem fotografischen Bild) und einem alltŠglichen Gebrauchsgegenstand (dem Auto) auseinander. Letzteres gewinnt zusŠtzliche Bedeutung, wenn - was hŠufig der Fall ist - die Teilnehmenden Auszubildende oder Arbeiterinnen und Arbeiter aus der Autoindustrie sind. Die besondere QualitŠt dieser zweiten Ebene der Auseinandersetzung lŠsst sich aus den Arbeitsergebnissen ablesen. Dinge, die in der theoretischen Auseinandersetzung hŠufig umstritten sind, werden nun visuell - nicht nur als Fragestellung, sondern als Meinung und Aussage - dargestellt. Offensichtlich zwingt die Visualisierung dazu, Position zu beziehen. Die Ergebnisse der Fotoreportage werden am vorletzten und letzten Tag weiter bearbeitet. Der Negativentwicklung folgt die Arbeit im Positivlabor, wobei wir uns auf das einfache Vergrš§ern beschrŠnken und nur ausnahmsweise Verfremdungseffekte vermitteln, und schlie§lich die PrŠsentation. SchlussbemerkungDie Skizzierung dieses Seminarkonzepts sollte deutlich machen, worum es uns geht:
JŸrgen Fiege 2011 ãDie Dauer des AugenblicksÒ Ein foto-pŠdagogisches Handbuch P 6 P
8, 9 Geschlechtsspezifische
Aspekte der FotopŠdagogik Einige Grundprinzipien der MŠdchenarbeitMŠdchenarbeit mšchte an den StŠrken der MŠdchen ansetzen. Die Teilnehmerinnen sollen mit ihren Interessen und WŸnschen aktiv in den Arbeitsprozess mit einbezogen werden. Sinnvoll erscheint mir die freiwillige Teilnahme an Veranstaltungen. Das Zusammensein und die geplanten AktivitŠten sollten den Teilnehmerinnen Spa§ machen. In der MŠdchenarbeit spielt die Beziehungsarbeit eine wichtige Rolle. Dieses gilt sowohl fŸr die Beziehungen der MŠdchen unter einander als auch fŸr die Beziehungen zwischen Teamerinnen und MŠdchen. Eine AtmosphŠre von gegenseitigem Respekt und WertschŠtzung ermšglicht gemeinsames Lernen. Die LebenszusammenhŠnge und unterschiedlichen Talente der MŠdchen sollen in die Arbeit mit einflie§en. Es werden ganzheitliche Methoden angewendet; dazu gehšren auch Ausdrucksformen, die den MŠdchen nicht selbstverstŠndlich zur VerfŸgung stehen. MŠdchenarbeit mšchte MŠdchen und jungen Frauen RŠume bieten, in denen neue Erfahrungen gesammelt, in denen WŸnsche, Ideen und Utopien entwickelt werden kšnnen. Orte und Zeiten, in denen Neues ausprobiert und gewagt werden kann, unterstŸtzen die Persšnlichkeitsentwicklung. Unterschiedliche Altersstufen, Lebenskontexte und EntwicklungsstŠnde gilt es zu berŸcksichtigen. Arbeitsweisen und Inhalte sind entsprechend auszuwŠhlen. Die Grenzen der Einzelnen gilt es verantwortlich zu beachten und zu akzeptieren. MŠdchenarbeit mšchte keine fertigen Antworten auf bestehende Fragen liefern, sondern MŠdchen und junge Frauen auf der Suche nach ihrem persšnlichen Lebensbild begleiten und unterstŸtzen. Fotografie als Medium in der MŠdchenarbeit In diesem Abschnitt mšchte ich Eigenschaften des Mediums der Fotografie in Zusammenhang mit Umsetzungsmšglichkeiten in der MŠdchenarbeit bringen. Es geht darum, Mšglichkeiten des Mediums aufzuzeigen und Anregungen fŸr die Umsetzung in die alltŠgliche Arbeit zu geben. ÓVon allen Ausdrucksmitteln ist die Photographie einzigartig darin, einen Augenblick festzuhalten. .... Ein Schriftsteller hat Zeit nachzudenken, bis sich ein Wort gebildet hat und er es auf das Papier bringen kann; (....). Was fŸr einen Photographen verschwindet, bleibt fŸr immer verschwunden.Ó (Cartier-Bresson: Augenblick, S.16) Die Fotografie ist in der ersten HŠlfte des 19. Jahrhunderts erfunden worden. Seitdem kšnnen Ereignisse im Bild festgehalten werden. Dadurch ist es uns mšglich, auf visuelle Art und Weise in die Vergangenheit zurŸckzuschauen. Unsere ganz persšnlichen Geschichten halten wir in Familien- und Urlaubsfotos fest. Es kann sehr spannend sein, sich in MŠdchengruppen Fotos von frŸher anzuschauen. Wie sahen unsere Urgro§mŸtter, Gro§mŸtter, MŸtter aus? Welche Aufgaben und Ziele hatten sie in ihrem Leben? Weibliche Lebensgeschichten werden sichtbar? Momentaufnahmen sind fŸr die Reportage- bzw. Dokumentarfotografie von besonderer Bedeutung, da es dabei darauf ankommt, Situationen zu beobachten und sie im entscheidenden, interessantesten Moment festzuhalten. Diese Eigenschaft kann in der MŠdchenarbeit besonders fŸr die Dokumentation von Aktionen und Veranstaltungen genutzt werden. Eine Fotografin, die das Metier der Reportagefotografie besonders gut beherrscht hat, ist Dorothea Lange. Es lohnt sich, ihre Aufnahmen nŠher zu betrachten. Sie hat Menschen in sehr wŸrdiger Art und Weise dargestellt. ÓFotografieren hei§t Bedeutung verleihenÓ (Sontag: Fotografie, S. 32), da ein besonderer Augenblick aus dem Weltgeschehen fixiert wird und zu genauerem Betrachten auffordert. Plštzlich werden Dinge sichtbar, die beim flŸchtigen Blick auf vorbeifliegende Bilder nicht auffallen. Dieses kann beim Betrachten fertiger Fotos, aber auch beim Prozess des Fotografierens beobachtet werden. Indem die Fotografin sich einen Bildausschnitt aussucht, ihn unter technischem und kŸnstlerischem Blickwinkel ablichtet und gestaltet, hebt sie ihn aus der Masse sie umgebender Bilder und Ereignisse hervor. MŠdchen kšnnen ihren Sichtweisen, ihren Ideen Bedeutung verleihen, indem sie sie in Bildern festhalten. Vorherrschenden Darstellungen kšnnen eigene entgegengesetzt werden. Eigene †berzeugungen kšnnen entwickelt und in die …ffentlichkeit gebracht werden. Nicht nur Bilder werden somit aktiv gestaltet, sie haben auch Einfluss auf das gesellschaftliche Zusammenleben. ÓFotografie bewahrt unsere Beobachtungskraft und wertet sie auf; sie bewirkt eine psychologische Verwandlung unseres Sehens.Ó (Moholy-Nagy, zitiert nach Sontag: Fotografie, S.118) Von mir selbst kann ich behaupten, dass ich durch die Schwarz-Wei§-Fotografie lerne, LichtverhŠltnisse, Formen und Strukturen bewusster wahrzunehmen. Dieses Ófotografische SehenÓ hat auch zur Folge, dass ich mir Dinge intensiver und genauer anschaue, bevor ich den Auslšser betŠtige; es entstehen bewusst gestaltete Bilder, mit vorbereitetem Bildaufbau und -inhalt. Als die Fotografie Mitte des 19. Jahrhunderts aufkam, pries man sie als Medium, das die RealitŠt naturgetreu abbildet, also die Wahrheit darstellt. Doch recht bald kamen schon Zweifel daran auf, weil es mšglich wurde, die Wirklichkeit durch fotografische Techniken zu verŠndern (Fotomontagen, inszenierte Fotografie, ...) und man zusŠtzlich feststellen musste, dass die Fotografierenden bei Aufnahmeprozessen ihre Wahrnehmung des Gesehenen miteinbeziehen konnten, beispielsweise durch die Auswahl des Ausschnitts oder der Perspektive. Leider kommen Untersuchungen des MŠdchen- und Frauenbildes der Medien weltweit im Kern immer wieder zu dem Ergebnis, dass Frauen in visuellen Medien deutlich unterreprŠsentiert sind und primŠr Ÿber Attribute der heterosexuellen AttraktivitŠt (Schšnheit, Jugendlichkeit, Schlankheit) definiert werden. Ihr sozialer Status und die beruflichen Karrieren spielen keine bedeutende Rolle. Dieses gilt auch fŸr Kinderprogramme. MŠdchenrollen sind wesentlich uninteressanter und bedeutungsloser als die der gleichaltrigen Jungen. MŠdchen werden als weniger autonom, weniger aktiv und in der Regel als irrelevant in Bezug auf die Handlung dargestellt. (Vgl. MŸhlen-Achs: Frauen, S. 107 f.) Als Ausnahme kšnnte die erfolgreiche japanische Zeichentrickserie ÓSailormoonÓ gelten, in der die 14jŠhrige Bunny mit ihren Freundinnen im Namen des Mondes fŸr Liebe und Gerechtigkeit kŠmpft. Leider bleibt das moderne Heldinnentum an ein immer unerreichbareres Schšnheitsideal gekoppelt. (Vgl. taz vom 31.10.99) Durch das Verstehen der Arbeitsweise des Mediums kann ein anderer Umgang mit visuellen Medien erreicht werden; es kann ein anderer Blick auf die uns umgebenden Bilderfluten geworfen werden. MŠdchenarbeit bietet den Raum, nach anderen Frauen- und MŠdchenbildern Ausschau zu halten. Die Fotografin Herlinde Koebl hat z.B. einen Bildband ÓStarke FrauenÓ herausgebracht, in dem sie Portraits von dicken, schšnen, selbstbewussten Frauen prŠsentiert. Fotografie ist ein Kommunikationsmedium. Die FotografInnen begeben sich einerseits in einen Kommunikationsprozess mit den BetrachterInnen, aber auch mit dem Darstellungsgegenstand bzw. mit der dargestellten Person. Die Kommunikation findet Ÿber die Bildersprache statt, wobei es sein kann, dass die/der FotografIn und die/der BetrachterIn unterschiedliche Dinge in ein und demselben Bild sehen. Dieses hŠngt mit unterschiedlichen Lebenserfahrungen, kulturellen und sozialen Umfeldern, aber auch ideologischen Sichtweisen zusammen. PŠdagoginnen mšchten auf ganzheitliche Art und Weise mit MŠdchen arbeiten. Als visuelles Medium ist die Fotografie dafŸr sehr gut geeignet. Die Teilnehmerinnen von Veranstaltungen kšnnen ihre WŸnsche und BedŸrfnisse non-verbal zum Ausdruck bringen. Beim Blick durch die Kamera kann sich auch die Sicht auf die zu Portraitierende verŠndern. Gute Fotos fordern eine gute Kommunikation zwischen Fotografin und Modell. Fotografien kšnnen einen Dialog zwischen Jugendlichen ansto§en. Dieses wurde im Projekt ÓLebenskunst - ein fotografisches Selbstbild der JugendÓ deutlich, das der Fotograf Ryszard Majewski mit einem Team in der Kasseler Jugendszene durchfŸhrte. Mit Hilfe einer selbstgebauten gro§en camera obscura entstanden plakatgro§e Sofort-PortrŠts von Jugendlichen, die innerhalb von zwei Stunden zu einer Ausstellung zusammengestellt wurden. Versehen wurden die Fotografien mit Formulierungen der PortrŠtierten Ÿber ihre Auffassung von ÓLebenskunstÓ, die sie wŠhrend der Entwicklungszeit aufgeschrieben hatten. An vierzehn unterschiedlichen Aufenthaltsorten von Jugendlichen entstanden Einzelausstellungen, die spŠter untereinander ausgetauscht wurden. Den Abschluss bildete die PrŠsentation aller Fotografien (mit Text) in der Ladenstra§e eines gro§en Einkaufszentrums (Vgl. Baer: Lernziel, S. 184). Ein spannendes Projekt, das einen guten Einblick in das LebensgefŸhl unterschiedlicher junger Menschen bietet. Schade, dass zu dem achtkšpfigen Fotografenteam keine einzige Frau zŠhlte. ÓKunst bietet die Mšglichkeit, Antworten zu finden. Das Umgehen mit Farben, Formen und Material schafft viele Ebenen neuen Erlebens und Sich-Selbst-Erfahrens. Es geht dabei nicht um Leistung, um ein bestimmtes Ergebnis, um die Kriterien âschšnÔ oder âperfektÔ (...). Kunst machen ist kein Rezept, die Erfahrung damit kann fŸr jeden Menschen anders sein. Kunst ist aber eine Chance, mit uns selbst und damit mit der Gestaltung unseres Lebens anders umzugehen.Ó (Schmitt: Kunstaktionen, S.15 f.) Der Spa§ am kreativen Tun kann erlebt und entdeckt werden. In der Fotografie geschieht dieses kŸnstlerische AusdrŸcken einerseits in der Wahrnehmung und Entscheidung fŸr bestimmte Bildinhalte, aber auch in der technischen Umsetzung. Das Beobachten und Verstehen der Lichteigenschaften sind die Herausforderung an FotokŸnstlerInnen. Die IntensitŠt, Art, FŠrbung, Herkunft und Einfallsrichtung des Lichtes bestimmen die Stimmung und QualitŠt eines jeden Bildes. Der KreativitŠt sind keine Grenzen gesetzt; sowohl bei der Aufnahme als auch bei der anschlie§enden Arbeit mit Papier und Chemikalien in der Dunkelkammer. Zu viel Freiheit kann Lernen und KreativitŠt blockieren, deshalb sollten klare Aufgabenstellungen und Regeln abgesprochen werden. ÓIm Gegensatz zu anderen Darstellungsformen ist bei der Fotografie nicht erst die HŸrde der Begabung zu Ÿberwinden. Um Fotografie zu erlernen, muss man sich nicht zum KŸnstler berufen fŸhlenÓ (Martens/Bockhorst (Hg.): KulturpŠdagogik, S.52) Diese Erkenntnis macht die Fotografie zu einem geeigneten Medium fŸr Bildungsveranstaltungen, da sie die Zielgruppe nicht auf eine Gruppe mit besonderen Kenntnissen einschrŠnkt. Einen Fotoapparat gibt es in diesem Zeitalter in fast jedem Haushalt, viele davon sind so stark automatisiert, dass sie sehr leicht zu bedienen sind. Auf diese Art und Weise kommt jede schnell zu guten Ergebnissen. Wer sich mehr interessiert, kann sich relativ schnell in fotografische Grundtechniken einarbeiten (lassen) bzw. durch mutiges Experimentieren und mit evtl. Hilfestellungen auch in die Ówissenschaftlichen TiefenÓ vordringen. Die Fotografie ist aber auch ein Medium, das €ngste auslšst; vor allen Dingen weil die Technik nicht immer auf den ersten Blick durchschaubar scheint oder frŸhere Negativerfahrungen in Erinnerung sind. Gerade dann ist das EinfŸhlungsvermšgen der Teamerin gefragt, damit jede Teilnehmerin einen positiven Einstieg in das Medium bekommen kann. Dieses kann z.B. durch systematisches EinfŸhren und ErklŠren verschiedener Arbeitsschritte geschehen. Die Begegnung mit dem Medium der Fotografie kann Einblicke in gestalterische und technische Berufe ermšglichen. Es ist immer noch so, dass die meisten MŠdchen Berufe im sozialen, erzieherischen und kaufmŠnnischen Bereich wŠhlen. FŸr den gewerblich-technischen Bereich interessieren sie sich weiterhin relativ wenig. Dabei bieten sich gerade im Zeitalter der neuen Medien viele zukunftsorientierte, kreative, neue Berufsfelder an. Fotografie kann Anreize fŸr Wege in diese Richtung bieten. Fotografie hat die Macht, Tabus zu brechen, und die Macht, Dinge aufzuzeigen, die auf andere Art und Weise nie thematisiert worden wŠren. Fotografie kann Fragen aufzeigen, Meinungen und Positionen deutlich machen: Somit ist es ein geeignetes Medium, um eigene Ideen und Vorstellungen in die …ffentlichkeit zu bringen. Dieses kann in Ausstellungen, in Zeitungen, auf Plakaten u.v.m. geschehen. Die Fotografin Barbara KrŸger hat dieses in auffallender Weise getan. Sie hat Fotografien mit Texten verbunden, gro§e Plakate gestaltet und diese an HŠuserfassaden veršffentlicht. Das NiedersŠchsische MŠdchenmodellprojekt veranstaltete einen ÓFotowettbewerb fŸr MŠdchen die âgro§ rauskommenÔ wollenÓ zum Thema ÓMŠdchen auf eigenen Wegen - frech, frei und forderndÓ. Das Siegerinnenfoto wurde zu einer Postkarte gestaltet und in 10.000-facher Auflage gedruckt und in ganz Niedersachsen verteilt. Auch das ist eine Mšglichkeit, Meinungen šffentlich kund zu tun. Fotografinnen haben eine Tradition, die zurŸckgeht bis zu den AnfŠngen der Fotografie. Trotzdem ist es so, dass viele Fotografinnen jahrzehntelang von der Kunst- und Fotogeschichte Ÿbersehen wurden. Dabei wird deutlich wie systematisch Frauen in der Vergangenheit aus der Kunstgeschichte und anderen gesellschaftlichen und politischen Bereichen gestrichen wurden und teilweise immer noch werden. In den USA formierten sich in den 80er Jahren die ÓGuerilla GirlsÓ, eine Bewegung von Frauen, die u.a. mit Plakataktionen kritisierten, dass Frauen in den visuellen Medien traditionell die Position des vom mŠnnlichen Blick abhŠngigen Objektes zugewiesen bekommen und nicht die der Kunstproduzentinnen. In der Zusammenarbeit mit MŠdchen ist es mir wichtig, Fotografinnen mit deren Arbeiten und Lebensgeschichten vorzustellen. Dabei kann die Bedeutung von Frauen in der Fotogeschichte aufgezeigt und wertgeschŠtzt werden. Unterschiedliche Sichtweisen und Lebenswege werden vorgestellt. Fotografinnen kšnnen Identifikationsfiguren fŸr die MŠdchen sein. Der Fotografin Claude Cahun diente die Fotografie als Medium, um sich selbst wahrzunehmen, um sich in ihrer VielfŠltigkeit, in ihrer Einzigartigkeit und Andersartigkeit zu erkennen. Sie selbst sagte: ÓIch sehe mich, also bin ich." (Ander/Snauwaert (Hg.): Cahun S. IX) Die Gestaltung von SelbstportrŠts kann sehr faszinierend sein, da die Fotografin sich sehr bewusst mit sich selbst konfrontiert. Die Entwicklung des eigenen Kšrpers spielt in der MŠdchenzeit eine wichtige Rolle. Die Fotografie bietet eine gute Mšglichkeit, den eigenen Kšrper in Szene zu setzen. Der Moment der Aufnahme und der Betrachtung der fertigen Fotografien kann viele GefŸhle und Fragen auslšsen. Deswegen kann ich mich einer Aussage von Felicity Edholm anschlie§en, die in einem Artikel zu weiblichen SelbstportrŠts folgendes schreibt: Ó...self portraiture, by confronting an individual woman with herself and with powerful conventions around the representation of Woman in dominant culture, is in many ways one of the most difficult subjects a woman can tackle.Ó (SelbstportrŠtieren ist in vielerlei Hinsicht eines der schwierigsten Themen, das eine Frau in Angriff nehmen kann. Es konfrontiert die einzelne Frau mit ihrem Selbstbild und mit den kraftvollen Konventionen in der Bedeutung von Frauen in herrschenden Kulturen. (Edholm: Women, S.162) Sie begrŸndet dieses mit der Aussage, dass Frauen sich dabei nicht nur mit ihrem persšnlichen Selbstbild auseinander setzen mŸssen, sondern auch mit ihrer gesellschaftlichen IdentitŠt. Eine Person, die sich selbst portraitiert, zeigt allerdings auch das innere Selbstvertrauen, und die †berzeugung, dass sie Óes Wert ist, abgebildet zu werdenÓ. Die Gestaltung von SelbstportrŠts setzt ein bestimmtes Selbstvertrauen und die Neugier auf sich selbst voraus. Claude Cahun, Cindy Sherman und Brigitte Tast sind drei bekannte Fotografinnen, die sich intensiv und in sehr unterschiedlicher Art und Weise mit Selbstinszenierungen auseinandergesetzt haben. ÓDie visuelle Selbstkonfrontation, die beim Entwicklungsvorgang des ersten Fotos der eigenen Person einsetzt, leitet einen Erfahrungsprozess ein: die Teilnehmerinnen beginnen, die eigene, individuelle Schšnheit zu erkennen und anzuerkennen. Es ist ein sehr komplexer Prozess gegenseitigen Austauschs, der bereits wŠhrend der Aufnahmen beginnt, sich in der Laborarbeit fortsetzt und in GesprŠchen Ÿber viele Gruppensitzungen weitergefŸhrt wird. Je vertrauter der Umgang miteinander wird, desto offener und intensiver werden die Darstellungsmšglichkeiten der eigenen Person, weg von der Pose, bis hin zur Abbildung eigener Vorstellungen, €ngste, TrŠume, WŸnsche, Phantasien, Gedanken oder GefŸhle.Ó (Martens/Bockhorst (Hg.): KulturpŠdagogik S.54) Meine persšnlichen Erfahrungen der Fotografie und die dargestellten Erkenntnisse geben mir die Sicherheit, dass es sich lohnt, in der MŠdchenarbeit, mit diesem Medium zu arbeiten. Ich wŸnsche Ihnen viel Spa§ und Erfolg bei der Umsetzung Ihrer Ideen! ![]()
Sigrun Bšsemann 2001
ãDie Dauer des AugenblicksÒ Ein foto-pŠdagogisches Handbuch P 7 "Mediensplitter": Fototechnik A 16, P 8, P 9 Unter dem Titel "Mediensplitter" bieten wir seit einigen Jahren Fortbildungsveranstaltungen an, in denen Techniken vermittelt werden, die in der Gruppen- oder Seminararbeit verwendet werden kšnnen, wenn man wenig Zeit hat, den Kindern oder Jugendlichen ein Medium oder eine Technik nahe bringen will und am Ende ein befriedigendes Ergebnis dabei herauskommen soll. Die folgenden fotografischen Techniken kšnnen dazu verwendet werden. 1. Fotobatik Diese Technik ist bei Tageslicht durchfŸhrbar. Kšrperteile (z.B. HŠnde, Lippen etc.) oder GegenstŠnde (z.B. Federn, Filzfiguren etc.) werden mit Vaseline bestrichen und fest auf ein StŸck Fotopapier gedrŸckt. Anschlie§end wird das Papier in Entwickler gelegt. Dort, wo das Fett auf dem Papier ist, kann der Entwickler nicht an die Fotoschicht gelangen, das Papier bleibt wei§; nur wo kein Fett auf dem Papier ist, wird das - wegen der Arbeit bei Tageslicht - belichtete Papier entwickelt und schwarz. Anschlie§end wird das Fett mit Seifenwasser abgewaschen, das Papier fixiert und gewŠssert. Anwendung: zur EinfŸhrung in die Laborarbeit, auch mit Kindern gut mšglich. Lerneffekt: Belichtetes Papier wird nur dort schwarz, wo Entwickler hinkommt. Effekt: interessante fotografische Motive. Einfache Tageslichtarbeit, um die Wirkungsweise von Licht, Fotopapier und Entwickler kennen zu lernen. Zubehšr: Fotopapier, Entwickler, Fixierer, Seifenlauge, Vaseline 2 - 3 Schalen, Ausguss/Waschbecken/WasserschŸssel 2. Chemogramm Der zur Fotobatik umgekehrte Effekt entsteht beim Chemogramm. Ein Pinsel, WattestŠbchen etc. wird mit Entwickler getrŠnkt, dann wird damit auf Fotopapier gezeichnet. Da der Prozess bei Tageslicht geschieht, wird das ganze Papier belichtet, aber nur wo Entwickler aufgetragen wird, verfŠrbt sich das Papier schwarz. Anschlie§end fixieren und wŠssern. Einfache Tageslichtarbeit, um die Wirkungsweise von Licht, Fotopapier und Entwickler kennen zu lernen. Zubehšr: Fotopapier, Entwickler, Fixierer 2 Schalen, Ausguss/Waschbecken/WasserschŸssel 3. Fotogramm Arbeit in der Dunkelkammer: Auf Fotopapier werden transparente oder nicht transparente GegenstŠnde gelegt. Das Papier wird dann belichtet. Lerneffekt: belichtete Teile des Fotopapiers werden beim Entwickeln schwarz, unbelichtete - wegen der darauf liegenden GegenstŠnde - bleiben beim Entwickeln wei§. Effekt: Die Teile des Papiers, auf denen die GegenstŠnde lagen, bleiben wei§, die Ÿbrigen werden beim Entwickeln schwarz; es entsteht eine grafische Abbildung. Anwendung: Zur EinfŸhrung in die Fotografie und um einfache fotografische Bilder herzustellen. Dunkelkammerarbeit (abdunkelbarer Raum) Zubehšr: Fotopapier, Entwickler, Fixierer 2 Schalen, Ausguss/Waschbecken/WasserschŸssel, 1 Lampe mit wei§em Licht, eine Lampe mit Dunkelkammerbirne (rot oder grŸn) 4. Dias ohne Kamera Beliebige Bildvorlagen aus Illustrierten werden mit Tesafilm (mšglichst 24 mm breit) abgezogen, mit etwas …l transparent gemacht und in DiarŠhmchen gerahmt. Dann werden sie mit einem normalen Diaprojektor an die Wand projiziert. Das kann mit Einzeldias geschehen, man/frau kann aber auch eine Diageschichte daraus machen. Anwendung: Zur EinfŸhrung in die Diaprojektion, zum Herstellen von Diaserien. Einfache Tageslichtarbeit, Projektion bei abgedunkeltem Raum. Zubehšr: Illustrierte, Tesafilm, DiarŠhmchen mit Glas, Diaprojektor, wei§e Wand 5. Effekt-Dias Zwischen die GlŠser eines Dias wird eine farbige FlŸssigkeit (z.B. …l) gebracht, dann wird das Dia gerahmt. Bei der Projektion erwŠrmt sich die FlŸssigkeit und bewegt sich. Es entsteht ein "psychedelisches" Bild. Anwendung: als Zwischendia, als Party-Effekt etc.
JŸrgen Fiege 2011 ãDie Dauer des AugenblicksÒ Ein foto-pŠdagogisches Handbuch P 8 Fotospiele fŸr Kinder P 7, P 9 Fotografieren ohne Kamera - Fotogramm - Fotobatik - Chemogramm - Zeichnen mit Licht Dias ohne Kamera - Farbige Bilder mit Tesafilm abziehen und in Dia-RŠhmchen rahmen - Zwischen GlasdiarŠhmchen farbige FlŸssigkeiten rahmen, die sich bei WŠrmeeinwirkung durch die Projektionslampe verŠndern - Mit Stiften fŸr Overhead-Folien auf Folie oder Glas malen, dann in Dia-RŠhmchen rahmen. Mit der (Polaroid- oder Digital-) Kamera: Kinder fotografieren sich gegenseitig: - Verkleidungsaktionen - Selbststilisierung - in ihrer Wohnumgebung (vorm Haus, in der Wohnung, bei ihrer LieblingsbeschŠftigung, in ihrem Zimmer, mit Geschwistern, Eltern, Freunden) - Thematische Vorgabe: z.B.: Was mir Freude macht, wovor ich Angst habe, Wasser etc. - Fotorelief
: JŸrgen Fiege 2011 ãDie Dauer des AugenblicksÒ Ein foto-pŠdagogisches Handbuch P 9 Fotografie in der Jugendarbeit A 15, P 7, 8 Diese methodischen VorschlŠge wurden ursprŸnglich fŸr die analoge Fotografie entwickelt. Die meisten eignen sich aber auch fŸr digitales Fotografieren. PortrŠts der Gruppenmitglieder - Spielen mit unterschiedlichen Lichtquellen, Beleuchtungsrichtungen - DoppelportrŠt: Januskopf, en face / en profil (mit Blitzlicht) - Kulissenfoto - Verkleiden und Schminken / Body-Painting z.B. nur mit Schwarz und Wei§, dann portrŠtieren - Montage: PortrŠts werden in Geldschein, Fu§ball, aufgeschnittene Kastanie etc. montiert - SelbstportrŠts mit Spiegel - PortrŠts vor unterschiedlichen HintergrŸnden Selbstdarstellungen lassen sich in vielfŠltiger Art und Weise ausfŸhren. Verkleidungskoffer, Stoffe, Schminke, Spiegel, Lichtanlagen sind wichtige Utensilien. In PortrŠts und SelbstportrŠts mŸssen die Personen nicht unbedingt sichtbar sein. Man kann sich auch durch bestimmte GegenstŠnde sichtbar machen oder durch den eigenen Schatten. Dies kann eine Hilfestellung fŸr TeilnehmerInnen sein, die sich nicht auf Anhieb fotografieren lassen wollen. Aufnahmen einzelner Kšrperteile kšnnen sehr wirkungsvoll sein. Gut fand ich die Idee einer Frau, einen Ÿberdimensional gro§en Kšrper darzustellen, der nur aus schšnen Kšrperteilen bestand. Das hei§t, sie hat Menschen nach ihren schšnsten Kšrperteilen befragt, diese fotografiert und sie spŠter zu einem Kšrper zusammengesetzt. HintergrŸnde FŸr PortrŠts wie fŸr inszenierte Situationen lassen sich verschiedene HintergrŸnde wŠhlen. HŠufig wird der einfache schwarze Vorhang verwendet. Er kann aber auch durch hellere VorhŠnge ersetzt werden. Einen guten Effekt geben auch schwarze Plastikplanen; dabei auf Reflexe kŸnstlicher Lichtquellen achten. In jedem Fall muss darauf geachtet werden, dass die Kleidung der Personen sich vom Hintergrund abhebt. Es kann aber auch passend sein, eine Ziegel- oder Betonmauer, eine Naturkulisse u.Š. als Hintergrund zu wŠhlen. In diesem Fall empfiehlt es sich, die Personen in einigem Abstand vom Hintergrund zu stellen, auf die Personen scharf zu stellen und eine gro§e Blende zu wŠhlen, um den Hintergrund etwas unscharf zu bekommen. AccessoiresRequisiten oder Accessoires und KostŸme kšnnen bestimmte Situationen charakterisieren. Insbesondere in Seminare mit MŠdchen, die hŠufig ungern fotografiert werden wollen, hat es sich bewŠhrt, sie zunŠchst aufzufordern, sich zu verkleiden und/oder zu schminken und sie zu bitten, Szenen aus ihrem Alltag zu stellen. Dann kommt sehr schnell eine gelšste Stimmung auf, die es leicht macht, gute, aussagefŠhige, lustige Fotos zu machen. OrteFŸr bestimmte Themen muss man u.U. spezifische Orte aufsuchen: z.B. einen dunklen Tunnel, um bedrohliche Szenen zu fotografieren. DoppelbelichtungenBereits bei der Aufnahme kann eine Doppelbelichtung vorgenommen werden. ZunŠchst wird ein Motiv fotografiert. Danach wird der Film durch ZurŸckdrehen des RŸckspulhebels gestrafft und die Sperre fŸr den RŸckspulhebel gedrŸckt. Nun wird der Verschluss erneut gespannt durch Drehen des Transporthebels (der Film wird dabei nicht weitertransportiert, solange die RŸckspulsperre gedrŸckt bleibt). Nun wird das gleiche Negativ mit einem zweiten Motiv belichtet. Um †berbelichtung zu vermeiden empfiehlt es sich die Blende um eine drittel bis halbe Stufe zu schlie§en. Der ganze Vorgang lŠsst sich nur mit einer Kamera machen, bei der alle Automatikfunktionen ausschaltbar sind. Januskopf und DoppelportrŠtDiese Methode wird angewandt, wenn die Beziehungen zweier Personen gezeigt werden sollen oder wenn zwei Seiten einer Person gezeigt werden sollen. Es werden jeweils zwei Aufnahmen gemacht, wobei zunŠchst eine Person in der linken und dann in der rechten BildhŠlfte steht. Beide Fotos werden spŠter im Positivlabor montiert. Beim Januskopf blickt eine Person nach links zum Bildrand, die andere nach rechts. Durch Montage entstand im Positivlabor der Januskopf. Gruppenfoto - ungewšhnliche Perspektive (z.B. Gruppe liegt im Halbkreis, wird aus der Vogelperspektive aufgenommen) - Montage: Gruppe springt Ÿber etwas (z.B. das JZ) - Menschenalphabet - Phantombilder: PortrŠts der Gruppenmitglieder werden gemischt durch Montage - PortrŠts der Gruppenmitglieder werden z.B. in Werbefoto montiert - mit Blitzlicht werden alle Gruppenmitglieder nacheinander auf einem Negativ fotografiert - Gruppenfoto mit Spiegel Dokumentation der GruppenaktivitŠten GrundsŠtzlich sollten alle AktivitŠten der Gruppe mit mindestens einer Kamera dokumentiert werden. Dabei kann im Wechsel immer jemand anders die Kamera bekommen. Dadurch werden unterschiedliche Sichtweisen und Perspektiven dokumentiert. Mit Fotografien lassen sich Ereignisse wie Ferienfahrten, Feste, besondere Aktionen, Alltagsmomente phantasievoll dokumentieren. Sie lassen sich in Form von BŸchern gestalten oder in Dia-Shows prŠsentieren. Kombiniert mit Text sind sie auch in Zeitungsartikeln, im Internet oder in Dokumentationen oder Programmheften der Einrichtung effektvoll. Auch bei Dokumentationen gilt der Tipp, sich genau zu Ÿberlegen, was man aussagen mšchte und entsprechende Bilder auszuwŠhlen. Gleichzeitig ist zu beachten: Óweniger ist manchmal mehrÓ. Oft reicht ein Bild, um eine Aussage deutlich zu machen. Table-Top-FotografieDie Tabel-Top-Fotografie ist eine Methode, bei der Szenen im kleinen Format auf dem Tisch aufgebaut und fotografiert werden. Sie ist als Einstieg in die Gruppenarbeit geeignet, weil sie von manueller TŠtigkeit (Modellieren u.Š.) ausgeht, auch abstrakte und phantastische Situationen ermšglicht und dann erst zur Fotografie Ÿbergeht. Die Gruppe kann zunŠchst aus unterschiedlichen Materialien und GegenstŠnden (Ton, PappmachŽe, Holz, ModellhŠuser und Figuren, auch Zeitungsbilder etc. eine Szene zu einem Thema oder etwas Phantastisches aufbauen. Dann wird die Szene ausgeleuchtet (Schreibtischlampe als Hauptlicht - siehe T 6 - Taschenlampe, Halogenstrahler als Punktlicht) und fotografiert. Fotospiele Anfertigen von Memorykarten: Paarfotos (z.B. Blatt/Baum), zwei gleiche Fotos/Fotogramme Daumenkino: Bewegungsablauf wird in Fotoreihe festgehalten, dann zu Daumenkino zusammengeheftet Spiegelfotografie: PortrŠt, Gruppenfoto, Verfremdung von Landschaften u.a. Reportagen eigener Ort, z.B. Ortsgeschichte fremder Ort bestimmtes Thema Insbesondere fŸr thematische und sozialfotografische Seminare eignet sich die Reportage als Methode. Dabei ist es wichtig, dass die Teilnehmenden sich vorher Ÿberlegen, welche Bilder sie brauchen, wo und mit welchen Personen sie diese Bilder machen wollen. SymboleDie Jugendlichen fotografieren Dinge (Orte, PlŠtze, Treffpunkte, Stra§en, HŠuser, DenkmŠler etc.) in der eigenen Stadt, die eine symbolische Bedeutung fŸr sie haben; solche Bilder bedŸrfen allerdings oft der textlichen ErgŠnzung. Fotoralley ungewšhnliche Perspektiven bekannter Orte versteckte Figuren an HŠusern markante HaustŸren oder -eingŠnge besondere soziale Orte Postkarten/Poster von PlakatwŠnden, HŠuserwŠnden mit eigenen Motiven/Texten Fotos ohne Kamera - Chemogramm (Entwickler oder Fixierer) - Fotobatik - Zeichnen mit Licht - Lumogramm - Fotogramm - Landschaften (Papierschablonen, Salz, Sand, GrŠser etc.) - Pflanzen, Tierfiguren - Flasche + Schablone (z.B. Buddelschipp) - Mehrfachbelichtungen mit einem Gegenstand, der jeweils etwas verschoben wird. - Verbindung von Bild und Text (Folie): Einladungen, Weihnachtskarten etc.) - Transparente GegenstŠnde (z.B. Stoffe) - Knopffiguren - Mehrfachbelichtungen (z.B. Hand + Stoff) siehe die BlŠtter A 14 "Fotografische Techniken im Fotolabor", P 7 ÓMediensplitterÓ und P 8 "Fotospiele fŸr Kinder". Fotowochenende Ein ganzes Wochenende wird der Fotografie gewidmet: die Gruppe beginnt mit fotografischen Techniken (z.B. Fotobatik, Fotogramm), fŸhrt eine Fotoralley durch, fertigt Einzel- und/oder GruppenportrŠts an, macht Dunkelkammerarbeiten und eršffnet am Ende eine Ausstellung, zu der z.B. Eltern eingeladen werden. Im Zeltlager Auch im Zeltlager sind Fotoaktionen mšglich. Ein Zelt wird mšglichst gut mit schwarzer GŠrtnerfolie abgedeckt und mit einem Stromkabel sowie Tisch und Stuhl ausgestattet: fertig ist das Fotolabor. Wasser kann in Eimern oder Tanks bereitgestellt werden. Wenn abends gearbeitet wird, ist das Labor dunkel genug. Zum Einlegen der Filme in die Entwicklerdose kauft man sich einen Wechselsack fŸr ca. 30,-- Û Dokumentation von AktivitŠten Fotos fŸr die Lagerzeitung Postkarten Lichtspiele in der Nacht Diese Aktion muss im Dunkeln stattfinden. Eine Kamera wird mit Kabelauslšser auf ein Stativ montiert. Einige Teilnehmerinnen sind Modelle und werden mit Taschenlampen und/oder Wunderkerzen ausgerŸstet. Ihre Aufgabe ist es, mit den Lichtquellen vor der Kamera zu spielen (mit oder ohne Absprachen), dadurch entstehen Lichtmuster auf den geplanten Fotos. Der/die FotografIn muss auf die richtige Entfernung (Scharfeinstellung), den Blickwinkel (sind alle Personen und Lichtquellen im Bild?) und eine lange Belichtungszeit (manuelle Einstellung ÓBÓ sinnvoll) achten. Besonders wirkungsvoll sind die Aufnahmen auf Farbdiafilmen. Sie kšnnen spŠter mit GerŠuschen oder Musik zu einer Ton-Dia-Show verarbeitet werden. Schattenspiele Bei Schattenspielen kommen Kšrperhaltungen besonders gut zur Geltung. Hinter einem wei§en gro§en Vorhang (mšglichst glatt aufgehŠngt) stellen sich eine oder mehrere Personen in bestimmten Positionen auf (entweder nach eigener Wahl oder passend zu einer Themenstellung). Der Raum ist mšglichst dunkel, die Personen und das Tuch werden von hinten hell erleuchtet (im Baumarkt kann man billige Bauleuchten erstehen). Die Kamera steht auf einem Stativ vor der Stoffwand. Die Belichtungszeit muss gemessen werden. Glasdiarahmen In leeren Glasdiarahmen lassen sich wunderbare Bilder gestalten. Sie kšnnen bemalt oder beklebt werden, au§erdem lassen sich unterschiedliche Materialen zwischen die Glasplatten klemmen. Kleine Strukturen werden auf der Leinwand sichtbar. Farbspiele kšnnen durchgefŸhrt werden, Naturmaterialien an die Wand geworfen werden. Siehe auch P 8 unter ÓDias ohne KameraÓ. Postkarten TeamerInnen kšnnen Postkarten mit unterschiedlichen Motiven zu bestimmen Themen sammeln. Diese kšnnen Grundlage fŸr Diskussionsrunden sein; z.B. kšnnen Postkarten mit Personenaufnahmen im Raum ausgelegt werden. Die TeilnehmerInnen dŸrfen ein Bild einer fŸr sie schšnen/starken/attraktiven Person auswŠhlen. Eine GesprŠchsrunde zum Thema Schšnheit/StŠrke/AttraktivitŠt kann folgen. Postkarten kšnnen natŸrlich auch selbst gestaltet werden. Es kann eine Sammlung einmaliger handgefertigter Karten entstehen, die eventuell veršffentlicht werden kšnnen. Eine Gruppe kann so …ffentlichkeitsarbeit fŸr die eigene Einrichtung (Druck Ÿber Uni-Cards) machen. Foto-Geschichte/-Roman Fotoromane sind im Jugendalter sehr beliebt. Die gŠngigen MŠdchen- und Jugendzeitschriften bringen regelmЧig lange Foto-Geschichten heraus, die Alltagsszenen von Jugendlichen thematisieren. In Fotogeschichten kommt es auf das Zusammenspiel von Bild und Text an. Bilder mŸssen klar und aussagekrŠftig sein. Personen sollten oft in Gro§aufnahme zu sehen sein, wobei auf eine ausdrucksstarke Mimik und Gestik zu achten ist. Bei den Texten Óliegt die WŸrze meistens in der KŸrzeÓ. Sie kšnnen in Form von Sprechblasen hinzugefŸgt werden, dabei ist eine passende Formatierung wichtig. Das Zusammenstellen von Fotogeschichten kann entweder mit Papier, Kleber und Schere geschehen. Der Computer mit Scanner und Bildbearbeitungsprogramm bietet allerdings perfekte Voraussetzungen fŸr diese Gestaltungsarbeit. Fotogeschichten leben von der Idee und ihrer Umsetzung. Die ÓstoryÓ sollte am Anfang gut durchdacht, der genaue Handlungsstrang in einem Fotodrehbuch festgehalten werden. Trotzdem lassen sich im Laufe der Arbeit neue Gedanken einbauen. Tipps fŸr die Gestaltung von Fotostories sind bei Baer: Lebenskunst, S153 ff. zu finden. Auch Kombinationsmšglichkeiten mit dem Computer werden praxisnah beschrieben. SammelnEine einfache Idee, die zu Ÿberraschenden Ergebnissen fŸhren kann, ist das Sammeln von Bildern zu einem Thema. Im BŸrgerhaus Weserterassen in Bremen wurden z.B. monatelang Bilder unter der †berschrift ÓSchwarz-Wei§Ó gesammelt. Auch Sammlungen zu Themen wie Strukturen, Berufe, Freundschaften, Farben, HŠnde, MŠdchen u.v.m. sind mšglich. Ausstellungen und Fotowettbewerbesind eine Mšglichkeit, sich nach au§en zu prŠsentieren. Sie kšnnen einen Anreiz schaffen, sich intensiv mit einem Thema oder einer besonderen Fototechnik zu beschŠftigen. Sie erfordern allerdings sorgfŠltiges Arbeiten. Gut gestaltete und prŠsentierte Fotografien kšnnen zu vielen positiven RŸckmeldungen fŸhren (gut fŸr das Ego!), vielleicht sogar zum Gewinn eines Wettbewerbs. Die Teilnahme am deutschen Jugendfotopreis, der jŠhrlich stattfindet, ist sehr zu empfehlen (Unterlagen bei KJF Medienwettbewerbe, KŸppelstein 34, 42857 Remscheid). BŸrger-, Jugend- und Kulturzentren bieten oft gute Ausstellungsmšglichkeiten. Auch auf Stadtteilfesten o.Š. kann man Arbeiten prŠsentieren. ZusŠtzlich lohnt es sich, mit der Gruppe gemeinsam Fotoausstellungen anzuschauen. Man kann viele Anregungen fŸr Bildinhalte und Ÿber effektvolle PrŠsentationsformen erhalten. GesprŠche Ÿber das Gesehene kšnnen entstehen. Medienmix Faszinierend ist auch die Kombination verschiedener Medien. ÓWie wŠr«s mit einer TanzauffŸhrung in einer Fotoausstellung? Mit einer Fotoserie Ÿber oder in Zusammenarbeit mit einer Theatergruppe? Mit der Gestaltung und VerŠnderung von Fotografien am Computer? Mit der Untermalung von Fotografien durch GerŠusche, Tšne oder Lichteffekte? - Wie bereits erwŠhnt, der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. VorBilderFŸr Fortgeschrittene ist eine Methode hervorragend geeignet, die ich von den FotopŠdagogen des BauhausÕ Ÿbernommen und VorBilderÒ genannt habe. Den Teilnehmenden wird eine Auswahl von Dias unterschiedlicher Fotografen (z.B. August Sander oder Stefan Moses), Themen (z.B. Stillleben) und Stilrichtungen (z.B. Neue Sachlichkeit) gezeigt, die thematisch sortiert sind und kommentiert werden. Anschlie§end wird ihnen eine Sammlung von FotobŸchern zur VerfŸgung gestellt, die nach den gleichen Auswahlprinzipien zusammengestellt wurde. Damit beschŠftigen sich die Teilnehmenden individuell oder in Kleingruppen. Dann wird ihnen die Aufgabe gestellt, sich einen Fotografen oder eine Stilrichtung oder ein Thema auszusuchen, und entsprechende Fotos zu machen. Dadurch werden die Teilnehmenden angeregt, sich mit einem Fotografen, einem Fotostil oder einem Thema sehr intensiv auseinander zu setze, die Ausdruckmšglichkeiten zu testen und die daraus gewonnenen Erkenntnis selbst praktisch umzusetzen. Vgl. Literaturliste LV – VorBilder, Maholy-Nagy: Malerei, Diaserie D 5 AlltagsfotografieDie Teilnehmenden werden gebeten, zu einem Seminar, einem Gruppenabend ihr Fotoalbum mitzubringen oder eine andere Form, in der sie ihre Fotos sammeln und ansehen. In einer mšglichst gemŸtlichen AtmosphŠre stellt dann jede/r Teilnehmende ein oder mehrere Fotos vor, erklŠrt, was es ihr/ihm bedeutet und in welcher Form er/sie sich Bilder allein oder in der Familie, dem Freundeskreis ansieht. Dabei wird deutlich, wie unterschiedlich die sozialen Gebrauchsweisen der Fotografie sind. Ich habe bei solchen Gelegenheit ein HolzkŠstchen mitgebracht, in dem meine Mutter ausgewŠhlte Familienfotos aufbewahrte. Bei besonderen Gelegenheiten holte sie eins nach dem anderen Bilder hervor und erzŠhlte Geschichten und Anekdoten Ÿber die dargestellten Personen. Eine Teilnehmerin brachte ein gro§es Tableau mit, auf dem die Bilder ihres letzten Urlaubs prŠsentiert waren. Dieses Tableau hing in ihrer KŸche und anhand der Bilder wurde Besuchern etwas Ÿber diesen Urlaub erzŠhlt. Hierbei wird auch deutlich, dass Alltagsfotografie anderen als Šsthetischen GesetzmЧigkeiten folgt (vgl. P 3 ãZwischen Hobby und Kunst – Die sozialen Gebrauchsweisen der Fotografie und die MedienerziehungÒ Filme knipsen Die Teilnehmenden sehen sich einen Film an, der sie interessiert, der etwas mit ihnen zu tun hat. Dann werden sie aufgefordert, inszenierte oder dokumentarische Fotos zu machen, die Elemente des Films darstellen oder Assoziationen dazu wiedergeben.
Sigrun Bšsemann, JŸrgen Fiege 2011 ãDie Dauer des AugenblicksÒ Ein foto-pŠdagogisches Handbuch P 10 Medienwerkstatt P 1, P2, P 11 - 14 In vielen unserer Seminare wird mit verschiedenen Medien gleichzeitig gearbeitet. In diesem Fall gibt es ein gemeinsames Thema; je nach Teilnehmendenzahl gibt es aber zwei bis sechs Kleingruppen, die jeweils mit unterschiedlichen Medien arbeiten. Dabei kann es sein, dass das Thema vorher mit den Teilnehmenden abgesprochen wird und sich eine mšglichst gleich gro§e Zahl fŸr je ein Medium entscheiden muss. Es gibt aber auch Seminare, bei denen die Teilnehmenden sich vorher zwar fŸr ein Medium entscheiden und anmelden, ihnen das Thema aber vorher nicht bekannt ist. Dies war bei offen ausgeschriebenen Seminaren oft der Fall. Das Thema wird den Teilnehmenden am Seminarbeginn durch eine Revue (siehe Blatt P 11 "Revue als thematischer Einstieg") nahe gebracht. In bestimmten FŠllen, in denen das Thema vor dem Seminar mit den Teilnehmenden – dann z.B. Schulklassen, Jugendzentrums-Besucher oder Auszubildende – machen wir zur Einstimmung ebenfalls am Seminarbeginn eine mediale EinfŸhrung oder eine Revue. Das Spannende daran ist, dass je nach Medium das Thema unterschiedlich interpretiert und prŠsentiert wird. So entstand z.B. bei einem Seminar zum Thema "Randgruppen" ein TheaterstŸck, in dem Schicksale von Randgruppenmitgliedern dargestellt wurden, eine Videogruppe machte eine Reportage, aus der ein Dokumentarfilm entstand. Die thematische EinfŸhrung bestand im Vorlesen des MŠrchens von den ãBremer StadtmusikantenÒ. In einem anderen Seminar zum Thema "Gewalt" entstanden ein Videofilm mit Spielhandlung, eine Radioreportage und eine Fotoausstellung, in der mit den Stilmitteln der gestellten Szene und der Montage gearbeitet wurde. Die PrŠsentation der Ergebnisse bot reichlich Diskussionsstoff, weil die unterschiedlichen Darstellungsformen und Interpretationen des Themas Widerspruch provozierten. Und das war gewollt.
JŸrgen Fiege 2011 ãDie Dauer des AugenblicksÒ Ein foto-pŠdagogisches Handbuch P 11 Revue als thematischer Einstieg P 10 Um eine thematische Orientierung der Teilnehmer bei Seminaren, deren Thema den Teilnehmern vorher nicht bekannt ist, oder als thematischen Einstieg bei bekanntem Thema zu erreichen, haben wir mit gutem Erfolg die Form der Revue praktiziert. Das Team bereitet eine Revue aus Texten, Dias, Musik, Spielszenen, Tondiaschau, Tonkollage u.Š. vor, die den Teilnehmenden nach der BegrŸ§ung kommentarlos prŠsentiert wird. Erst im Anschluss daran findet eine inhaltliche Diskussion statt, fŸr die die Revue der AufhŠnger ist. Diese Diskussion kann mit der ganzen Gruppe oder in Kleingruppen stattfinden. Wir haben uns dabei bemŸht, fŸr Revue und anschlie§ende Diskussion eine mšglichst lockere und kommunikative AtmosphŠre zu schaffen, z.B. bei Kaffee und Kuchen. Wichtig ist, dass das oder die Medien, die im Seminar benutzt werden sollen, mšglichst nicht in der Revue vorkommen, um platte Nachahmungen zu vermeiden. Manchmal lŠsst sich das aber nicht ganz ausschlie§en. Bei einem Fotoseminar bevorzugen wir Texte, Musik und Spiel- oder Videoszenen. Gelegentlich werden Elemente der Revue spŠter in die Produktion Ÿbernommen. So haben wir z.B. zum Thema "Angst" eine Tonbildschau (siehe Blatt P 10 "Angst als Thema politischer Bildung"). FŸr das Thema "Kindheit und Jugend" benutzen wir eine Revue aus literarischen Texten, Bildern, Kinderliedern und Musik. Zum Thema "Randgruppen" lesen wir das MŠrchen von den ãBremer StadtmusikantenÒ und evtl. die Interpretation von Iring Fetscher vor. Dazu werden Dias gezeigt.
JŸrgen Fiege 2011 ãDie Dauer des AugenblicksÒ Ein foto-pŠdagogisches Handbuch P 12 "Angst" als Thema politisch-kultureller Bildung P 1/2, P 10, P 11 Das Thema "Angst" tauchte in mehreren unserer Seminare auf. Wir haben wegen der besonderen Bedeutung und dem teils unreflektierten Umgang damit hierfŸr einen besonderen Einstieg gewŠhlt. Bevor die Gruppe den Einstieg ins Medium bekommt, wird ihr eine Tondiaschau prŠsentiert, die vom Team vorbereitet ist. Sie enthŠlt unterschiedliche Bilder aus der bildenden Kunst und der realistischen Fotografie (von Breughel bis zu journalistischen Fotoreportagen) sowie entsprechende Musik von Schubert bis Nina Hagen. Diese Tondiaschau wird unkommentiert vorgefŸhrt. Anschlie§end ergibt sich entweder spontan in der ganzen Gruppe oder spŠter in den Kleingruppen eine Diskussion. Erst dann wird die mediale EinfŸhrung geleistet. Teilweise wird in den spŠteren Diskussionen (siehe z.B. Blatt P 14 "Gewalt" oder Blatt P 13 "MigrantInnen") auf die Tondiaschau zurŸckgegriffen oder es werden einzelnen Bilder in die Ausstellung integriert.
JŸrgen Fiege 2011 ãDie Dauer des AugenblicksÒ Ein foto-pŠdagogisches Handbuch P 13 P 1, 2, P 10 - 12, P 14, 15 Ein Beispiel, wie politische Bildung (im weitesten Sinne verstanden) und kulturelle Bildung (hier Fotografie) in einem Seminar verbunden werden kšnnen, soll hier beschrieben werden. Der Themenwunsch der Teilnehmenden war "MigrantInnen". Formal wurde das Seminar in folgenden Arbeitsschritten organisiert: 1. EinfŸhrung in die Kameratechnik (Blende, Verschluss, Entfernung, Filmempfindlichkeit) Zu alternativen Einstiegsphasen vergleiche die BlŠtter P 10 "Medienwerkstatt", P 11 "Revue", und P 12 "Angst". 2. Fotoexkursion (Thema: Details und Strukturen), Negativentwicklung 3. EinfŸhrung in die Positiventwicklung Diese drei Schritte sind sinnvoll, damit die Teilnehmenden eine Vorstellung bekommen, was mit dem Medium Ÿberhaupt mšglich ist sowie, um erste praktische Erfahrungen damit zu sammeln. 4. Theoretische Reflexion: Die Gruppe bestand - zufŠllig - aus Teilnehmenden, von denen mindestens ein Elternteil aus dem Ausland kam bzw. die selbst im Ausland geboren waren: von Kasachstan, Tadschikistan, Ÿber Polen, TŸrkei und Libanon bis Spanien. Nach einem reflektierten Erfahrungsaustausch Ÿber ihre - teils widersprŸchlichen - Erfahrungen in Deutschland, entstand die Idee, dass von jeder Teilnehmenden ein PortrŠt gemacht werden sollte, auf dem sie mit einem oder mehreren Accessoires zu sehen sind, die auf ihr Herkunftsland hinweisen. Au§erdem wurden PortrŠts gemacht, auf denen sie sich so gaben, wie sie sich sehen, also weitgehend an deutsche VerhŠltnisse angepasst. 6. Arbeiten im Positivlabor incl. Vermittlung fotografischer Tricks sowie zwischenzeitlich Bildbesprechungen. Die EinzelportrŠts wurden ergŠnzt durch zwei Bilder von Landkarten, auf denen die jeweiligen Herkunftsorte markiert waren. In dieser Phase sind intensive inhaltliche GesprŠche anhand der Bilder sowie bei der anschlie§enden Konzipierung der Ausstellung notwendig. 7. Vorbereitung und PrŠsentation der Ausstellung mit anschlie§ender Diskussion mit den GŠsten. (Zum Stellenwert der Ausstellung bzw. PrŠsentation siehe Blatt P 15/16 "PrŠsentation".) Die Ausstellung wurde besonders inszeniert: Es wurde ein Oval aus dunkelgrŸnen StellwŠnden (hochgestellte Tische) gebildet, an denen die Bilder hingen. Das Oval war an einer dem Eingang gegenŸberliegenden Seite offen. Vom Eingang bis zum Oval standen Podeste, auf denen die MacherInnen wie Statuen standen. Im dunklen Raum war nur das Innere des Ovals durch Scheinwerfer erleuchtet. WŠhrend der Ausstellungseršffnung lief Musik, die sich auf das Thema bezog. Die Abschlussdiskussion mit den GŠsten fand im Sitzen auf dem Boden innerhalb des Ovals statt. Nicht zuletzt diese Inszenierung hatte eine deutliche Wirkung auf die GŠste und die Diskussion mit ihnen. : JŸrgen Fiege 2011 ãDie Dauer des AugenblicksÒ Ein foto-pŠdagogisches Handbuch P 14 P 1/2, P 10 - 13, P 15 Ein Beispiel, wie politische Bildung (im weitesten Sinne verstanden) und kulturelle Bildung (hier Fotografie) in einem Seminar verbunden werden kšnnen, soll hier beschrieben werden. Der Themenwunsch der Teilnehmenden war "Gewalt". Formal wurde das Seminar in folgenden Arbeitsschritten organisiert: 1. EinfŸhrung in die Kameratechnik (Blende, Verschluss, Entfernung, Filmempfindlichkeit) Zu alternativen Einstiegsphasen vergleiche die BlŠtter P 10 "Medienwerkstatt", P 11 "Revue", P 12 "Angst", P 13 ãAuslŠnderInnenÒ 2. Fotoexkursion (Thema: Details und Strukturen), Negativentwicklung 3. EinfŸhrung in die Positiventwicklung Diese drei Schritte sind sinnvoll, damit die Teilnehmenden eine Vorstellung bekommen, was mit dem Medium Ÿberhaupt mšglich ist sowie, um erste praktische Erfahrungen damit zu sammeln 4. Theoretische Reflexion: hier wurden Orte, Gelegenheiten und Formen von Gewalt (kšrperlich, psychisch, strukturell) und persšnliche Gewalterfahrungen diskutiert. Anschlie§end wurden Ideen gesammelt, wie dies fotografisch darstellbar ist. 5. †bersetzung der Ideen in Bilder bzw. gestellte Szenen. Entweder wurden Orte, an denen Gewalt beobachtbar ist, oder es wurden die gestellten Szenen fotografiert. Die Mšglichkeit von Fotomontagen wurde mitgeplant. Fotografische Stilmittel waren realistische Bilder, Gruppen- oder Einzel-PortrŠts vor neutral-schwarzem Hintergrund und Fotomontagen. 6. Arbeiten im Positivlabor incl. Vermittlung fotografischer Tricks sowie zwischenzeitlich Bildbesprechungen. In dieser Phase sind intensive inhaltliche GesprŠche anhand der Bilder sowie bei der anschlie§enden Konzipierung der Ausstellung notwendig. 7. Vorbereitung und PrŠsentation der Ausstellung mit anschlie§ender Diskussion mit den GŠsten. (Zum Stellenwert der Ausstellung bzw. PrŠsentation siehe Blatt P 15/16 "PrŠsentation".) Bei diesem Beispiel wurde vermehrt mit Fotomontagen gearbeitet, um auch abstrakte ZusammenhŠnge deutlich zu machen. Heikel war z.B. die Darstellung von sexueller Gewalt: WŠhrend der Teamer eher zurŸckhaltend reagierte, entwickelten die Teilnehmenden eine Szene, die die Gewalt dezent aber deutlich vorfŸhrte. Auch AlptrŠume von Gewalt wurden mit Hilfe der Fotomontage darstellbar. In einer Variante zu diesem Modell wurden reale Orte in der Stadt, aus der die Teilnehmenden kamen, fotografiert, an denen vermutete oder wirkliche Gewalt stattfand, ergŠnzt um gestellte Szenen. Die Ausstellung wurde besonders inszeniert: Es wurde ein Oval aus dunkelgrŸnen StellwŠnden (hochgestellte Tische) gebildet, an denen die Bilder hingen. Das Oval war an einer dem Eingang gegenŸberliegenden Seite offen. Vom Eingang bis zum Oval standen Podeste, auf denen die MacherInnen wie Statuen in martialischen KostŸmierungen und mit entsprechenden Requisiten (Uniformen, schwarzes Leder, Baseball-SchlŠger) standen. Im dunklen Raum war nur das Innere des Ovals durch Scheinwerfer erleuchtet. WŠhrend der Ausstellungseršffnung lief Musik, die sich auf das Thema bezog. Die Abschlussdiskussion mit den GŠsten fand im Sitzen auf dem Boden innerhalb des Ovals statt. Nicht zuletzt diese Inszenierung hatte eine deutliche Wirkung auf die GŠste und die Diskussion mit ihnen. : JŸrgen Fiege 2011 ãDie Dauer des AugenblicksÒ Ein foto-pŠdagogisches Handbuch P 15 PrŠsentation / Ausstellung T 6, P 11 - 14 Der PrŠsentation bzw. Ausstellung der Produkte unserer Seminare, im Falle der Fotoseminare der Bilder messen wir gro§e Bedeutung zu. Wir nehmen das Motto "Kulturarbeit drŠngt an die …ffentlichkeit" ernst. Einerseits sind die Teilnehmenden so gezwungen, ein Produkt fertig zu stellen, d.h. sie machen auch die Erfahrung, dass sie ernst genommen werden und dass sie etwas zu sagen bzw. zu zeigen haben, was auch fŸr andere wichtig ist. Hierin unterscheidet sich unsere Fotoarbeit - wie auch die Arbeit mit anderen Medien - von Konzeptionen, in denen die Medien pŠdagogische Methode sind. FŸr uns ist die Auseinandersetzung mit dem Medium und seinen GesetzmЧigkeiten genauso wichtig wie die mit dem Thema. Nur so verbindet sich kulturelle Bildung als Medienerziehung mit politischer Bildung. Publikum der PrŠsentation sind die Teilnehmenden der anderen Gruppen des Seminars, wenn es sich einrichten lŠsst, auch der anderen Gastgruppen in der BildungsstŠtte. Wir streben es auch an, nach dem Seminar unsere Produkte einer grš§eren …ffentlichkeit zu prŠsentieren. Radio- und Videoproduktionen werden im BŸrgerfunk gesendet. Unsere Fotoausstellungen werden von den Gruppen an ihren Wohnorten in der Schule, dem Betrieb, in Jugend- und Kulturzentren gezeigt. Dabei unterstŸtzen wir die Gruppen. RegelmЧig werden die Ausstellungen auch in den RŠumen der BildungsstŠtte nach dem Seminar prŠsentiert.
Mšgliche PrŠsentationsformen fŸr fotografische Produktionen: siehe RŸckseite JŸrgen Fiege 2011 ÒDie Dauer des AugenblicksÓ Ein foto-pŠdagogisches Handbuch P 16 BildprŠsentation T 6, S. 34 ff. Bildrand und Bildrahmen á trennen das Bild von der Wirklichkeit á haben Symbolwert Bildrand á rahmt das Motiv ein á schlie§t es nach au§en ab: Torbogen (T 6, S. 34), Landschaft (T 6, S. 36) oder lŠsst das Motiv nach au§en verlaufen: Landschaft (T 6, S. 37) BildprŠsentation Ausstellung: Hochformat bevorzugt Querformat: gro§er Rahmen VerhŠltnis Bild / Rahmengrš§e: nŠchst grš§eres Format, z.B. Bild 20 x 30 cm / Rahmen 30 x 40 cm oder: sehr kleines Bild - sehr gro§er Rahmen Enge: zu kleiner Rahmen Passepartout: Farbe, Material, Innenausschnitt Abstand Foto - Betrachter: doppelte Bilddiagonale Positionierung des Bildes im Rahmen JŸrgen Fiege 2011 ãDie Dauer des AugenblicksÒ Ein foto-pŠdagogisches Handbuch P 17 Overhead-Folien Vorbereitete FolienStrichzeichnungen und (kontrastreiche) Fotos lassen sich mit einer hitzeresistenten Overhead-Folie auf jedem Kopierer herstellen. Die Vorlage wird auf wei§em Papier montiert, ggf. handschriftlich oder mit dem PC oder der Schreibmaschine durch Text ergŠnzt. Wichtig ist, da§ hitzeresistente Spezialfolien verwendet werden, weil sonst der Kopierer ruiniert wird. Folien lassen sich mit einem dazu geeigneten Folienschreiber durch Grafiken oder handschriftliche Texte beschriften. Folienschreiber gibt es mit wasserlšslicher Farbe, die leicht mit Wasser fŸr Korrekturen oder vor der Wiederverwendung der Folie fŸr einen anderen Zweck abgewischt werden kann. Soll die Folie šfter verwendet werden, empfiehlt sich der Gebrauch eines permanten Folienschreibers. NatŸrlich wird heute der Overhead-Projektor Ÿberwiegend durch Rechner und Beamer abgelšst. Der Vorteil des Overhead-Projektors besteht darin, dass man/frau nur ein GerŠt braucht statt zweier. Folien fŸr den spontanen GebrauchDie Folien lassen sich mit einem Folienschreiber fŸr Schaubilder, Stichwortsammlungen auch wŠhrend der Arbeit spontan beschriften. Entweder man benutzt einen wasserlšslichen Folienschreiber, dann kann die Folie nach Gebrauch leicht abgewaschen und wiederverwendet werden. Soll das Schaubild z.B. danach šfter verwendet werden, benutzt man am besten einen permanenten Folienschreiber (einige Zeichnungen in diesem Handbuch sind so spontan entstanden). So entstandene Folien kšnnen leicht kopiert und an die Teilnehmenden als Material verteilt werden. Mit dem white-board ist das inzwischen genau so einfach, aber vor allem die au§erschulische Jugend- und Bildungsarbeit verfŸgt bisher nicht Ÿber dieses Mittel.
JŸrgen Fiege 2011 ÒWir machen unser Fernsehen selbst!Ó Ein video - pŠdagogisches Handbuch P 18 ãVorBilderÒ A 20, D 5
JŸrgen Fiege 2011 ãDie Dauer des AugenblicksÒ Ein foto-pŠdagogisches Handbuch LV Bibliografie: VorBilder P 9 D 5
ãDie Dauer des AugenblicksÒ Ein foto-pŠdagogisches Handbuch P 19 Fotoprojekt im Hort/Kindergarten P 7, P 8, P 9 Um Kinder im Hortalter an die Fotografie heranzufŸhren, empfiehlt es sich, mit einfachen Arbeiten anzufangen und je nach Interesse und Spa§ weitere kompliziertere TŠtigkeiten anzuschlie§en. Hierzu haben sich die folgenden Schritte bewŠhrt. Das Projekt dauert vier bis fŸnf Tage, an denen jeweils zwei bis drei Stunden am Vor- oder Nachmittag benštigt werden. Die zeitliche Dauer an den einzelnen Tagen richtet sich nach Interesse, Spa§ und Ausdauer der Gruppe. Die AktivitŠten des ersten und dritten Tages lassen sich auch mit Vorschulkindern durchfŸhren.
1. Tag: Fotospiele Die Kinder machen gemeinsam Fotobatiken zunŠchst von ihren HŠnden. Wenn sie daran Freude haben, kann das Verfahren nach einer Pause (z.B. FrŸhstŸck) mit Fotobatiken von den FŸ§en, Gesichtern oder anderen Kšrperteilen fortgesetzt werden. Wenn dann immer noch Interesse besteht, kann das Chemogramm sich anschlie§en, ggf. Fotogramme. Die Kinder sollten aber nicht dazu gedrŠngt werden, mšglichst viele Techniken auszuprobieren, sondern sie sollen einen Zugang bekommen und Lust bekommen, weiter zu machen. Die ganze Aktion kann ggf. auch auf zwei Tage ausgedehnt werden. (Zu den Techniken siehe P 7 ãMediensplitter: FototechnikÒ) Materialbedarf: Fotopapier, 2 Schalen (Entwickeln, Fixieren), Waschbecken o.Š. zum WŠssern, Leine und WŠscheklammern zum Trocknen. FŸr Fotogramme: Dunkelkammerbirne, Schreibtischlampe. 2. Tag: Lochkamera Zur Vorbereitung dieses Tages ist es gut, wenn vorher Fotografiken angefertigt werden. Der/die AnleiterIn muss mindestens fŸr jeweils zwei Kinder, wenn mšglich fŸr jedes Kind eine Lochkamera herstellen (siehe A 1 ãEntwicklung der KameratechnikÒ). Hierzu eignen sich Keksdosen, in deren Boden in der Mitte ein 6-mm-Loch gebohrt wird. Dies wird innen mit Alufolie beklebt und mit einer Nadel (ãBlendeÒ) durchstochen. Au§en wird ein schwarzes Klebeband als ãVerschlussÒ angebracht. Innen in den Deckel wird Fotopapier befestigt, der Deckel geschlossen und zur Sicherheit mit Klebeband verklebt. Dann wird den Kindern an einem Model (wie oben nur statt des Deckels Butterbrotpapier oder matte Folie) im abgedunkelten Raum mit einer Kerze die Funktionsweise der Lochkamera erklŠrt. Beim ErklŠren sollte den Kindern auch gesagt werden, dass Pannen passieren kšnnen, also nicht alle Aufnahmen etwas werden. Dadurch kann der EnttŠuschung beim immerhin mšglichen Misslingen etwas vorgebaut werden. Nun geht die Gruppe ins Freie und fotografiert. Die Kinder suchen sich ihre Motive selbst, die Kameras werden mšglichst verwacklungsfrei fixiert. Die Belichtungsdauer liegt bei hellem Licht bei ca. 15 sec. Der/die AnleiterIn sollte vorher Probeaufnahmen machen, um die Belichtungszeit zu testen, denn sie hŠngt au§er vom Licht auch vom jeweiligen Motiv ab. Schlie§lich geht die Gruppe in einen abgedunkelten Raum und entwickelt gemeinsam die Bilder. Die so entstandenen Papier-Negative kšnnen im Kontaktverfahren als Positive kopiert werden. Die Belichtungszeit hŠngt von der Lichtquelle und der Entfernung zum Arbeitsplatz ab. Daher unbedingt vorher Tests machen, um den Arbeitsprozess mit den Kindern zu verkŸrzen und Frustrationen bei Fehlbelichtungen zu vermeiden. Materialbedarf: Lochkameras aus Keksdosen, Klebeband, Alufolie, Fotopapier, 2 Schalen (Entwickeln, Fixieren), Waschbecken o.Š. zum WŠssern, Leine und WŠscheklammern zum Trocknen. 3. Tag: Fotografieren ZunŠchst wird den Kindern an Hand einer Kamera (mšglichst eine alte Kamera mit Balgenauszug, weil da alles besser zu zeigen ist und um die Aufmerksamkeit zu erhšhen), die Funktion von Blende, Zeit und Entfernung erklŠrt. Dann basteln sie aus Klorollen und DiarŠhmchen Motivsucher (siehe A 7 ãBrennweiteÒ), mit denen sie sich im Freien Motive suchen. Dabei ist es wichtig, dass sie erkennen, wie der Motivsucher (Kamera) das Motiv von der Ÿbrigen Umgebung isoliert. Wenn sie ihr Motiv gefunden haben, wird dieses mit UnterstŸtzung der BetreuerInnen fotografiert. Wenn mehrere BetreuerInnen zur VerfŸgung stehen, ist es gut, wenn auch jede eine Kamera hat, um lange Wartezeiten zu vermeiden, nachdem die Kinder ihr Motiv gefunden haben. Beim Fotografieren sollten die Kinder mšglichst selber mindestens die Entfernung, besser noch auch Blende und Zeit einstellen, die Betreuer sollten das nur kontrollieren. Zum Schluss wird eine Aufnahme von der ganzen Gruppe gemacht (mit Selbstauslšser und Stativ, damit alle drauf sind). Fotografiert wird mit Farbfilm, der dann von einigen Kindern zum Entwickeln gebracht und am nŠchsten Tag von einer anderen Gruppe wieder abgeholt wird. Materialbedarf: Mindestens eine Kamera, Klorollen und DiarŠhmchen fŸr jedes Kind, Tesafilm, Farb-Negativfilm, ãDemoÒ-Kamera 4. Tag: Gro§er Foto-Termin Der Rahmen fŸr den Gro§en Foto-Termin muss von den BetreuerInnen vorgegeben werden und richtet sich nach den Mšglichkeiten der KindertagesstŠtte. Wenn z.B. ein Disco-Raum zur VerfŸgung steht, kann man den ãSuperstarÒ suchen, oder man inszeniert eine Modenschau mit Verkleidungsmaterial, oder man schafft die AtmosphŠre eines Theaters usw. Die Kinder bilden nun Zweiergruppen, von denen jeweils ein Kind fotografiert und ein anderes macht die Action. wichtig ist, dass hinterher die Rollen getauscht werden, so dass jedes Kind einmal fotografiert und einmal fotografiert wird. Fotografiert wird mit einer Kamera auf Farb-Negativfilm. Wird z.B. der ãSuperstarÒ gesucht, dann werden Disco-Utensilien (Schwarzlicht, farbige Drehscheibe, Deckenspiegelkugel o.Š.) sowie ggf. Requisiten und KostŸme und ein Mikro (kann auch ein defektes sein) benštigt. Die Kinder inszenieren sich dann selbst und werden von ihren PartnerInnen fotografiert. Der Film wird wieder von einer Kleingruppe zum Entwickeln gebracht, von einer anderen wieder abgeholt. Materialbedarf: Eine Kamera, Requisiten, KostŸme 5. Tag: Ausstellung Ganz wichtig ist, dass die Kinder ihre Arbeiten veršffentlichen. Alle Kunst drŠngt nach …ffentlichkeit. Wenn den Kindern vorher gesagt wird, dass sie eine Ausstellung machen sollen, fŸhlen sie sich ernst genommen und es entsteht eine grš§ere Verbindlichkeit. FŸr die PrŠsentation werden die Fotos auf Tonpapier geklebt und im Hort/Kindergarten fŸr die anderen Kinder und die Eltern ausgestellt werden (siehe auch P 15 ãPrŠsentation/AusstellungÒ und P 16 ãBildprŠsentationÒ). Die Ausstellung kann auch in der Schule, im Kulturzentrum, in den GemeinderŠumen oder an anderen šffentlichen Orten gezeigt werden. Zur Eršffnung kšnnen ãOffizielleÒ und die Presse eingeladen werden. Dazu gibt es Sekt und Orangensaft und eine kleine Rede. Die Kinder kšnnen sich vor der ganzen Aktion auch Mappen basteln, in denen sie ihre Arbeitsergebnisse und die erklŠrenden Texte sammeln kšnnen.
Paul Happle 2003 FŸr die Sammelmappe: Wie funktioniert Fotografie? Ein einfaches Experiment zeigt das Prinzip: Ihr nehmt eine leere Konservendose ohne Deckel und macht mit einem dŸnnen Nagel ein Loch in die Mitte des Bodens. †ber die gro§e …ffnung (wo vorher der Deckel war) legt ihr straff ein Butterbrotpapier und befestigt es mit einem Gummi oder Klebeband. In einem abgedunkelten Raum zŸndet ihr eine Kerze an (Vorsicht mit Feuer!) und geht mit eurer Dose mit dem vorderen Loch immer nŠher an die Kerzenflamme heran. Im richtigen Abstand sehr ihr dann die Kerze scharf. – Was fŠllt euch auf? – sie steht auf dem Kopf. Jetzt denkt euch das Nagelloch als Kameralinse und das Butterbrotpapier als Film und ihr habt eine richtige Kamera. Was so einfach erscheint, hat lange gedauert und viele VŠter: Das Prinzip der Lochkamera ist schon seit neunhundert Jahren (1100 n. Chr.) in Arabien und seit Ÿber fŸnfhundert Jahren (ungefŠhr 1400 n. Chr.) in Europa bekannt. Mit einer Linse statt des Lochs (helleres Bild!) benutzten es die Maler als Hilfe zum Skizzieren ihrer Bilder. Manche Lochkameras waren fahrbar und so gro§ wie ein Bauwagen. Vor dreihundert Jahren (um 1700 n. Chr.) entdeckt man die Lichtempfindlichkeit von Silbersalzen, aber das erste haltbare Bild gelang erst 1824 einem Franzosen namens Nipce. Er fotografierte aus dem Fenster einen Teil seines Hauses, wobei er acht Stunden lang belichten musste (HŠuser halten meistens still). Zwanzig Jahre spŠter war das Filmmaterial so empfindlich, dass man Fotos von Menschen machen konnte, wenn sie zwei bis fŸnf Minuten still halten konnten. 1840 (vor 160 Jahren) musste der Fotograf noch Glasplatten nass mit einer lichtempfindlichen Schicht im Dunkeln bestreichen, diese nass in die Kamera einlegen, nur ein Bild machen und gleich darauf im Dunkeln entwickeln und fixieren (fŸr lange Zeit lichtunempfindlich machen), so gab es vor 110 Jahren (1890) schon den heutigen (natŸrlich noch schwarz-wei§en) Film. FŸr diesen Film hat Oskar Barnack 1916 die erste Kleinbildkamera, die spŠtere Leica, entwickelt, das Urmodell aller heutigen Kameras. Was passiert in der Kamera? Antwort: Das von einem Gegenstand (Objekt) (Haus, Mensch, Landschaft usw.) zurŸckgeworfene Licht tritt durch die fŸr ganz kurze Zeit gešffnete Blende (vorderes Loch der Kamera = Objektiv) auf die lichtempfindliche Schicht des Films. Diese hŠlt das Bild fest, und durch Entwickeln und Vergrš§ern wird es dauerhaft sichtbar, als Papierbild, Dia, schwarz-wei§ oder farbig. Fotografieren fŸr KinderFotografieren kann man lernen wie Radfahren, es ist nicht schwer. Man braucht eine Kamera und einen Film und kann dann loslegen. Digitale Kameras brauchen keinen Film, sondern einen Chip. Sie sind teuer und kompliziert. FŸr euch ist am Anfang eine Kamera, die mit einem Film geladen wird, preiswerter und einfacher; au§erdem gibt es fast immer jemanden in der Familie oder Verwandtschaft, der einem so eine Kamera ausleihen oder schenken kann. Es gibt ganz viele verschiedene Kameras; wir meinen eine Kamera, die mit einem Kleinbildfilm (Farbfilm, Diafilm, Schwarz-Wei§-Film) geladen werden kann. Hat die Kamera Ÿber der Linse ein Fenster, durch das man von vorn und hinten durchgucken kann, ist es eine Sucherkamera. Kann man nur von hinten durchgucken, ist es eine Spiegelreflexkamera. Bei dieser kommt immer alles aufs Bild, was man auch gesehen hat. Allerdings sind sie teurer, schwerer und lauter. Vier Sachen mŸssen an der Kamera eingestellt werden (allerdings machen einige Kameras einiges auch automatisch):
Bei Kameras, die eine Automatik (Entfernungs- und Belichtungs-Automatik) haben, braucht ihr euch darum nicht zu kŸmmern. Wir bauen eine LochkameraEine Lochkamera ist einfach zu bauen und kann viel Spa§ machen, ist aber immer eine Ein-Bild-Kamera; d.h. zum Laden und Entladen sowie zum Entwickeln des Fotopapiers braucht ihr mindestens einen dunklen Raum (Dunkelkammer). Meist genŸgt ein Badezimmer, das durch schwarze Folie o.Š. abgedunkelt werden kann. Dazu gehšren eine Dunkelkammerbirne in einer Klemmlampe und ein Brett Ÿber dem Waschbecken mit Platz fŸr zwei Laborschalen (24 x 30 cm) und eine Laborzange. Dann noch Entwickler, Fixierbad und Fotopapier mit normaler Empfindlichkeit (Gradation). Das kostet nicht die Welt, vielleicht kommt ihr auch gebraucht daran oder nutzt das Fotolabor eurer Schule oder eures Jugendclubs. Zum Bau einer Lochkamera eignet sich fast jeder BehŠlter: Schuhkarton, Keksdose etc.; nur lichtdicht muss es sein. Um Spiegelungen (Reflexe) zu vermeiden, wird er innen schwarz gestrichen. Der BehŠlter sollte so gro§ sein, dass Fotopapier 13 x 18 cm, besser 18 x 24 cm darin Platz hat. Zu kleine Bilder machen weniger Spa§. In der Mitte des Deckels wird ein Loch mit 6 – 8 mm Durchmesser gebohrt. Darauf klebt ihr von innen ein StŸck starker Alufolie. Mit einer Stecknadel stecht ihr von au§en ein Loch (ca. 0,55 mm). Von au§en wird vor das Loch ein Streifen schwarzes Textilklebeband, das am Ende 1 cm eingeschlagen wird, damit es wieder gelšst werden kann. In der Dunkelkammer(mit roter oder grŸner Lampe) wird ein passendes Fotopapier mit der (glŠnzenden) Schichtseite nach vorn eingeklebt: Kleberollen aus Tesafilm an allen vier Ecken des Fotopapiers anbringen und an die RŸckseite der Camera kleben. Wenn der Deckel wieder geschlossen ist, kšnnt ihr wei§es Licht anmachen. FŸr die Aufnahme befestigt Ihr die Kamera auf einer Unterlage, richtet sie auf euer Motiv (Bild, das ihr fotografieren wollte) aus, lšst das Klebeband vom Loch: so wird das Papier belichtet. Nach einer gewissen Zeit klebt ihr das Klebeband wieder auf das Loch. Wie lange ihr belichten mŸsste, hŠngt von den LichtverhŠltnissen, dem Lochdurchmesser und dem Abstand zwischen Loch und Fotopapier ab. Da mŸsst ihr erst mal etwas experimentieren, bis ihr die richtige Belichtungszeit habt. Achtung: Misserfolge sind wahrscheinlich. Am besten legt ihr euch eine Tabelle an fŸr Sonne - bedeckt – trŸb. Das belichtete Papier nehmt ihr in der Dunkelkammer aus der Kamera. Dann wird es eine Minute entwickelt (jetzt kšnnt ihr das Bild schon erkennen), unter Wasser abgespŸlt und drei bis fŸnf Minuten fixiert (lichtunempfindlich gemacht). Zum Schluss fŸnf Minuten in der Badewanne oder im Waschbecken wŠssern, ca. ½ Stunde trocknen und fertig ist euer erstes Foto! Dieses ist noch ãnegativÒ, d.h. dass Helligkeit in der Natur dunkel ist und umgekehrt. Ihr kšnnt davon auch ein Positiv machen. Dazu wird das fertige Foto mit der Schichtseite (Bild) in der Dunkelkammer auf ein anderes unbelichtetes Fotopapier gelegt und von oben mit wei§em Licht belichtet. Dann: entwickeln, fixieren, wŠssern, trocknen und ihr habt ein Positiv. Hier mŸsst ihr aber auch erst die richtige Belichtungszeit austesten, die hŠngt von der SchwŠrzung des Negativs, der Helligkeit der Lampe und dem Abstand Lampe – Papier ab. Wenn ihr neue Ideen sucht: es gibt im Internet oder in BŸchern jede Menge Ÿber Lochkameras. Es gibt auch welche zum Kaufen oder Nachbauen. Motive findet ihr Ÿberall, besonders geeignet sind ruhige Motive (wegen der langen Belichtungszeit): Landschaft, HŠuser. Die weiche SchŠrfe –man kann auch sagen: UnschŠrfe – gibt den negativen Schwarz-Wei§-Bildern einen eigenen Reiz, einen kŸnstlerischen Hauch. Das alles ist nicht so ganz einfach, vor allem das Testen der richtigen Belichtungszeit ist am Anfang schwierig. Am besten lasst ihr euch am Anfang von einem €lteren oder Erwachsen mit Erfahrung in Fotoarbeit helfen. FŸr eine Foto-AG in der Schule oder im Jugendclub ist die Lochkamera-Fotografie eine faszinierende Sache, weil solche Bilder selten sind und ihren eigenen Reiz haben. Nur Mut! Der Spa§ kommt bestimmt. Paul Happle 2003 ãDie Dauer des AugenblicksÒ Ein foto-pŠdagogisches Handbuch A 1 Entwicklung der Kameratechnik T 1, T2
JŸrgen Fiege 2011 ãDie Dauer des AugenblicksÒ Ein foto-pŠdagogisches Handbuch A 2 Grundlagen der Optik: Die "Linse" T 1, T2
JŸrgen Fiege 2011 ãDie Dauer des AugenblicksÒ Ein foto-pŠdagogisches Handbuch A 3     Blende     A 2, A 7, T 2 Die Blende regelt die Lichtmenge, die durch das Objektiv auf die Filmebene fŠllt. Die offene Blende (gro§e …ffnung) lŠsst viel Licht, die kleine Blende (kleine …ffnung) wenig Licht hindurch. Au§erdem kann durch die Blende die TiefenschŠrfe reguliert werden (siehe Blatt A 2 und Abschnitt "Optische Grundlagen" in T 2 ÓFototechnikÓ). Technisch ist die heute Ÿbliche Iris-Blende Šhnlich wie der Verschluss konstruiert: MetallplŠttchen lassen sich fŠcherfšrmig drehen, so dass gro§e oder kleine …ffnungen entstehen.
Gro§e Blendenšffnung = kleine Blendenzahl, kleine Blendenšffnung = gro§e Blendenzahl LichtstŠrke des Objektivs Die LichtstŠrke ist einerseits von der optischen QualitŠt des Objektivs, andererseits von der grš§tmšglichen Blendenšffnung abhŠngig. Je grš§er die LichtstŠrke ist, desto besser ist das Objektiv geeignet, auch bei ungŸnstigen LichtverhŠltnissen benutzt zu werden. Das gilt insbesondere fŸr Weitwinkel-, Tele- und Zoomobjektive (siehe Abschnitt A 7 "Brennweite"), die aufgrund ihrer komplizierten Linsensysteme eher eine geringere LichtstŠrke haben. Gute Objektive von Normalobjektiven (ca. 50 mm Brennweite) haben eine LichtstŠrke von unter 2.
JŸrgen Fiege 2011 ãDie Dauer des AugenblicksÒ Ein foto-pŠdagogisches Handbuch A 4 Entfernung A 3, A 5, T 2, T 4, T 6
JŸrgen Fiege 2011 ãDie Dauer des AugenblicksÒ Ein foto-pŠdagogisches Handbuch A 5 TiefenschŠrfe A 3, A 4, A 7, T 2, T 4, T 6 Je kleiner die Blende, desto grš§er ist die TiefenschŠrfe. Durch geringe TiefenschŠrfe kšnnen bestimmte Bildinhalte hervorgehoben werden, indem die Ÿbrigen Bildteile im UnschŠrfebereich liegen. TiefenunschŠrfe entsteht durch einen gro§en Zerstreuungskreis. Je kleiner die Blende, desto grš§er die TiefenschŠrfe (Bild links), je grš§er die Blende, desto geringer die TiefenschŠrfe (Bild rechts). Am TiefenschŠrfenring des Kameraobjektivs lŠsst sich ablesen, wie gro§ die TiefenschŠrfe bei einer bestimmten Entfernungseinstellung ist. Die TiefenschŠrfe ist auch von der Brennweite des Objektivs abhŠngig. Bei kleiner Brennweite (Weitwinkel < 40 mm) ist die TiefenschŠrfe gro§, bei langer Brennweite (Teleobjektiv > 60 mm) wird die TiefenschŠrfe immer geringer. Auch bei langer Brennweite lŠsst sich die TiefenschŠrfe durch Abblenden vergrš§ern. Da aber Objektive langer Brennweite kurze Belichtungszeiten erfordern sind dem Grenzen gesetzt.
SchŠrfe Die SchŠrfe ist bei 1/3 der GesamtlŠnge der Entfernung am grš§ten. Um zu zeigen, wie die Entfernung auch beim menschlichen Auge eingestellt wird, und TiefenschŠrfe zu demonstrieren, kann der/die Teamerin die Teilnehmenden auffordern, am ausgestreckten Arm den Daumen hochzuhalten. Jetzt werden die Teilnehmenden gebeten, den Daumen mit einem Auge zu fixieren und darauf zu achten, wie der Hintergrund aussieht: er ist unscharf. Wenn die Teilnehmenden jetzt den Hintergrund fixieren (also scharf stellen), wird der Daumen unscharf. D.h. die TiefenschŠrfe des Auges ist relativ gering, der SchŠrfepunkt kann aber schnell geŠndert werden. (Vgl. Blatt A 19)
JŸrgen Fiege 2011 ãDie Dauer des AugenblicksÒ Ein foto-pŠdagogisches Handbuch A 6 Verschluss A 1, T 1, T 2, T 4, T 6 Der Verschluss der Kamera regelt die Zeitdauer, in der Licht durch das Objektiv auf den Film fŠllt. UrsprŸnglich wurde einfach eine Verschlusskappe vor dem Objektiv fŸr eine bestimmte Dauer entfernt. Nachdem das Platten- bzw. Filmmaterial empfindlicher wurde und Bedarf an "schnellen" Aufnahmen bestand, wurden mechanisch šffnende und schlie§ende Verschlusssysteme entwickelt. Heute gibt es zwei verschiedene Verschlusssysteme: 1) Lamellen- oder Zentralverschluss, 2) Schlitzverschluss. Der Lamellen- oder Zentralverschluss besteht aus MetallplŠttchen, die sich um einen Drehpunkt fŠcherfšrmig durch Federdruck šffnen und schlie§en lassen. Er befindet sich im Objektiv und wird heute vorwiegend in Kleinbild - Sucherkameras verwendet. Seine Funktionsweise ist einfach. Der Nachteil besteht darin, dass im Zentrum der …ffnung der Film lŠnger belichtet wird als an den RŠndern. Lage des Zentralverschlusses Lage des Schlitzverschlusses Der Schlitzverschluss ermšglicht eine gleichmЧige Belichtung der ganzen Filmebene und lŠsst auch sehr kurze Belichtungszeiten zu. Er ist im KameragehŠuse vor dem Filmfenster eingebaut und besteht aus zwei VorhŠngen, die sich vor dem Film šffnen und schlie§en. Der erste Vorhang šffnet sich zuerst und bildet eine rechteckige …ffnung, die etwas grš§er ist als das Filmformat. Dann bewegt sich der zweite Vorhang und bildet zusammen mit dem ersten einen Schlitz, der sich von einer Seite zur anderen vor dem Film bewegt.
Die Verschlusszeit wird in Sekunden (sec.) bzw. in Bruchteilen von Sekunden gemessen. VerkŸrzung bzw. VerlŠngerung der Verschlusszeit sind immer Halbierungen oder Verdoppelungen. Dieses Prinzip gilt auch fŸr die Blendenšffnung und die Filmempfindlichkeit (siehe A 10 "Der Schwarz-Wei§-Film"). Verschlusszeiten in Sekunden (sec.) 1 1/2 1/4 1/8 1/15 1/30 1/60 1/125 1/250 1/500 1/1000 Es gibt zwei "SprŸnge" in dieser Reihe, damit mšglichst "runde" Zahlen entstehen.
JŸrgen Fiege 2011 ãDie Dauer des AugenblicksÒ Ein foto-pŠdagogisches Handbuch A 7 Brennweite A 5, T 2, T 3, T 6, D 2
Durch die LŠnge der Brennweite wird auch der Ausschnitt bestimmt, den das Objektiv aufnimmt. Je kŸrzer die Brennweite desto grš§er ist der Winkel (Weitwinkel), je lŠnger die Brennweite, desto kleiner der Winkel (Teleobjektiv). Das Teleobjektiv wirkt wie ein Fernglas, das entfernte Dinge "heranholt". Es verringert aber nicht nur die Entfernung zwischen dem Menschen und dem Objekt, sondern verkŸrzt auch die Entfernung zwischen den einzelnen Objekten. Dadurch entsteht die Teleraffung. Das Weitwinkelobjektiv verzerrt gerade Linien vor allem im Randbereich (Weitwinkelverfremdung). Das Normalobjektiv (50 mm Brennweite) nimmt einen Winkel von ca. 45¼ auf. Dies entspricht dem menschlichen Gesichtswinkel, auf den sich das Gehirn konzentrieren kann (siehe auch Blatt A 19 und Text T 6 "Unterschiede zwischen fotografischem und menschlichem Sehen"). 15mm 24mm 28mm 35mm 50mm 135mm 200 mm 300mm 110¡ 84¡ 74¡ 62¡ 46¡ 18¡ 12¡ 8¡
JŸrgen Fiege 2011 ãDie Dauer des AugenblicksÒ Ein foto-pŠdagogisches Handbuch A 8 Bedienungselemente einer Fotokamera A 1 - A 7, T 2, T 4, T 6
JŸrgen Fiege 2011 ãDie Dauer des AugenblicksÒ Ein foto-pŠdagogisches Handbuch A 9 Foto - Stative Bei vielen Gelegenheiten empfiehlt sich die Verwendung eines Fotostativs:
Das Angebot an Stativen ist verwirrend gro§. Die Wahl eines Stativs ist wesentlich abhŠngig von der Verwendung. ZunŠchst sollte geklŠrt werden, wofŸr das Stativ genutzt werden soll. GrundsŠtzlich lassen sich drei Typen unterscheiden: 1. Das normale Dreibeinstativ, das es in verschiedenen Grš§en und mit unterschiedlichem Gewicht gibt. FŸr den einfachen Alltagsgebrauch reicht ein handliches Kšcherstativ, das sich auf die LŠnge von 30 - 50 cm zusammenschieben lŠsst und aufgestellt die Hšhe von ca. 100 cm erreicht. Stabilere Stative sind grš§er, kšnnen hšher ausgefahren werden, haben einen ausfahrbaren und schwenkbaren Kopf. Sie sind aber auch schwerer und unhandlicher zu transportieren. 2. Handlich ist auch das Einbeinstativ, das Verwendung bei ÒschnellenÓ Aufnahmen, z.B. Sportaufnahmen findet. 3. Das Tischstativ, das als Klemmstativ an Tischkanten, TŸrrahmen etc. festgeschraubt werden kann. Es hat die Grš§e von etwas mehr als einer Zigarettenschachtel, lŠsst sich also leicht in der Fototasche verstauen und Ÿberall hin mitnehmen. Oder das dreibeinige Tischstativ, das auf waagerechten FlŠchen aufgestellt wird, sehr leicht, aber vor allem bei schwereren Kameras etwas wacklig ist. Bei der Wahl des Stativs sollte auf die folgenden Bedingungen geachtet werden: á einfache Handhabung, á Gewicht á Grš§e eingefahren und aufgestellt, á StabilitŠt und Verarbeitung, á Standfestigkeit (das gilt in AbhŠngigkeit von Grš§e und Gewicht der Kamera und dem Zubehšr (Blitz, Teleobjektiv etc.). Sinnvoll kann auch die Anschaffung von Zubehšr sein:
: JŸrgen Fiege 2011 ãDie Dauer des AugenblicksÒ Ein foto-pŠdagogisches Handbuch A 10 Schwarz-Wei§-Film T 2, T 6 Der Film besteht aus einem TrŠger (frŸher Zelluloid, jetzt Polyester oder Triacetat) und der lichtempfindlichen Emulsionsschicht, die aus einer Gelatineverbindung besteht. FrŸher wurde statt des Zelluloids eine Glasplatte benutzt. Die lichtempfindliche Schicht setzt sich zusammen aus einer Anzahl mikroskopisch kleiner lichtempfindlicher Partikel (dem sog. Korn), die aus einer Bromsilberverbindung bestehen. Sie verbinden sich im Entwicklungsprozess zu Kornzusammenballungen (sog. Kšrnigkeit). Diese sind auf Vergrš§erungen mit blo§em Auge erkennbar. Die Filmempfindlichkeit ist abhŠngig von Anzahl, Form und Grš§e der Bromsilberkšrner. Sie wird in DIN (= Deutsche Industrie-Norm), ASA (American Standard Association), BSA (British Standard Association) oder ISO (International Standard Organisation) gemessen. ASA, BSA und ISO beruhen auf dem gleichen Messprinzip. Bei DIN wird die Verdoppelung bzw. Halbierung der Empfindlichkeit durch Stufen von jeweils 3 Graden angegeben. Bei ASA werden die Zahlen verdoppelt bzw. halbiert. Hier gibt es einen "SprungÓ von 12 auf 25 wegen der leichteren Berechenbarkeit. Filme niedriger Empfindlichkeit haben Werte bis 18 (50), solche mittlerer Empfindlichkeit 21 (100) bis 24 (200) und solche hoher Empfindlichkeit von 27 (400) und mehr DIN (ASA).
Korn
Orthochromatische Filme kšnnen bei grŸnem Dunkelkammerlicht verarbeitet werden. Sie geben auch Rot-Tšne korrekt wieder. Alle S/W-Filme reagieren kaum oder gar nicht auf Blautšne. Die Farbsensibilisierung lŠsst sich durch Farbfilter steuern, z.B. dŠmpft der Gelb/GrŸn-Filter Blau.
JŸrgen Fiege 2011 ãDie Dauer des AugenblicksÒ Ein foto-pŠdagogisches Handbuch A 11 Achtung Aufnahme! T 4 8 Tips fŸr bessere Fotos 1. Kamera ruhig halten. Ggf. Stativ benutzen. 2. Get close to the object! "Wenn deine Bilder nicht gut genug sind, dann bist du nicht nah genug Ôdran gewesen." (Robert Capa) 3. Ein Motiv hat viele Seiten: Standort, Bildausschnitt. 4. Auf den Standpunkt kommt es an: Perspektive. 5. Der Vordergrund macht's. 6. Finger weg vom Zoom: Normalobjektiv (50 mm). 7. Bitte keine Tricks: sprich Filter 8. Bildaussage
JŸrgen Fiege 2011 ãDie Dauer des AugenblicksÒ Ein foto-pŠdagogisches Handbuch A 12 Negativentwicklung T 5 Die QualitŠt eines Fotos hŠngt sehr von der Negativentwicklung ab. Ein Fehler - und das Foto oder der Film ist nicht wieder zu reparieren. Daher muss die Entwicklung mit grš§ter Sorgfalt durchgefŸhrt werden. Der meist verwendete panchromatische Film muss bei absoluter Dunkelheit verarbeitet werden. Er wird daher in einer lichtdichten Entwicklerdose entwickelt. FŸr unterschiedliche Zwecke und Filme gibt es unterschiedliche Entwicklertypen. Hier muss jedeR FotografIn die eigene Wahl treffen. Arbeitsschritte der Negativentwicklung: 1. Film auf Spule aufziehen, Spule in Dose legen, Dose sorgfŠltig schlie§en 2. Entwicklung (Dauer und Temperatur je nach Entwicklertyp) (Lauge) 3. Kurz WŠssern 4. Unterbrecherbad, auch Stoppbad genannt (EssigsŠure) (ca. 1 min.) 5. Kurz WŠssern 6. Fixierbad (SŠure) (ca. 3 - 5 min., lŠnger kann nicht schaden) 7. Wasserbad (mind. 15 min., lŠnger kann nicht schaden) Wasser darf nicht zu kalt sein (Runzelkorn) 8. Netzmittel (Pril geht auch) 9. Trocknen (staubfrei, mind. 1/2 Std., abhŠngig von Raumtemperatur) 10. In NegativhŸlle sicher aufbewahren Die Handhabung der Entwicklerdosen ist je nach Hersteller und Typ unterschiedlich. Ich verweise auf die jeweilige Produktinformation.
JŸrgen Fiege 2011 ãDie Dauer des AugenblicksÒ Ein foto-pŠdagogisches Handbuch A 13 Positiv-Vergrš§erung & -Entwicklung A 14, 15, 17, T 4, T 5 Bei der Positivvergrš§erung und -entwicklung kann nach der Aufnahme am meisten gestalterisch eingegriffen werden. Deshalb ist die Kenntnis dieser Technik und ihrer vielfŠltigen Mšglichkeiten wichtig. Zu den einzelnen Arbeitsschritten siehe Blatt A 14 "Wie vergrš§ere ich ein Negativ?". Au§er dem Vergrš§erer (Projektor) und ggf. einem Timer benštigt man á drei Schalen, die mindestens so gro§ sind, wie das Papierformat, das man verarbeiten will; um Verwechslungen zu vermeiden, sollten die Schalen unterschiedliche Farben fŸr Entwickler, Wasser- bzw. Stopbad und Fixierer haben; á fŸr jede Schale eine Zange, damit man nicht mit den Fingern in die Chemikalien fassen muss; á ein Waschbecken oder gro§e SchŸssel (notfalls tut es auch die Badewanne) zum SchlusswŠssern. Das Labor muss mit einer roten oder grŸnen Dunkelkammerlampe ausgestattet sein (nŠheres siehe Blatt A 15 "Mindestausstattung fŸr ein einfaches Fotolabor"). Schematischer Querschnitt eines Vergrš§erers von vorn und der Seite Der Vergrš§erer gestattet AbzŸge unterschiedlicher Grš§e und QualitŠt. Positiventwicklung 1. Entwickeln (1 - 3 min. je nach Papier und Entwickler). Dabei die Schale oder das Papier bewegen. 2. Wasser- oder Stoppbad (EssigsŠure) 3. Fixieren (mind. 3 min., lŠnger kann nicht schaden) 4. WŠssern (mind. 15 min., lŠnger kann nicht schaden) 5. Trocknen FŸr Vergrš§erungen stehen unterschiedliche Papiere zur VerfŸgung: OberflŠche: GlŠnzend, Pearl, Matt Formate: 10 x 15, 15 x 20, 20 x 30, 30 x 40 cm usw. Empfindlichkeit: Gradation 1 2 3 4 5 Kontrast extraweich weich normal hart extrahart Gradationswandelpapier (Multigrade) Gradationswandelpapier ersetzt die Papiere mit unterschiedlicher Gradation und HŠrte. Es hat den Vorteil, dass man nur eine statt fŸnf Papiersorten vorrŠtig halten muss. DafŸr benštigt man aber einen Filtersatz mit in der Regel fŸnf verschiedenen Filtern, die man je nach gewŸnschter Gradation in den Vergrš§erer einlegen muss. Das setzt einen Vergrš§erer voraus, der eine Filterlade hat. Au§erdem sind die Filter nicht ganz billig.
JŸrgen Fiege 2011 ãDie Dauer des AugenblicksÒ Ein foto-pŠdagogisches Handbuch A 14 Wie vergrš§ere ich ein Negativ? A 13, T 5 1. Negativ in FilmbŸhne einlegen 2. Format einstellen, ggf. Ausschnitt wŠhlen 3. Bei offener Blende SchŠrfe einstellen 4. Mittlere Blende (8) einstellen 5. Belichtung messen, ggf. Blende nachstellen 6. Rotfilter vor 7. Papier auf ProjektionsflŠche, dabei Ausschnitt wŠhlen 8. Licht aus 9. Rotfilter weg 10. Starter drŸcken, abwarten bis Licht wieder ausgeht 11. Entwickeln 12. WŠssern / Stopbad 13. Fixieren 14. WŠssern 15. Trocknen
JŸrgen Fiege 2011 ÒDie Dauer des AugenblicksÓ Ein foto-pŠdagogisches Handbuch 1. Abwedeln Abdecken bestimmter Teile des Fotopapiers mit Hand, Papier (rauer Rand) oder einem anderen Gegenstand, wobei die GegenstŠnde wŠhrend der Belichtungszeit bewegt werden mŸssen.
2. Vignette Eine Papierschablone mit einem runden, ovalen oder anders geformten Loch in der Mitte wird im Lichtkegel des Vergrš§erers auf und ab bewegt. Dadurch werden die RŠnder des Fotos abgedeckt und bleiben wei§, der †bergang ist weich (Grauwerte).
3. Montage Belichten unterschiedlicher Teile des Papiers mit verschiedenen Motiven (verschiedenen Negativen). Dabei werden jeweils die Teile des Motivs mit einem Papier mit rauem Rand abgedeckt bzw. abgewedelt, die nicht aufs Papier kommen sollen.
4. Doppelbelichtung Zwei Negative werden nacheinander auf das Papier projiziert, dabei kšnnen auch bestimmte Partien abgedeckt oder abgewedelt oder vignettiert werden. Die Doppelbelichtung ist auch bereits bei der Aufnahme mšglich, indem man ein Motiv fotografiert, dann beim Transportieren die RŸckspulsperre an der Kamera drŸckt, so dass der Verschluss zwar gespannt, der Film aber nicht transportiert wird. Es empfiehlt sich, die vom Belichtungsmesser angegebene Blende oder Zeit um eine Stufe zu reduzieren, um eine †berbelichtung zu vermeiden. Danach wird das zweite Motiv (mit dem gleichen Negativ) noch einmal belichtet.
5. Sandwich - Doppelung Dasselbe Verfahren wie bei der Doppelbelichtung, nur dass zwei Negative, deren Formate und Motive zueinander passen mŸssen, zusammen in die FilmbŸhne des Projektors eingelegt werden.
symbolisieren, auch um bestimmte Bildteile zu verfremden. 7. Entzerrung Der Projektor oder die Projektionsplatte werden wŠhrend der Belichtung gekantet. Dadurch kšnnen bei Architekturaufnahmen z.B. stŸrzende Linien (wegen der perspektivischen VerkŸrzung nach oben z.B. bei zwei KirchtŸrmen) ausgeglichen werden (siehe Abb. 1). 8. Fotogramm Auf Fotopapier werden transparente oder nicht transparente GegenstŠnde gelegt. Das Papier wird dann belichtet.
9. Verfremdung durch Fotogramm Auf ein Fotopapier werden GegenstŠnde gelegt (siehe Fotogramm). Das Papier wird dann aber nicht mit wei§em Licht, sondern mit einem Negativ belichtet.
10. Fotobatik Diese Technik ist bei Tageslicht durchfŸhrbar. Kšrperteile (z.B. HŠnde, Lippen etc.) oder GegenstŠnde (z.B. Federn, Filzfiguren etc.) werden mit Vaseline bestrichen und fest auf ein StŸck Fotopapier gedrŸckt. Anschlie§end wird das Papier in Entwickler gelegt. Dort, wo das Fett auf dem Papier ist, kann der Entwickler nicht an die Fotoschicht gelangen, das Papier bleibt wei§; nur wo kein Fett auf dem Papier ist, wird das - wegen der Arbeit bei Tageslicht - belichtete Papier entwickelt und schwarz. Anschlie§end wird das Fett mit Seifenwasser abgewaschen, das Papier fixiert und gewŠssert.
11. Chemogramm Der zur Fotobatik umgekehrte Effekt entsteht beim Chemogramm. Ein Pinsel, WattestŠbchen etc. wird mit Entwickler getrŠnkt, dann wird damit auf Fotopapier gezeichnet. Da der Prozess bei Tageslicht geschieht, wird das ganze Papier belichtet, aber nur wo Entwickler aufgetragen wird, verfŠrbt sich das Papier schwarz. Anschlie§end fixieren und wŠssern. - Die Variante als Negativeffekt: Es wird mit Fixierer gezeichnet, dann entwickelt und schlie§lich noch einmal fixiert. Wo der Fixierer hinkommt, kann der Entwickler das Fotopapier nicht mehr schwŠrzen. 12. Lumogramm In die FilmbŸhne des Vergrš§erers werden statt des oder zusŠtzlich zum Negativfilm GegenstŠnde eingelegt (ggf. zwischen Glasplatten, altes Glas-DiarŠhmchen legen, um Verunreinigungen zu vermeiden), auf das Fotopapier auf der Projektionsplatte projiziert und belichtet. Durch Verschieben oder Drehen des Fotopapiers kšnnen auch plastische Strukturen oder Kreisformen erzielt werden.
13. Zeichnen mit Licht Im abgedunkelten Raum wird die Kamera auf den Boden mit dem Objektiv senkrecht nach oben oder auf ein Stativ mit dem Objektiv waagerecht montiert. Dann wird vor dem Objektiv mit einer Lichtquelle (Taschenlampe, Wunderkerze, Kerze u.Š.) "gezeichnet". Diese Technik lŠsst sich auch ohne Kamera nur mit Fotopapier anwenden, wenn die Lichtquelle Ÿber einem Fotopapier im abgedunkelten Raum bewegt wird. 14. Rasterung / Schablonieren Ein normales Negativ wird auf das Fotopapier projiziert, dabei wird auf das Fotopapier eine durchsichtige Folie mit einem grafischen Raster oder einer grafischen Schablone gelegt. Raster oder Schablonen kann man mit hitzefesten Folien fŸr Overheadprojektoren auf dem Fotokopierer mit beliebigen Mustern (Karo, Schraffur, Kreise etc., Zeichnungen) selbst herstellen.
16. Tšnen Nach dem SchlusswŠssern kann man Fotos in Tee braun tšnen. Allerdings besteht die Gefahr dabei, vor allem bei grš§eren Formaten, dass das Bild wolkig wird. Es gibt auch Toner zu kaufen. Rottšne kann man auch durch Rotebetesaft erzielen. Je lŠnger das Papier in der Lšsung liegt, desto dunkler wird der Farbton. Anm.: Streng genommen handelt es sich bei den einfachen Techniken nicht um Tšnen (engl: tonen), sondern um Colorieren, weil die FŠrbung nicht - wie beim ÓtonenÓ – in die Schicht eindringt, sondern sie nur oberflŠchlich deckt. 17. Pseudosolarisation Stark grafische Negative werden auf Fotopapier vergrš§ert, dabei wird die Belichtungszeit um 1/3 bis 1/2 verkŸrzt. Dann das belichtete Papier in den Entwickler legen. Wenn das Papier noch nicht ganz ausentwickelt ist, mit dem Rest der gemessenen Belichtungszeit das Bild im Entwickler mit wei§em Licht zweitbelichten. Es entsteht ein Umkehr-, d.h. Negativeffekt, wobei die Umrisse scharf konturiert sind. Dieses Verfahren gelingt selten beim ersten Versuch. Es empfiehlt sich daher, mehrere Versuche mit unterschiedlichen Erst-, Zweitbelichtungs- und Entwicklungszeiten auf Probestreifen durchzufŸhren. Dabei die Zeiten merken und dann die gelungenste Fassung nehmen. 18. Umkopieren / Hartkopieren Ein Negativ wird auf Planfilm vergrš§ert, dieses wird entwickelt, fixiert, gewŠssert und getrocknet. Dadurch entsteht ein Transparent-Positiv, das im Kontaktverfahren wieder auf Planfilm umkopiert wird; dadurch entsteht wieder ein Negativ, das durch Vergrš§ern auf sehr hartem Papier eine grafische Struktur erzeugt. Der Planfilm zeichnet extrem hart, dadurch werden alle Grautšne vermieden, es bleiben nur die Schwarz-Wei§-Strukturen. Dieses Verfahren - Umkopieren - auf Planfilm kann beliebig oft wiederholt werden, bis der gewŸnschte grafische Effekt erzielt ist. 19. Fotorelief Vom Negativ (PortrŠtfoto) wird ein Abzug (15 x 20 bis max. 20. x 30 cm) gemacht. Dieses Positiv wird im Fotokopierer auf wei§em Papier, dann noch einmal auf (hitzeresistenter) Kopierfolie kopiert. Dann wird beides aufeinander geklebt. Dabei kšnnen z.B. verschiedene Gesichter kombiniert, etwas verschoben werden oder durch Abstandhalter (Tesafilmršllchen) getrennt werden. Dadurch entstehen interessante Varianten, mit denen gespielt werden kann. Die Wirkung lŠsst sich bei der PrŠsentation erhšhen, wenn die Beleuchtung von oben oder von hinter dem Bild kommt.
JŸrgen Fiege 2011 ãDie Dauer des AugenblicksÒ Ein foto-pŠdagogisches Handbuch A 16 Anfertigen von Repros A 15
(1) Selbstgebautes Reprostativ Siehe Skizze auf der RŸckseite (2) Umgebautes Vergrš§erer-Stativ. Einige Vergrš§erer lassen sich professionell umrŸsten auf Reproanlagen. Bei einigen kann man/frau sich aber auch selber etwas bauen. Wir haben z.B. bei einem Vergrš§erer den Kopf abgebaut, in den Schlitten, der am Stativ senkrecht bewegt wird, ein Loch gebohrt und entsprechend dem Modell von (1) eine Gewindestange befestigt, an die die Kamera montiert wird. (3) Pinnwand Man kann auch einfach an einer senkrechten Pinnwand die Reprovorlagen mit Ršllchen aus Klebeband befestigen und davor die Kamera auf einem Stativ montieren. Hier besteht das Problem, dass die Vorlagen oft nicht plan anliegen und daher Reflexe entstehen. (4) Beleuchtungsquellen Die Beleuchtungsquellen kšnnen improvisiert werden. Ich h habe Jahre lang seitlich von dem selbstgebauten Reprostativ vier Klemmleuchten mit verspiegelten 60-Watt-Strahlern befestigt. Normale Schreibtischlampen lassen sich auch verwenden. Gut geeignet sind auch Baustrahler, die sich ebenfalls leicht seitlich vom Reprostativ montieren lassen. JŸrgen 2011 ÒDie Dauer des AugenblicksÓ Ein foto-pŠdagogisches Handbuch Es ist keineswegs notwendig, ein aufwendiges Fotolabor zu installieren. Auch aus einem einfachen Raum kann ein Labor entstehen. Wenn Fenster vorhanden sind, lassen diese sich einfach mit schwarzer GŠrtnerfolie und Klebeband abdichten. Wenn die Verdunkelung wieder abnehmbar sein soll, kann man die Folie und den Fensterrahmen mit selbstklebendem Klettband versehen und so die Folie beliebig abnehmen bzw. anbringen. Was wird sonst noch benštigt? 1 Raum mindestens mit Stromanschluss mšglichst mit Wasseranschluss und Waschbecken / Ausguss sonst (Bade-) Wanne mšglichst ohne Fenster sonst schwarze Folie (ggf. mit Klettband) zum Abdunkeln 1 (Schreibtisch-) Lampe mit Dunkelkammerbirne Negativentwicklung 1 Entwicklerdose (mindestens mit einer Spule) 3 Flaschen (Entwickler, Stoppbad, Fixierer) 1 Kaskade (nicht unbedingt notwendig, aber praktisch) WŠscheklammern und Leine FŸr die Laborarbeit im Zeltlager ist ein Wechselsack praktisch zum Einlegen der Filme in die Entwicklerdose. Positivvergrš§erung 1 Vergrš§erer mit Objektiv (evtl. auch gebraucht), evtl. Zeitschaltuhr / Timer 3 Schalen (unterschiedliche Farben, fŸr Entwickler, Wasserbad, Fixierer) 3 Zangen 2 - 3 Flaschen (Entwickler, ggf. Stoppbad, Fixierer) 1 kleine Mensur (25 oder 50 ml), ein Messbecher (1000 ml) 1 Kiste oder Schrank, um alles zu verstauen
JŸrgen Fiege 2011 ãDie Dauer des AugenblicksÒ Ein foto-pŠdagogisches Handbuch A 18 Bildgestaltung T 6, D 2
JŸrgen Fiege 2011 ãDie Dauer des AugenblicksÒ Ein foto-pŠdagogisches Handbuch A 19 Unterschiede zwischen fotografischem und menschlichem Sehen* T 6
Die Besonderheiten des menschlichen Sehens entstehen sowohl durch die Beschaffenheit des Auges als auch durch Korrekturen, die erst das Sehzentrum im Gehirn vornimmt. Das Farbspektrum z.B. wird durch die Anzahl, Verteilung und Beschaffenheit der Zapfen auf der Netzhaut eingeschrŠnkt, der Sehwinkel von 45 entsteht durch die Wahrnehmung des Gehirns. Die Korrektur der Farben oder der stŸrzenden Linien wird ebenfalls erst im Sehzentrum vorgenommen. Objektives und subjektives Sehen: WŠhrend die Kamera alle Objekte, die in ihrem Bildausschnitt sind, unterschiedslos ablichtet, konzentriert sich der Mensch auf die ihm wichtigen Dinge. Dies ist z.B. bei der Wahl des Hintergrundes zu berŸcksichtigen: wŠhrend der Mensch den Telegrafenmast hinter dem Kopf der abgebildeten Person "ausblendet", nimmt die Kamera ihn auf. Selektives und umfassendes Sehen: WŠhrend der Mensch durch stŠndige Blick- und Kopfwendungen, durch automatisches Scharfstellen und rasche Helligkeitskorrektur eine Vielzahl von "Momentaufnahme" macht und zu einem "Film" zusammensetzt, konzentriert sich die Kamera auf einen bestimmten Bildausschnitt, macht also ein Ausschnittbild von der Wirklichkeit Objektives Sehen und andere sinnliche EindrŸcke: WŠhrend die Kamera nur optische Informationen aufnimmt, wird der optische Eindruck des Menschen durch andere sinnliche Wahrnehmungen - GerŠusche, Geruch, Temperatur - beeinflusst. Stereoskopisches und monoskopisches Sehen: Dadurch, da§ wir mit zwei Augen sehen, kšnnen wir stereoskopische Bilder wahrnehmen. Die von den beiden Augen gesehenen Bilder werden im Gehirn zu einem rŠumlichen Seheindruck zusammengesetzt. Die Kamera hat nur ein Objektiv, kann daher nur zweidimensionale, flŠchige Bilder aufnehmen. Dieser Effekt lŠsst sich sehr einfach nachvollziehen, wenn wir ein Auge schlie§en und ein rŠumliches Objekt fixieren: wir stellen fest, dass dieses Objekt dann flŠchig erscheint. Daher ist es notwendig, beim Fotografieren rŠumliche Tiefe durch symbolische Bildzeichen herzustellen. Unterschiedlicher und fester Abbildungsma§stab: WŠhrend die Brennweite des menschlichen Auges fest eingestellt ist, kann die Brennweite der Kamera durch verschiedene Objektive verŠndert werden. Dies verŠndert den Abbildungsma§stab bei der Kamera, wŠhrend der des Auges immer konstant ist. Variabler und fester Sehwinkel: WŠhrend der Sehwinkel des Auges, damit sein Bildkreis auf ca. 45 festgelegt ist, kann der Sehwinkel der Kamera durch Verwendung von Objektiven unterschiedlicher Brennweite verŠndert werden. BeschrŠnkte TiefenschŠrfe und rasche SchŠrfekorrektur mit gro§er TiefenschŠrfe: Die TiefenschŠrfe des Auges ist relativ gering, dafŸr wird die SchŠrfe bei unterschiedlicher Entfernung in Sekundenbruchteilen automatisch korrigiert. Die Kamera ist hinsichtlich der SchŠrfekorrektur relativ unflexibel und langsam, durch Schlie§en der Blende kann aber eine relativ gro§e TiefenschŠrfe erzielt werden. Addition von Lichteinfall und beschrŠnkte Lichtaufnahme: Der Film addiert die Lichtmenge, die in einer bestimmten Zeit auf ihn fŠllt. D.h. bei wenig Licht kann ich durch lange Belichtungszeiten dennoch fotografieren, zuviel Licht kann durch Schlie§en der Blende und kurze Belichtungszeiten korrigiert werden. Das Auge kann unter einer bestimmten Lichtmenge nicht mehr sehen, bei gro§er Helligkeit wird es geblendet und sieht auch nicht mehr. Keine Farbkorrektur und automatische Farbkorrektur: Der Film korrigiert unterschiedliche Farbwerte des Lichts nicht (ggf. kann der Fotograf durch Zusatzfilter eingreifen), wŠhrend das menschliche Sehen automatisch Farbkorrekturen vornimmt. Wahrnehmung aller Spektralfarben und eingeschrŠnktes Farbspektrum: Das Auge nimmt nur die Regenbogenfarben von Rot bis Violett wahr, wŠhrend Filme auch noch darŸber hinaus Ultrarot und Ultraviolett wahrnehmen. Variable Perspektive und geradlinige Perspektive: Das Auge hat nur eine Perspektive, nŠmlich die zentrale. Die Kamera dagegen kann durch Objektive mit verschiedenen Brennweiten auch andere Perspektiven aufzeichnen. StŸrzende Linien und Korrektur stŸrzender Linien: Senkrechten Linien werden durch perspektivische VerkŸrzung verzerrt und von der Kamera als stŸrzenden Linien wiedergegeben. Das menschliche Sehen dagegen korrigiert die stŸrzenden Linien, so dass ein "natŸrlicher" Eindruck entsteht. Ein wesentlicher Unterschied zwischen menschlichem und fotografischem Sehen besteht in der Aufzeichnungsgeschwindigkeit des Fotoapparates: bei sehr rasch ablaufenden Prozessen versagt das menschliche Sehen, es kann weder Details noch AblŠufe korrekt verfolgen und sie sich merken. Hier ist die Fotografie eindeutig schneller und genauer. WŠhrend die menschliche Wahrnehmung vielen, teilweise gegensŠtzlichen EindrŸcken ausgesetzt ist, konzentriert sich die Fotografie durch Isolation des Motivs und BeschrŠnkung auf das Sehen. Zudem ist sie prŠzise und von subjektiven Interpretationen weitgehend unabhŠngig.
JŸrgen Fiege 2011 ãDie Dauer des AugenblicksÒ Ein foto-pŠdagogisches Handbuch A 20 Fotografische Themen T 4, T 6, T 7, A 11, D 4 Details Strukturen FundstŸcke Produkte arrangierte Motive: Stilleben Table-Top Landschaft Architektur ungewšhnliche Perspektiven GegensŠtze PortrŠt Akt Natur (Pflanzen, Tiere) Sozialfotografie: - kurze Brennweite - besondere Ausnahmen! - Augenhšhe - Voyeurismus! Konzentration auf ein Thema aufmerksame Motivsuche Sehen lernen! Mu§e Distanz und NŠhe Spielen mit Perspektive, Standort, Licht
Themen und Stilrichtungen in der Fotografie Erweiterter Katalog
JŸrgen Fiege 2011 ãDie Dauer des AugenblicksÒ Ein foto-pŠdagogisches Handbuch A 21 Sozialfotografie A 22, T 7, 8, P 5, D 3 Definition Dokumentarische Fotografie
Fotojournalismus Sozialfotografie Produktfotografie Beweisfotografie Geschichte und Themen 1. FrŸhe bŸrgerliche Sozialfotografie (Brady, Thomson, Penn, Riis, Hine, Zille u.a.) 2. Sowjetische Arbeiterfotografie 3. Arbeiterfotografie der 20er und 30er Jahre in Deutschland (Ballhause, AIZ u.a., USA) 4. BŸrgerlich-reaktionŠre "Sozial"-Fotografie (30er - 50er Jahre) 5. Soziale Bewegungen in der Bundesrepublik Deutschland - WiederaufrŸstung (50er Jahre) - Studentenbewegung (60er Jahre) - JZ - Bewegung - Gegen Arbeitslosigkeit (70er Jahre) - FŸr Berufsausbildung - Hausbesetzer (80er Jahre) - Friedensbewegung - Umwelt- / Anti-AKW-Bewegung 6. Themen - Wohnen - Stadt - Umwelt - Armut / Reichtum - MilitŠr, Krieg - Verkehr - Arbeit, Arbeitslosigkeit - Streik - AuslŠnder - Repression, Polizei, Berufsverbote - Internationale SolidaritŠt - u.a. 7. Voraussetzungen fŸr Entstehen und Fortbestand der Sozialfotografie: - technische Voraussetzungen: schnelle Kameras, lichtstarke Objekte, ggf. Kunstlicht - soziale MissstŠnde - politische/soziale Bewegungen - mangelnde …ffentlichkeit: kein Zugang zur Presse, kein kritischer (Foto-) Journalismus ãDiese Bilder (aus dem Kosovokrieg. J.F.) hŠtten nicht entstehen kšnne, wenn die Menschen, die ich fotografiert habe, mich nicht akzeptiert hŠtten. Es ist schlicht unmšglich, solche Momente ohne das EinverstŠndnis der Menschen festzuhalten, die ich fotografiere. Sie mŸssen mich akzeptieren, sie mŸssen wollen, dass ich da bin. Sie verstehen, dass der Fremde mit der Kamera, der der Welt zeigen will, was mit ihnen geschieht, ihr Sprachrohr ist, das sie sonst nicht hŠtten. Sie wissen, dass sie Opfer von Ungerechtigkeit und unnštiger Gewalt sind. Und wenn sie mir erlauben, sie zu fotografieren, wenden sie sich damit an den Rest der Welt, appellieren an das Unrechtsbewusstsein jedes Einzelnen. Ich mšchte mich den Menschen mit Respekt nŠhern. Ich will, dass sie sehen, dass ich sie und die Situation, in der sie sich befinden, respektiere. Ich bewege mich nicht schnell, ich spreche nicht zu laut und versuche, in meiner AnnŠherung ganz offen zu sein. Ich will, dass sich ihnen mein Herze šffnet, und ich will, dass sie das spŸren und das tun sie. Dazu braucht es nicht viele Worte, manchmal gar keine.Ò (James Nachtwey, in: ãJames Nachtwey - KriegsfotografÒ. Ein Film von Christian Frei, 2001) Dieser Text ist als theoretische Grundlage fŸr die Diskussion mit Teilnehmenden Ÿber Ethik der Sozialfotografie und Voyeurismus geeignet.
JŸrgen Fiege 2011 ãDie Dauer des AugenblicksÒ Ein foto-pŠdagogisches Handbuch A 22 Sozialfotografie: Themen A 21, T 7/8, P 5, D 3 Die Vielzahl der mšglichen Themen der Sozialfotografie ist bereits im Blatt A 20 zusammengefasst. FŸr die Gruppenarbeit empfiehlt es sich, dass die Teilnehmenden in ihrem eigenen sozialen Umfeld ein Thema suchen, das sie dokumentieren, z.B. Schule, Betrieb, Stadtteil, politische AktivitŠten, Feste. Nicht immer darf jedoch an sozialen Orten fotografiert werden, z.B. in Betrieben. Die Gruppe kann sich aber auch ein gemeinsames Thema vornehmen, das sie dokumentieren will, z.B. einen Stadtteil oder ein Thema wie "Unheimliche Orte". Z.B. haben Frauen in einem unserer Seminare Orte fotografiert, die sie nicht gerne allein passieren (dunkle Tunnel, Bahnhšfe, abgelegene Fu§wege). In unseren Seminaren haben wir den folgenden Weg gewŠhlt: die TeilnehmerInnen bekamen eine Auswahl von BlŠttern gezeigt, auf denen jeweils ein Motto, ein Ausschnitt des Stadtplans, ein Bild und ein Thema aufgezeichnet waren. Sie konnten unter ca. 10 Themen auswŠhlen, welches sie bearbeiten wollten. Dann zogen sie allein oder in kleinen Gruppen los und dokumentierten das Thema fotografisch. Ich gebe hier einige der Themen wieder.
JŸrgen Fiege 2011 ãDie Dauer des AugenblicksÒ Ein foto-pŠdagogisches Handbuch A 23 Daten zur Geschichte der Fotografie T 1, D 1
JŸrgen Fiege 2011 ãDie Dauer des AugenblicksÒ Ein foto-pŠdagogisches Handbuch "Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden KŸnste und der Photographie": ¤ 22: "Bildnisse dŸrfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder šffentlich zur Schau gestellt werden." (Hervorhebungen von J.F.) Der/die Abgebildete kann ihr/sein EinverstŠndnis erklŠren durch: - schriftliche Einwilligung - Annahme eines Honorars. DarŸber hinaus ergibt sich aus den grundgesetzlich garantierten allgemeinen Persšnlichkeitsrechten das Recht am eigenen Bild. Danach kann ein Fotografierverbot abgeleitet werden (s. Mikorey, S. 84). U.U. kann das Recht am eigenen Bild auch zu Notwehrsituationen fŸhren. In den nach ¤ 23 geregelten FŠllen kann das zu Interpretationsproblemen fŸhren (z.B. Fotografieren von Polizisten bei Demonstrationen). - Ein Fotografierverbot kann sich demnach auch auf Sachen beziehen. ¤ 23: Veršffentlichung oder Ausstellung von Bildern ist grundsŠtzlich erlaubt bei: "1. Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte; 2. Bilder, auf denen Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen …rtlichkeit erscheinen; 3. Bilder von Versammlungen, AufzŸgen und Šhnlichen VorgŠngen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben; 4. Bildnisse, die nicht auf Bestellung angefertigt sind, sofern die Verbreitung oder Schaustellung einem hšheren Interesse der Kunst dient". Sowohl das Fotografieren ist u.U. erlaubnisbedŸrftig, insbesondere aber auch die Veršffentlichung / Ausstellung. Personen des šffentlichen Interesses (Politiker, fŸhrende Personen der Wirtschaft und Gesellschaft) kšnnen ein Recht auf das eigene Bild nicht beanspruchen. Im Zweifel kann auch der Kunstvorbehalt geltend gemacht werden, der dann aber gut begrŸndbar sein muss. Das Veršffentlichungsrecht (¤ 72 UrhG 2) richtet sich ebenfalls nach dem Urheberrecht. Danach hat der/die FotografIn fŸr 50 Jahre nach der Aufnahme das Recht an seinem Bild. Die Veršffentlichung des Bildes verlŠngert diese Frist um 50 Jahre nach dem Zeitpunkt der ersten Veršffentlichung. Der/die FotografIn muss der Veršffentlichung zustimmen und kann ein Honorar beanspruchen. Au§erdem hat er/sie das Recht, Vorbehalte fŸr die Veršffentlichung geltend zu machen, z.B. Manipulation des Bildes, Bildunterschriften etc. Die unterschiedliche Auslegung dieser Bestimmungen fŸhrt hŠufig zu Differenzen, die durch Gerichtsentscheid geregelt werden mŸssen.
JŸrgen Fiege 2011 Fallbeispiele1. WŠhrend einer Demonstration fotografieren Sie den KnŸppeleinsatz eines Polizisten. Dieser verlangt von Ihnen, dass Sie den Film herausgeben sollen, weil er "sein Recht am eigenen Bild" gewahrt wissen will. DŸrfen Sie fotografieren? MŸssen Sie den Film herausgeben? 2. Sie fotografieren in Berlin das Brandenburger Tor. Plštzlich stellen Sie fest, dass vor Ihnen eine Gruppe von Leuten steht, die alle ein NPD-Abzeichen haben. Einer aus der Gruppe kommt plštzlich in drohender Haltung auf Sie zu und verlangt die Herausgabe des Films. "Ohne meine Einwilligung dŸrfen Sie mich nicht fotografieren!" Wer hat Recht? 3. Sie fotografieren einen Obdachlosen in der Fu§gŠngerzone, nachdem Sie ihn gefragt haben, ob er einverstanden ist. Er sagt: "Na klar, aber das kost'n Heiermann." Sie geben ihm fŸnf Euro und beschlie§en, das Bild in einer Ausstellung zu zeigen. DŸrfen Sie das? 4. Im Urlaub machen Sie Aufnahmen von einer DŸnenlandschaft, in der weit hinten SpaziergŠnger sind. Einer von denen verlangt, dass Sie aufhšren zu fotografieren. Sie weigern sich und sagen ihm, dass Sie Aufnahmen fŸr eine Ausstellung mit kŸnstlerischen Landschaftsbildern machen. Wer hat Recht? 5. Vor einem Konzert stehen Sie vor dem BŸhneneingang und sehen plštzlich Udo Lindenberg auf sich zukommen. GeistesgegenwŠrtig fotografieren Sie ihn. Da kommt ein Body-Guard auf Sie zu und will Ihnen das Fotografieren verbieten. DŸrfen Sie weiter fotografieren? 6. FŸr eine Ausstellung Ÿber die Protestbewegungen in der Bundesrepublik mšchten sie ein Foto von den Demonstrationen gegen die WiederaufrŸstung 1955 aus einem Bildband Ÿbernehmen. Das Foto wurde von einem dpa-Bildjournalisten gemacht und 1958 in einer Illustrierten veršffentlicht. DŸrfen Sie das Foto benutzen. 7. Jemand mšchte ein Foto, das Sie gemacht haben, fŸr einen Bildband Ÿbernehmen. Er sagt Ihnen, dass er es in den Computer einscannen will und "einige Kleinigkeiten verŠndern will". Darf er das? 8. FŸr eine Diaserie Ÿber die Geschichte des 1. Mai brauchen Sie ein Foto vom "Blut-Mai" 1929 im Berliner Wedding. Sie mšchten dazu ein Repro aus einem Bildband von 1931 machen. DŸrfen sie das Foto benutzen oder mŸssen Sie die Eigentumsrechte klŠren?
JŸrgen Fiege 2011 ãDie Dauer des AugenblicksÒ Ein foto-pŠdagogisches Handbuch Stand 12/2011
Kameras Angesichts der Vielzahl von Firmen nenne ich hier nur deren Namen sowie deren Adressen, soweit sie mir verfŸgbar sind. Die aktuellen Details kšnnen leicht Ÿber das Internet ermittelt werden.
Es gibt eine Vielzahl von Foto-Zeitschriften. Jede gut sortierte Bahnhofsbuchhandlung, jedes gute FotogeschŠft verfŸgt Ÿber eine Auswahl. Man kann sich natŸrlich auch Ÿber das Internet informieren. Die folgende Liste ist unvollstŠndig und kann schnell veralten.
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